Dienstag, 6. November 2007

Filmtip 1

Duell mit Worten: Tom Cruise und Meryl Streep liefern sich einen Schlagabtausch, bei dem sie beide verlieren.

Alle Helden sind grau

Robert Redford rechnet ab mit Bushs Amerika: Der Politfilm „Von Löwen und Lämmern“ startet am Donnerstag

Von Stefan Stosch
Für das Aufpolieren des amerikanischen Traums hat sich Robert Redford immer schon verantwortlich gefühlt. Ein Rückblick auf die Rollenauswahl des Hollywoodstars belegt das: In „Bill McKay – Der Kandidat“ (1972) brandmarkte er die Oberflächlichkeit der US-Wahlkampfmaschinerie. In „Die drei Tage des Condor“ (1975) war er ein CIA-Mann, dessen Vorgesetzte einen Krieg für Öl anzetteln wollten. In „Die Unbestechlichen“ (1976) enthüllte er als Reporter Bob Woodward den Watergate-Skandal. Und in „Quiz Show“ (1994) – nun als Regisseur – beleuchtete er Schiebereien in der Fernsehindustrie.
Dennoch galt Redford bislang zuerst als Sunnyboy. Damit könnte jetzt Schluss sein: Den 71-Jährigen hat der heilige Zorn auf sein Land – oder besser: seine Regierung – gepackt. Der Politfilm „Von Löwen und Lämmern“, seine siebte Regiearbeit (zuletzt inszenierte er vor sieben Jahren „Die Legende von Bagger Vance“), wird beherrscht von der Wut auf die Verantwortlichen in den USA.
Allerdings hat Redford seine Gefühle heruntergekühlt und in einen klug strukturierten Dialogfilm umgewandelt. So viel wird in „Von Löwen und Lämmern“ geredet, dass Freunde des üblichen Hollywood-Actionkinos wohl schnell Reißaus nehmen werden. Andere Zuschauer jedoch dürften sich an der intellektuellen Schärfe eines Films erfreuen, der die politische Wirklichkeit vorausgeahnt hat: Kürzlich erst schwadronierte der US-Präsident von einem Dritten Weltkrieg, und auch der Iran ist zwischenzeitlich ins Visier der amerikanischen Militärstrategen geraten. Beides wird in „Von Löwen und Lämmern“ angedeutet.
Das Drehbuch hat Matthew Michael Carnahan geschrieben. Das ist, man glaubt es kaum, derselbe Autor, der es gerade in dem Kriegsfilm „Operation: Kingdom“ im Dienste Amerikas so richtig krachen lässt. Hier entdeckt Carnahan Worte als Waffen.
In drei parallelen Handlungen beleuchtet Redford die amerikanische Misere. In einer Episode tritt er selbst als kalifornischer Soziologieprofessor auf, der einen desillusionierten Studenten dazu bringen will, sich politisch zu engagieren. Der linksliberale Professor hält ein Plädoyer gegen die Politikverdrossenheit einer Generation, die die kriegerischen Umtriebe der Regierung erst möglich machten: „Wenn sich niemand mehr für die Mächtigen interessiert, können sie machen, was sie wollen“, sagt er. Ob er damit zu dem Studenten durchdringt, lässt der Film offen. Zweifel sind erlaubt.
Zeitgleich begegnen sich in Washington ein aalglatter republikanischer Senator (Tom Cruise) und eine schlagfertige Reporterin (Meryl Streep). Er will ihr eine zweifelhafte Geheimstrategie für den Afghanistan-Krieg als Exklusivnachricht verkaufen. Sie versucht, ihn mit provozierenden Bemerkungen aus der Reserve zu locken – wird aber bald in die Defensive gedrängt und muss einräumen, dass die US-Medien ihren Posten als Korrektiv der Politik nach dem 11. September aus falsch verstandenem Patriotismus aufgegeben haben.
Der dritte Handlungsstrang führt in den Afghanistan-Krieg und nimmt exemplarisch das Scheitern aller Washingtoner Militärspiele vorweg: Zwei Soldaten einer versprengten US-Einheit sterben auf einem verschneiten Bergpass am Hindukusch den Heldentod. Im Angesicht des Feindes stellen sie sich mit leergeschossenen Waffen den Al-Qaida-Leuten.
Nur in diesem tödlichen Finale im Schneesturm demonstriert Redford ein letztes Mal amerikanisches Sendungsbewusstsein. Gerade deshalb sticht die Szene aus einem Film hervor, dem Pathos zuwider zu sein scheint: stille Verzweiflung, Resignation, Mutlosigkeit, wohin man blickt. Redford, der in so vielen Filmen erfolgreich für das bessere Amerika gekämpft hat, kann sich zu keiner Zuversicht durchringen. Er schreckt sogar davor zurück, eindeutig Böse oder Gute gegenüberzustellen. Bei ihm sind alle Helden grau. Der smarte Senator in Washington ist zwar ein Verblendeter, doch kein Unsympath, der Uniprofessor in seiner rhetorischen Erschöpfung keine Figur, mit der sich der Zuschauer identifizieren möchte, und auch der Journalistin scheint letztlich die Kraft zu fehlen, um für die politische Wahrheit zu streiten.
Bei der Berliner Premiere seines Films stellte sich Redford Ende Oktober der politischen Debatte: Der Hollywood-Regisseur diskutierte mit dem deutschen Exaußenminister Joschka Fischer. Das war mehr als ein klug gesetzter PR-Trick, es war ein echtes Anliegen Redfords: In den USA hat er seinen Film an Universitäten präsentiert – also dort, wo er das Publikum findet, das er aufrütteln möchte. Er selbst, das stellte er in Berlin klar, habe keine Antworten auf drängende Probleme im Nahen Osten und anderswo. Er habe zeigen wollen, wie die amerikanischen Werte in den Bush-Jahren mit Füßen getreten worden seien.
Der moralisch-didaktische Ansatz lastet zu sehr auf dem Film, als dass sich „Von Löwen und Lämmern“ zu einem cineastischen Meisterwerk emporschwingen könnte. Das Werk ist von der politischen Analyse eines Enttäuschten durchdrungen. Andererseits: So schlecht kann es um Amerika nicht stehen, wenn Amerikaner sich so sehr nach verlorenen Idealen sehnen.
aus der HAZ vom 6.11.07

