Dienstag, 9. Oktober 2007

»Obst per Flugzeug hat nichts mehr mit Bio zu tun«

Deutsche kaufen so viel Bioprodukte wie nie. Doch reicht das aus? Fragen an Greenpeace-Expertin Christiane Huxdorff


Christiane Huxdorff
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ist studierte Umweltwissenschaftlerin und arbeitet bei Greenpeace als Chemiereferentin. Sie war an den beiden großen Testreihen »Pestizide aus dem Supermarkt« beteiligt.



? Wenn man die Berichte in den Medien verfolgt, hat man das Gefühl, dass Bio boomt und die Bauern jammern. Oder?

! Bio boomt wirklich. Im Vergleich zum letzten Jahr ist der Umsatz bei den Bioprodukten im Lebensmittelhandel um 20 Prozent gestiegen, allerdings ist die Anbaufläche hierin Deutschland nur um 2,3 Prozent gewachsen. Das liegt daran, dass die Fördermittel, die von der Bundesregierung an umstellungswillige Bauern gezahlt werden, so massiv gekürzt wurden. Ein Biobauer muss sehr viel Eigenkapital investieren, bis er den Umstieg schafft. Denn die ersten zwei bis drei Jahre kann er sein Obst und Gemüse nur als Umstellungsware verkaufen, das heißt, er bekommt nicht den Mehrwert, den er eigentlich reinsteckt. Deshalb überlegen es sich die Landwirte zweimal, ob sie umstellen. Die, die es aus Überzeugung machen, sind schon längst dabei. Jetzt muss man versuchen, die zu ködern, die noch zaudern. Dann würde man diesen Boom nicht nur in die Supermärkte holen, sondern auch in die Landwirtschaft.

? Woher kommen die Produkte, wenn die Nachfrage wächst, der Anbau aber nicht?

! Bio-Produkte kommen aus der ganzen Welt, also Italien, Spanien, aber auch aus Israel und Neuseeland. Diese Produkte werden dann biologisch angebaut, aber nicht unbedingt ökologisch transportiert. Trotzdem ist die Ökobilanz von einem Bio-Apfel, der per Schiff aus Neuseeland hierher gefahren wird, besser als von einem Apfel, der hier gekühlt und unter geschützter Atmosphäre gelagert wird.

? Der heimische Apfel verbraucht mehr Energie als ein Apfel aus Neuseeland?

! Die Obst- und Apfelsaison hier in Deutschland ist jetzt, und bald ist sie vorbei, Dann werden die ganzen Äpfel eingelagert. Das schluckt mehr Energie, als wenn Apfel aus Neuseeland mit dem Schiff hergefahren werden. Natürlich ist es etwas anderes, wenn Obst und Gemüse per Flugzeug herkommen. Das hat nichts mehr mit Öko zu tun. Letztlich ist es immer das Beste, wenn man beim Biobauern nebenan kauft und das isst, was gerade Saison hat.

? In den Regalen der Supermärkte finden sich immer mehr Bioprodukte. Ist das hilfreich für den Bioanbau in Deutschland?

! Es ist ein guter und wichtiger Schritt, dass Bio beim Discounter erhältlich ist und dadurch Bio für die breite Masse zugänglich wird. Vorher konnte man Bioprodukte wirklich nur im Bioladen und im Reformhaus kaufen. Da waren sie extrem teuer. Jetzt fragen auch die Discounter nach. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Produktion, die Preise sinken, und es wird für die Verbraucher erschwinglicher. Dadurch kaufen mehr Menschen, und die Nachfrage steigt weiter. Sowohl die Einstellung der Verbraucher als auch die Lebensmittelwirtschaft haben sich in den letzten fünf Jahren gravierend verändert – nur die Politik hinkt da hinterher.

? Haben die Produkte beim Discounter dieselbe Qualität wie im Bioladen?

! Wenn das sechseckige grüne Biosiegel auf den Produkten ist, weiß man, dass es auf jeden Fall Bioqualität ist. Aber es gibt natürlich Unterschiede zu den Produkten, die ich im richtigen Bioladen kaufen kann. Die erfüllen noch zusätzliche Kriterien, die von Anbauverbänden wie etwa Demeter, Naturland oder Bioland überwacht werden. Einige Anbauverbände verlangen zum Beispiel, dass wirklich hundert Prozent des Tierfutters auf dem eigenen Hof angebaut werden.

• Interview: Ute Pawlitschek