Freitag, 29. Februar 2008

Bertelsmann in Aktion

Die Souffleure der Macht

Unbemerkt und hinter wissenschaftlicher Objektivität getarnt, flüstert die Bertelsmann-Stiftung der Politik ein, was sie tun soll: den Staat streng betriebswirtschaftlich durchorganisieren
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Vor Günter Hoffmann

Wenn in Deutschland von Medienmacht die Rede ist, denken die meisten seit den späten 1960er-Jahren vor allem an den Axel-Springer-Konzern. Die publizistische und ökonomische Macht der Bertelsmann AG wurde bisher kaum wahrgenommen. Schließlich hat der Club Bertelsmann ein unpolitisches Sortiment. Zudem gibt der Konzern die liberalen Zeitschriften Spiegel und Stern heraus. Und die Konzernleitung gab vor, eine »saubere Weste« zu haben. Schließlich war das Unternehmen im Dritten Reich verboten worden.

Doch langsam rücken die Aktivitäten des Bertelsmann-Konzerns stärker in das öffentliche Bewusstsein, der zu einem der größten und einflussreichsten Medienhäuser der Welt aufgestiegen ist. Die Kritik entzündet sich vor allem an der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung. Der Grund: Dezent im Hintergrund hat die Stiftung mit Studien und wissenschaftlicher Politikberatung bei fast allen umstrittenen Reformen mitgewirkt oder nachhaltige Anstöße dazu gegeben. Dazu zählen die Hartz-Gesetze mit der Einrichtung von Personal-Service-Agenturen und Job-Centern. Die Zusammenführung der Arbeits- und Sozialhilfe wurde von Projektgruppen der Stiftung im Zusammenwirken mit der Beraterfirma McKinsey konzipiert und begleitet. In einigen Bundesländern treibt die Bertelsmann-Stiftung zusammen mit den Kulturministerien die Ökonomisierung von Lehrplänen und Schulalltag voran. Das Centrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann-Stiftung steht für die Einführung von Studiengebühren und die Selbstfinanzierung der Hochschulen durch private Investoren. Privat vor Staat, das ist das Credo, das die Bertelsmänner auf allen Ebenen der Gesellschaft durchzusetzen versuchen.

Die Gründung der Stiftung war ein cleverer Schachzug des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn. Mit der gemeinnützigen Einrichtung wollte er verhindern, dass Erbschaftssteuern und Erbstreitigkeiten zum Verkauf von Teilen des Konzerns führen konnten. Gleichzeitig sah er die Aufgabe der Stiftung darin, »Reformen in allen gesellschaftlichen Bereichen anzustoßen«, gemäß seiner Überzeugung, »dass Wettbewerb und die Prinzipien unternehmerischen Handelns die wichtigsten Merkmale zum Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft sind«.

Der Schachzug von Mohn ging auf. Die Stiftung wurde 1977 gegründet, Mohn übertrug ihr rund 77 Prozent des Aktienkapitals der Bertelsmann AG, deren rund 100 000 Mitarbeiter einen Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften. Durch die Übertragung von drei Viertel des Aktienkapitals auf die Stiftung sparte er schätzungsweise zwei Milliarden Euro an Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Gleichzeitig ist die jährliche Dividendenzahlung an die Stiftung steuerfrei. Damit tragen auch die Steuerzahler ihren Teil zu dem bei, was die Stiftung finanziert.

Die reichste und mächtigste Stiftung in Deutschland unterstützt nicht Bedürftige, fördert keine gemeinnützigen Organisationen und finanziert auch keine extern gestellten Forschungsaufträge. Sie arbeitet laut Selbstdarstellung »ausschließlich operativ und nicht fördernd«. Das bedeutet: Sie finanziert nur die von ihr selbst initiierten Projekte. Dabei muss sich die Stiftung – was die Verwendung ihrer Gelder anbetrifft – vor keinem Parlament und keinem Rechnungshof rechtfertigen. Die Bertelsmänner kontrollieren sich selbst. Vertreter der Eigentümerfamilie Mohn sitzen sowohl im Vorstand, der die Arbeit der Stiftung leitet, wie im Kuratorium, das die Arbeit kontrolliert.

Die Bertelsmann-Stiftung verfügt über einen Jahresetat von rund 60 Millionen Euro. Sie finanziert Forschungsinstitute wie das Centrum für angewandte Politikwissenschaften (CAP) an der Uni München, das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das Centrum für Krankenhaus-Management (CKM), angesiedelt an der Uni Münster und das Kompetenzzentrum Kommunen und Regionen, die Medienakademie Köln und die Akademie des deutschen Buchhandels in München. Rund 330 Mitarbeiter arbeiten an der strategischen Vorbereitung und Umsetzung der 60 Stiftungsprojekte.