Filmtip 2

Ratatouille

Die Angst der SPD


Ein Chefredakteur musste gehen, weil die Partei es wollte
Jetzt ist es bewiesen, doch es scheint kaum mehr zu interessieren: Die Pressepolitik der SPD ist nicht so neutral, wie sich die Verantwortlichen gerne geben und die Parteizentrale hat einen klaren Feind: die Linkspartei. Den Beweis für die Pressepolitik der SPD liefert das Vorgehen ihrer Beteiligungsgesellschaft DDVG bei der Entlassung von Wolfgang Storz, bis Mai vergangenen Jahres Chefredakteur der Frankfurter Rundschau.

Der Hintergrund: In einer wirtschaftlichen Krise hatte die Beteiligungsgesellschaft der SPD im Jahre 2004 rund 90 Prozent der Anteile von der Karl-Gerold-Stiftung übernommen, der Eigentümerin der Frankfurter Rundschau. Während Christdemokraten und FDP damals die Pressefreiheit bedroht sahen, betonte SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier und Chefin der DDVG, sie wolle die Pressefreiheit wahren: »Wir haben mit unseren bisherigen Medien-Beteiligungen gezeigt, dass wir keinen Einfluss auf Redaktionen nehmen.«

Redakteurinnen und Redakteure anderer Tageszeitungen mit SPD-Beteiligung bestätigten dies, manchmal sogar mit einem gewissen Bedauern, weil ihnen die Zeitungen angesichts einer Beteiligung der SPD zu konservativ erschienen. Im Falle der Frankfurter Rundschau wurde die Parteizentrale jedoch schon bald nach ihrem Einstieg nervös.

Der Grund: die offene Diskussion des Blattes über die Linkspartei. Im August 2005 schrieb Inge Wettig-Danielmeier dann einen Brief an die Chefredaktion der Frankfurter Rundschau: Darin heißt es, in der FR sei »in den letzten Wochen so mancherlei zum Thema Linkspartei erschienen. Manches davon zutreffend, manches sehr einseitig, gelegentlich auch provozierend, einiges davon auch uninformiert«. Im Stile einer Über-Chefredakteurin schlug die SPD-Schatzmeisterin dann den Abdruck eines Textes der Historikerin Helga Grebing vor, die mit der Linkspartei scharf ins Gericht geht. Wolfgang Storz, selbst kein Freund der Linkspartei, beteuerte zwar, dass die Thesen von Helga Grebing durchaus interessant seien - er kam der Empfehlung der SPD-Parteizentrale jedoch nicht nach. Denn: »Sie haben mir diesen Brief offiziell als Schatzmeisterin der SPD geschrieben.« Schon deshalb müsse er ihr Angebot ablehnen, da »dies die redaktionelle Unabhängigkeit berühre«.

Nach einem weiteren Briefwechsel, in dem beide Parteien ihre Positionen untermauerten, griff die DDVG als Mehrheitsgesellschafterin zu ihrer letzten Waffe: Im Mai 2006 entließ sie den Chefredakteur auf »amerikanische Art«: Storz musste sein Büro innerhalb von zwei Stunden verlassen, sein E-Mail-Account wurde sofort gesperrt. • Wolfgang Keßler

aus Publik-Forum 19/07


Wenn wir einer Auseinandersetzung zwischen Eva Herman und Johannes B. Kerner soviel Platz in unseren Medien und Köpfen einräumen und dem Rauswurf von Wolfgang Storz so wenig, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn in unserem Land Dinge geschehen, die uns nicht gefallen, gegen die aber anscheinend kein Widerstand möglich ist.
Daß der Chefredakteur einer Tageszeitung weisungsgebunden ist – zumal einer Partei gegenüber – ist das Szenario einer Bananenrepublik, wenn er auf diese Art und Weise rausgeworfen wird, ist das ein Skandal, und wenn dann kein Aufschrei in der Gesellschaft erfolgt, ist das ein Armutszeugnis. Wir sollten uns schämen – und dankbar sein für diejenigen Medien, in denen wir davon erfahren!