Die Stiftung arbeitet immer nach dem gleichen Schema: Ein aktuelles Problem wird aufgegriffen. Dann gibt die Stiftung Umfragen oder Studien in Auftrag. Diese ermitteln die Kosten, die der Gesellschaft durch das Problem entstehen. Damit entsteht Beratungs- und Handlungsbedarf, Handlungskonzepte und Lösungsmöglichkeiten werden von der Stiftung erarbeitet. Das ganze Paket geht dann an die Medien, um Akzeptanz herzustellen.

Im Gegensatz zur Initiative Neue soziale Marktwirtschaft, die schnell als Truppe des Arbeitgeberlagers entlarvt wurde, arbeitet die Bertelsmann-Stiftung dezent im Hintergrund. Ihr Credo von der Überlegenheit der Privatwirtschaft in allen Bereichen kommt zumeist in wissenschaftlichem Gewand daher. Hinter den Kulissen betreibt sie effektive Lobbyarbeit, kooperiert mit Kommunalverwaltungen, Landes- und Bundesregierung, mit Kanzleramt und Bundespräsident, mit Kultusministerien, Hochschulrektorenkonferenz, Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Sie nimmt Einfluß auf politische Entscheidungen, lange bevor diese im Parlament verabschiedet werden »Wir helfen der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen für die Zukunft zu finden«, so Mohn. Geht es nach ihm, soll das Regieren dadurch besser werden, dass »die Grundsätze unternehmerischer, leistungsgerechter Gestaltung in allen Lebensbereichen zur Anwendung gebracht werden«, nach dem Prinzip »so wenig Staat wie möglich«.

Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, den die Bertelsmann-Stiftung nicht ins Visier nimmt. Die Probleme in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheits-, Schul- oder Hochschulwesen, in der Arbeitsmarkt- und Standortpolitik, der Integration- und Entwicklungspolitik, dem demografischen Wandel bis hin zum internationalen Wettbewerb und zur EU-Sicherheitspolitik – alle wurden schon untersucht. Doch hinter der bürgergesellschaftlichen Terminologie ihrer Handlungskonzepte und Lösungsvorschlägen verbirgt sich das ganze neoliberale Repertoire der Betriebswirtschaftslehre. Dieses mündet dann in ein Credo von Kennziffern, Erfolgsrechnungen, Nutzwertanalysen, Budgetierung und Effizienz, Leistungsvergleichen, Wettbewerben und Rankings.

Entsprechend sehen ihre Lösungsvorschläge aus: Abschaffung der Gewerbesteuer, Aushebelung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, Privatisierung der Arbeitslosenversicherung, radikale Kürzungen bei der Sozialhilfe, Schulen und Hochschulen als Unternehmen am Markt, Einstieg in die Privatisierung der Kranken- und Pflegeversicherung, Privatisierung der öffentlichen Verwaltungen in Deutschland und Zentraleuropa, Aufbau einer europäischen Armee und vieles mehr. Und wie das alles erreicht werden soll? »Es ist ein Segen, dass dem Staat das Geld ausgeht. Anders kriegen wir das notwendige Umdenken nicht in Gang«, sagte Reinhard Mohn bereits 1996 in einem Interview.

Allerdings wächst inzwischen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. So beschloss der ver.di-Bundeskongress im vergangenen Herbst, die Zusammenarbeit zwischen ver.di, der Bertelsmann-Stiftung und der Bertelsmann-Tochter Arvato (folgender Beitrag) bis auf weiteres einzustellen. Viel weiter ging der Aufruf einer Bertelsmann-kritischen Tagung in Frankfurt am Main. Die über 200 Teilnehmer forderten, der Stiftung die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, und rieten Parteistiftungen, Universitäten, Gewerkschaften und Verbände auf, ihre Kooperation mit der Stiftung und ihren Einrichtungen zu beenden.__________


_________________________________________________________________»Zu teuer für die Bürger«

Die Gewerkschaft ver.di streitet gegen die Bertelsmann-Stiftung.
Fragen an Karsten Arendt

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Vor Wolfgang Kessler


Publik-Forum: Warum hat Verdi beschlossen, keine Veranstaltungen mehr mit der Bertelsmann-Stiftung zu machen?

Karsten Arendt: Viele Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen sind der Meinung, dass es keine Grundlagen für eine Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und der Bertelsmann-Stiftung gibt. Die Ziele und die Ideologie, die Bertelsmann vertritt, sind mit gewerkschaftlichem Denken und Handeln nicht in Übereinklang zu bringen.

Publik-Forum: Warum denn nicht?

Karsten Arendt: Die Stiftung vertritt die Ideologie, dass der Staat, insbesondere der Sozialstaat, eingedämmt und zurückgedrängt werden müsse. Grundsätzlich gilt: Privat geht vor Staat. Um dies zu untermauern, tut die Bertelsmann-Stiftung (und nicht nur die) gleichzeitig alles Mögliche, um den Staat, die Verwaltung, die Kommunen und ihre Einrichtungen als verkrustet, ineffizient, teur und bürgerfeindlich darzustellen

Publik-Forum: Was spricht gegen effiziente staatliche Dienstleistungen?

Karsten Arendt: Zunächst einmal gar nichts. Bei rein ökonomischer Betrachtungsweise wird aber ausgeblendet, dass sich der Staat bei der Organisation öffentlicher Daseinsvorsorge am Gemeinwohl orientieren muss. Staatliche Verwaltung setzt um, was von der Politik beschlossen wird. Gleichzeitig ist sie der politischen Kontrolle und Steuerung unterstellt. Effizienz lässt sich in diesem Kontext nicht einfach mit der Anwendung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente oder durch unternehmerische Sichtweisen von Verwaltung herstellen Es gibt privatisierte, vormals staatliche oder kommunale Unternehmen, an denen sich nachweisen lässt, dass die Privatisierung die Bürger später teuer zustehen kommen kann.

Publik-Forum: Warum hat ver.di überhaupt mit der Bertelsmann-Stiftung kooperiert?

Karsten Arendt: Seit Anfang der 1990er-Jahre hat die Stiftung begonnen, sich durch vielfältige Unterstützungsangebote in Politik und Verwaltungen einzuschleichen. Insbesondere staatliche und kommunale Finanznöte und eine gewisse Hilf- und Rezeptlosigkeit der verantwortlichen Politiker und Politikerinnen machten sie empfänglich für Akteure, die der Politik unternehmerische Organisation schmackhaft machten. Gleichzeitig war unbestreitbar, dass es durchaus bürokratische Verkrustungen und ineffiziente Strukturen in vielen Verwaltungen gab. Das führte dann zu Kooperationen, an denen auch ver.di beteiligt war

Publik-Forum: Wie kann man der Macht der Bertelsmann-Stiftung deutschlandweit begegnen?

Karsten Arendt: Zunächst einmal, indem man eine kritische Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten herstellt Dann wird es sicher wichtig sein, die Gemeinnützigkeit der Stiftung infrage zu stellen Schließlich wird es darauf ankommen, dass ein echter gesellschaftlicher Diskurs über die von Bertelsmann vertretenen Inhalte entsteht. So wie die ver.di-Kolleginnen und –Kollegen werden auch viele andere gesellschaftliche Gruppen feststellen, dass die Ziele und Methoden von Bertelsmann nicht mit ihren eigenen Werten und Vorstellungen von einem guten gesellschaftlichen Zusammenleben in Einklang zu bringen sind.__________


Karsten Arendt
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ist Personalratsvorsitzender der Kreisverwaltung Offenbach. Er engagierte sich dafür, dass ver.di künftig nicht mehr mit der Bertelsmann-Stiftung zusammenarbeitet.


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Ein Konzern übernimmt die Stadt

Bertelsmann-Tochter Arvato will die Verwaltung von Würzburg umbauen – nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen
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Von Günter Hoffmann

Würzburg ist mit seinen 130 000 Einwohnern eine ganz normale Stadt. Bald wird sie jedoch zum Experimentierfeld. Die Stadt hat einen in Deutschland bislang einmaligen Vertrag mit der Bertelsmann-Tochter Arvato AG geschlossen. Im Rahmen einer Public Private Partnership – einer Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft – soll Arvato die Verwaltung nach dem Vorbild der Privatwirtschaft radikal umbauen Die Gütersloher verpflichten sich, alle Verwaltungsprozesse auf einer zentralen Internetplattform zusammenzufassen Bürger und Unternehmen werden dann alle Dienstleistungen über eine Anlaufstelle, das neue Bürgerbüro, erhalten.

»Unsere Verwaltung wird schneller, besser und bürgernäher«, versprach Würzburgs Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (CSU) im Mai letzten Jahres auf einer Pressekonferenz anlässlich der Vertragsunterzeichnung mit Arvato. Und ergänzte: »Gleichzeitig können auch die Verwaltungskosten gesenkt werden.« In der Tat, Arvato übernimmt sämtliche Kosten, auch die Vorfinanzierune des millionenteuren Projektes und erhält von der Verwaltung nur dann Geld, wenn die Einsparungen auch tatsächlich erreicht werden. Rund 75 Mitarbeiter sollen in den nächsten 10 Jahren eingespart werden. Kostenersparnis rund 27 Millionen Euro. Arvato wird davon 17 Millionen erhalten, 10 Millionen Euro fließen in den städtischen Haushalt. »Wir sind das Pilotprojekt und profitieren deshalb von der Entwicklung«, so der städtische Kommunalreferent und Projektleiter Wolfgang Kleiner. »Andere Kommunen werden nicht mehr so günstige Vertragsbedingungen erhalten.«

»Eigentlich ist die Idee, sämtliche Verwaltungsfachstellen auf einer Internetplattform zusammenzufassen, so naheliegend, dass man sich fragt, warum man nicht schon früher darauf gekommen ist«, sagt Matthias Pilz. Er ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Würzburger Stadtrat. In Würzburg bedurfte es dafür der Vorarbeit der Wirtschaftsinformatiker der Universität. Sie verglichen die Verwaltungsstrukturen der Stadt mit ähnlichen Systemen in der Privatwirtschaft und kamen zu dem Ergebnis, dass die Verwaltungsarbeiten mit der Verknüpfung aller Fachstellen effektiver und kostengünstiger durchgeführt werden könnten.

Im Frühjahr 2006 schrieb die Stadt diese Leistungen nach dem neuen Vergabeverfahren »wettbewerblicher Dialog« europaweit aus, das die rot-grüne Bundesregierung noch im September 2005 erließ.

Arvato machte schließlich das Rennen. Für den Vertrag, den die Stadtverwaltung mit der Bertelsmann-Tochter abschloss, votierten die Stadträte im März 2007 einstimmig – ohne den Vertrag zu kennen. »Wir kennen nur die Eckpunkte des Vertrages, die uns die Verwaltung beschrieben hat«, so Pilz. Es sei nicht üblich, dass ehrenamtliche Stadträte ein Vertragswerk von mehreren hundert Seiten zu sehen bekommen. »Wir müssen der Verwaltung Vertrauen.«

Für Arvato ist dieser Vertrag der Einstieg in den milliardenschweren Markt der kommunalen Dienstleistungen in Deutschland. In Großbritannien ist sie bereits drin. Dort zieht Arvato Government Services für den Kreis East Riding of Yorkshire Council schon seit 2005 Steuern ein, erhebt Gebühren, zahlt Wohngeld und Sozialhilfe aus, macht Gehalts- und Lohnabrechnungen, betreut die Bürgerbüros und verantwortet die gesamte Informationstechnik.

»East Riding ist für uns ein Pilotprojekt von strategischer Bedeutung«, so Hartmut Ostrowski, Vorstandschef der Arvato AG, auf der Bertelsmann-Jahrespressekonferenz 2005. »Mit diesem Vertrag ist uns ein wichtiger Schritt in den Markt der öffentlichen Verwaltungsdienstleistungen gelungen.« Dabei profitiert die Bertelsmann-Tochter von der chronischen Geldnot der Städte und Gemeinden. Deshalb gehen die Verwaltungen Bündnisse mit privaten Unternehmen ein, die dann bislang staatliche Aufgaben übernehmen Staat und Privatunternehmen bauen gemeinsam Straßen und Tunnel, Schulen und Hochschulen, Verwaltungsgebäude und Kliniken, sie betreiben Stadtwerke und Entsorgungseinrichtungen und inzwischen selbst Gefängnisse und Rathäuser.

Die Laufzeit des Vertrages zwischen der Würzburger Stadtverwaltung und Arvato ist nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass die Stadtverwaltung nicht die Rechnerkapazitäten hat, um ihre Verwaltungsprozesse auf einer Internetplattform zu bündeln. Das bedeutet, die Daten aller Würzburger Einwohner und Unternehmen laufen über das Rechenzentrum des Bertelsmann-Konzerns in Gütersloh. Dort läuft die Datendrehscheibe für Würzburg

Was sich sonst noch ändert, wenn die Stadtverwaltung nach privatwirtschaftlichem Muster organisiert wird, weiß derzeit niemand. Die Hoffnung auf mehr Effizienz überschattet kritische Rücktragen.__________
aus Publik-Forum Nr. 4•2008
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Also nochmal langsam:

– Dafür, daß alle Verwaltungsprozesse auf einer zentralen Internetplattform zusammengefaßt werden, können rund 75 Mitarbeiterstellen in den nächsten 10 Jahren gestrichen werden.
– Von den dadurch eingesparten 27 Millionen Euro erhält Arvato 17 Millionen.
– Die Vorarbeiten wurden von den Wirtschaftsinformatikern der Universität durchgeführt, die feststellten, daß die Verwaltungsarbeiten durch Verknüpfung aller Fachstellen effektiver und kostengünstiger durchgeführt werden könnten.
– Die Laufzeit des Vertrages mit Arvato ist nicht bekannt.
– Die Stadt hat nicht die Rechnerkapazitäten, um ihre Verwaltungsprozesse auf einr Internetplattform zu bündeln.
– Deshalb laufen alle Daten der Würzburger Einwohner und Unternehmen über das Rechenzentrum des Bertelsmann-Konzerns in Gütersloh.

Mein Kommentar:
Ich frage mich, was eine deutsche Universitätsstadt daran hindert, zwei Professoren der Wirtschaftswissenschaften und Informatik an einen Tisch zu setzen und ein zehnjähriges Studienprojekt anzuschieben, in welchem Studenten die Verwaltung umstukturieren und die notwendigen Fachstellen auf einer Internetplattform zusammenführen. Von einem Computerhersteller bekämen sie die dafür notwendigen 500 Computer für Werbezwecke wohl zu einem Spottpreis. Ist das alles so unglaublich kompliziert, daß man dafür die Privatwirtschaft braucht und – was wohl die Datenschützer dazu sagen – sämtliche Daten über Konzernrechner laufen läßt? Haben wir so wenig helle Köpfe, daß wir unsere Wäsche einem Großkonzern auf den Tisch legen?

Gibt es so wenig Interesse in den Landesregierungen an effizienteren Kommunalverwaltungen, daß die nicht dazu in der Lage sind, auf Bundesebene ein Forschungsprojekt in Gang zu setzen, in welchen recherchiert wird, wie Kommunalfachstellen am einfachsten übers Inter- oder auch ein Intranet vernetzt werden? Muß da wirklich jeder sein eigenes Süppchen kochen? Wenn ich mich als Psychotherapie-Einzelkämpfer schon selbst qualitätsmanagen muß, sollte das nicht auch verpflichtend für Kommunalverwaltungen sein? Und kommt bei diesen qualitätsgemanagten Erkenntnisprozessen nur raus, daß man die Knete einem Großkonzern in den Rachen schmeißen muß?

Ich fürchte, der real existierende Neoliberalismus präsentiert gerade die Antworten.
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Ein paar Links, die sich auf obenstehende Artikel beziehen:Axel-Springer-Konzern
Bertelsmann AG (Umsatz 2006: 19,3 Mrd. EUR, gehört zu 76,9% der Bertelsmann Stiftung und zu 23,1% der Familie Mohn)
Bertelsmann Stiftung
Reinhard Mohn
Liz Mohn, (u.a. im Aufsichtsrat der Rhön Klinikum AG, 1999 als erstes weibliches Mitglied aus Deutschland in den Club of Rome aufgenommen); siehe auch Günther Bähr, »Reinhard kann jetzt nicht« (Focus-Archiv, der Wikipedia-Link funktioniert nicht)
Brigitte Mohn (verfügt über 100% der Stimmrechte der Bertelsmann AG)
Club Bertelsmann (Umsatz 2,7 Mrd. EUR, gehört zu 100% Bertelsmann AG)
Publikationen des Verlags Grunder & Jahr (gehört zu 74,9% Bertelsmann AG)
Spiegel-Verlag (gehört zu 50,5% den Mitarbeitern, zu 24% den Erben Rudolf Augsteins und zu 25,5% Bertelsmann AG); siehe auch »Vom Sturmgeschütz der Demokratie zu Angela Merkels Spritzpistole«
Peter Hartz, Hartz-Konzept, Hartz IV (Arbeitslosengeld II), Sozialgesetzbuch II

McKinsey (Umsatz 2002 in Deutschland und Österreich: 600 Mio EUR)
Centrum für Hochschulentwicklung (CHE, Jahresetat 3,2 Mio EUR, davon 75% von der Bertelsmann-Stiftung)
Centrum für angewandte Politikforschung (CAP, auch bei der Uni München); siehe auch Werner Biermann, Neuer Griff nach Weltmacht (wieder bei der AG Friedensforschung an der Universität Kassel, wow, ihr habt viele gute Infos, Leute!)
Bertelsmann Forschungsgruppe Politik; siehe auch Jörg Kronauer, Zeit für Plan B (bei Jungle World)
Bertelsmann Wissenschaftsstiftung
Werner Weidenfeld (ehemals im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung)
Centrum für Krankenhausmanagement (CKM), an der Universität Münster
Komptenzzentrum Kommunen und Regionen; siehe auch Rudolf Bauer, Die Tonangeber (bei Freitag 24)
Medienakademie Köln
Akademie des Deutschen Buchhandels
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
arvato AG (Umsatz 2006: 4,8 Mrd. EUR)
Arvato Government Services (
vom 04. – 09.03.2008 auf der CeBIT im Public Sector Parc vertreten, Halle 9, Stand Nr. E36); siehe auch »Von PPP, WWW und KWh« (bei TIC-Magazin); siehe auch Widerstandsgruppe Worms-Wonnegau (bei Wikipedia); siehe auch Paul H. Bruder, Bertelsmann – Arvato: Gute Geschäfte – was sonst? (bei Unsere Zeitung); siehe auch »Das realexistierende Matriarchat« (bei stadtmenschen.de); siehe auch Annette Groth, Achtung, neues Reformpaket (bei Linksnet); siehe auch Stefan Krempl, Bertelsmann-Tochter für Steuererhebung und IT-Sektor in Ostengland verantwortlich (bei heise online); siehe auch Alois Weber, Und der Markt ist Gott geworden (bei Spiegel Online)
Public Private Partnership 
siehe zum Schluß auch Bertelsmann-kritische Materialien bei Bildungswiki


zu Arvato:

- Ausgerechnet Arvato (Band Eins, 05/2009)
Noch ein paar Bertelsmann-bezogene Links aus anderen Posts:
– Brief eines bayerischen Hausarztes: Was derzeit wirklich passiert

– Bertelsmann macht Staat (Post vom 30.4.07)
– Der Stifter und der Staatsanwalt (Spiegel online vom 22.10.07): 
Der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Professor Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld, soll Stiftungsgelder zum eigenen Nutzen zweckentfremdet haben. 
(Gegen eine Bußgeldzahlung wurde das Verfahren am 29.10.07 wegen Geringfügigkeit eingestellt, Quelle: Wikipedia)
– Die Bertelsmann AG – Mächtiger als der Bundestag (bei Schattenblick, Sozialistische Zeitung); man achte auf den ersten Absatz des letzten Abschnitts!
– Über die Tagung der Bertelsmann-Kritiker (aus der taz, attac und Kanal B)
Lieber Gott, ich danke Dir, daß ich nicht in einem islamischen Gottesstaat lebe. Dann müßte ich wohl wegen dieser Karikatur um mein Leben fürchten. Ich bedanke mich auch für die Existenz unabhängiger Zeitschriften, die dazu in der Lage sind, solche Verhältnisse publik zu machen. Gib den Menschen die Sehnsucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, auf daß sie sich weniger in den schnellen Medien die Birne mit Müll zuknallen und wieder mehr Lust darauf bekommen, mit eigenem Tun die Welt zu verändern. Gib den Menschen mehr Bewußtsein für ihre Verantwortung für das, was um sie herum geschieht und lasse sie erkennen, daß die Welt nicht instant und nicht light, aber auch ohne Lidl und Saturn geil ist. Es hat ja mal so eine Zeit gegeben…

Donnerstag, 28. Februar 2008

Psyche, Tabletten und – na was wohl? – eine Alternative!

Wenn Prozac nix bringt und Psychotherapie auch nix bringt, hier ist die Alternative:



Vielen Dank, Frau M.!

Kinder haben dagegen sehr…

Frauendilemma (Gottseidank haben wir Männer damit nix zu tun, wir sind sowieso immer nur damit beschäftigt, an das eine zu denken) bei Spiegel online

Afrika – Wie wir es sehen…

Fotos voller primitiver Bürgerkrieger trügen, sagt Lukas Bärfuss bei Spiegel Online.

Mittwoch, 27. Februar 2008

Das kommt auf uns zu

Ich glaube, Computer werden zunehmend mit der Welt um uns herum verschmelzen und sie grundlegend verändern. Der Gedanke, dass man sich vor einen Bildschirm setzt und mit Tastatur und Maus arbeitet, wird uns schon in wenigen Jahren sehr altmodisch vorkommen. Schauen Sie sich nur Nintendos Wii-Spielekonsole an, die man mit Gesten steuert, oder Apples iPhone, das auf Fingertippen reagiert. Auch Spracheingabe wird sicher dazukommen. Wir werden mit unseren Computern reden, wir werden ihnen zuwinken, und all das wird mit Web-2.0-Diensten zusammenwachsen. SAP hat eine experimentelle Software entwickelt, bei der Gebäude mit Sensoren ausgestattet sind und Daten an die "Second Life"-Community weitermelden. Wenn also im wirklichen Leben eine Tür aufgemacht wird, öffnet sie sich automatisch auch bei Second Life. Das ist ziemlich cool.

Ich habe festgestellt, dass technische Revolutionen oft damit beginnen, dass Menschen aus Spaß an etwas Neuem herumbasteln. Denken Sie nur an die Anfänge des PCs: Steve Wozniak baute den ersten Apple-Rechner daheim in der Garage zusammen. Ich nenne das gern "die Alpha-Geeks beobachten". Den Jungs geht es ums Vergnügen - erst später kommen die Unternehmer und machen ein Geschäft daraus. Wir bei O'Reilly schauen uns das alles an, und wenn wir irgendwo besonders viel Begeisterung entdecken, schauen wir genauer hin und fragen: Was ist da los?
aus einem Interview mit Tim O’Reilly (Stern)

Männer: So wird’s gemacht

Totstellen und dann: tierischer Sex (Stern)

Eliten, die nächste

Auch hier werde ich in den nächsten Wochen ein paar passende Links plazieren:

– Scharons Sohn muß ins Gefängnis (Tagesspiegel)
– Interview über die Einstellung der deutschen Wirtschaftselite (Zeit)
– Manager als Staatsfeinde? (Zeit)
– Warum sich Eliten dem Staat verweigern (manager-magazin)
– Moral ist ein Produktionsfaktor (manager-magazin)
– Die Einkommensentwicklung steht Kopf (meudalismus.dr); hier findet sich auch folgende Grafik:Auf der Seite kann man sich auch die dazugehörige Exel-Tabelle herunterladen und noch einige andere interessante Grafiken antun.

Ludwig Erhard schrieb 1957 in »Wohlstand für alle«:
"... So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand da der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden.
Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer Wirtschaftsordnung musste also die Voraussetzungen dafür schaffen, daß dieser einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen 'arm' und 'reich' überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlaß, weder die materielle noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie bestimmt heute wie damals mein Denken und Handeln."
Quelle: Über die Verlierer des Superkapitalismus (Müllers Welt-Blog, Post Nr. 31)


– Satire: Ich kann nicht anders (manager-magazin)
– Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist (Zeit-Kommentar)
– Der Staat entmachtet sich selbst (Telepolis): Der Toll-Collect-Vertrag ist bis heute keinem Bundestagsabgeordneten zugänglich.
– Peter Rügemer, Privatisierung in Deutschland – Eine Bilanz (Rezension auf stattweb.de)
– Expeditionen ins Innere des neoliberalen Kapitalismus (Gespräch mit Peter Rügemer bei steinschlag)
– Peter Rügemer, Cross Border Leasing (Rezension beim Verlag Westfälisches Dampfboot)
– ver.di und attac gegen die Bertelsmann-Stiftung (bei ver.di)
– Brief eines bayerischen Hausarztes: Was derzeit wirklich passiert
(ich glaube, ich muß mich mehr um die Bertelsmann-Stiftung kümmern)
– Bertelsmann macht Staat (Post vom 30.4.07)
– Rolle rückwärts mit Jürgen Rüttgers (Post vom 5.11.07)
– Der Stifter und der Staatsanwalt (Spiegel online vom 22.10.07); der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Professor Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld, soll Stiftungsgelder zum eigenen Nutzen zweckentfremdet haben.
– Die Bertelsmann AG – Mächtiger als der Bundestag (bei Schattenblick, Sozialistische Zeitung); man achte auf den ersten Absatz des letzten Abschnitts!
– Daimler-Verstände steigern Einkünfte. (swr.de) Insgesamt erhielt das Vorstandsgremium 24,9 Millionen Euro. Im Jahr 2006 waren es noch 14,76 Millionen Euro.
– US-Bürgerrechtler gehen gegen wikileaks-Sperrung vor (heise online); Wikileaks hatte im Januar mehrere hundert Dokumente des Schweizer Bankhauses Julius Bär auf den Cayman-Inseln veröffentlicht, die Steuerhinterziehung und Geldwäsche in dem Bankhaus belegen sollen.

Finanzkrise, die nächste

In den nächsten Wochen werde ich hier noch ein paar passende Links plazieren (nee, keine neue deutsche Rechtschreibung!), also immer mal wieder reinsehen:

Der Staatsfond GIC aus Singapur steigt mit 6,7 Milliarden Euro (≈ 8,8% des Aktienkapitals) bei der Schweizer UBS AG ein. Die USB muß fast 13 Milliarden Franken Abschreibungen aus der US-Immobilienkrise verkraften.
Die Deutschen wollen einfach nicht genug kaufen. (Stern)
Warten auf den Dollar-Crash (manager-magazin)
US-Zinssenkung findet geteiltes Echo (manager-magazin)

A Dream or Two


Die Gruppe f.m. hat ein neues Album herausgebracht. Die Musik reist mich nicht vom Hocker, das Cover ist aber interessant.

Montag, 25. Februar 2008

GEK-Report: Nützt Psychotherapie?

Von Frau Ursula Neumanns Seite:
(Bevor man sich ans Lesen macht, kann man sich selbiges vielleicht sparen, wenn man sich gleich die letzten vier Absätze des Posts ansieht.)

Die GEK machte Furore mit ihrem jüngsten Gesundheitsreport, in dem die Psychotherapie verdammt schlecht weg kam.

Das kann man nicht so stehen lassen. Auf einen kaum vorhandenen Erfolg zu schließen, weil – so das Untersuchungsdesign – weil nach einer Psychotherapie die in den Monaten zuvor angestiegenen Arzbesuche, Medikamenteneinnahme und Klinikaufenthalte praktisch „lediglich“ wieder auf den Wert vor dem Anstieg gesunken sind, ist etwa so sinnvoll, wie aus der Tatsache, dass ich nach vollzogener Zahnsanierung wieder genauso selten zum Zahnarzt gehe, wie die Jahre vorher.

Oder um es noch konkreter zu machen: Ist meine Mamma-Carcinom- OP deshalb nicht sonderlich effektiv gewesen, weil ich heute immer noch ein bisschen öfter in einer Arztpraxis zu finden bin als vor der Diagnose?

Dass zudem der Prof, der das ganze untersuchte, sich vor Jahren mit der Forderung hervortat, die Psychotherapie als Lifestyle-Wellness-Produkt aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen zu kicken, sollte bei einem anständigen Forscher eigentlich dazu führen, dass er sich selbst in dieser Frage für befangen erklärt.


Ärzte Zeitung, 20.02.2008

Hilft Psychotherapie zu wenig? - Verbände und Kasse im Streit

[Es erscheint mir sinnvoll, auf die Wikipedia-Definition von »Helfen« zu verweisen. Beachte 3. Abs., Satz 1; der Wikipedia-Artikel verweist auch auf »pluralistische Ignoranz«; von dort geht es zu »Verantwortungsdiffusion«; Bemerkung von panther]

Massive Kritik an Gesundheitsreport 2007 der Gmünder Ersatzkasse / Therapeutenverbände hinterfragen Form und Inhalt der Untersuchung

BERLIN. Wenn es um die Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren geht, werden Untersuchungen zu diesem Thema besonders kritisch betrachtet. Wenn dann noch die These vermittelt wird, dass solche Verfahren den Gesundheitszustand der Patienten nicht oder nur kaum verbessern, wie dies der Report 2007 der Gmünder Ersatzkassen nahelegt, ruft das erst recht Psychotherapeuten auf den Plan.

Von Wolfgang van den Bergh

Die Gmünder Ersatzkasse (GEK) hat in ihrem "Report 2007" die ambulante ärztliche Versorgung unter die Lupe genommen. Dabei lag der Schwerpunkt auf der ambulanten Psychotherapie als Kassenleistung. In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung beim Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung in Hannover unter dem Vorsitz von Professor Friedrich Wilhelm Schwartz. Für die GEK steht danach fest: "Die ambulante Psychotherapie hat keine deutlich nachweisbaren positiven Wirkungen."


Wissenschaftler stellen nur leichte positive Effekte fest

Untersucht wurde, wie sich ambulante Psychotherapien auf die Häufigkeit von Arztbesuchen, auf Arzneimittelverschreibungen und auf die Verweildauer im Krankenhaus auswirken. Grundlage dazu lieferten versichertenbezogene Daten, die seit der Gesundheitsreform 2004 den Kassen von den KVen zur Verfügung gestellt werden müssen. Der Beobachtungszeitraum betrug vor der Psychotherapie mindestens zwei Quartale und danach sechs Quartale. Das Fazit der Studienautoren fällt zwar nicht so drastisch aus, wie der Rückschluss der GEK, gibt jedoch die Tendenz eindeutig vor: "Nach den vorliegenden Auswertungen zeigen sich allerdings ggf. nur eher leichte und nicht durchgängig beobachtete Effekte auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen nach Therapiebeendigungen ab." Diese Aussage will der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) so nicht stehen lassen. In einer Stellungnahme heißt es, dass die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen - wie Arztbesuche, Medikamenteneinnahe und Klinikaufenthalte - in den letzten Monaten vor Aufnahme der Psychotherapie regelmäßig deutlich stieg, um dann wieder abzufallen auf einen Wert, der meist etwas unter dem Ausgangswert liegt. Hier nur von einem "geringen Erfolg" zu sprechen, will der bvvp nicht akzeptieren.

Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung und bvvp verweisen in getrennten Stellungnahmen darauf, dass nicht nur der Status quo ante wieder erreicht wurde, sondern dass in der Psychotherapiegruppe gegenüber der Vergleichsgruppe die Zahl der Arztbesuche und die Einnahme von Medikamenten zurückgegangen seien und sich die Zahl der Krankenhausaufenthalte sogar deutlich verringert habe.

Kritisiert wird auch, dass außer den Parametern Arztbesuch, Arzneiverschreibungen und Klinikaufenthalt nicht untersucht worden sei, ob und in welchem Ausmaß Psychotherapie die psychischen Krankheiten der Patienten vermindert. Dazu der Chef der Vereinigung Dieter Best: "Wenn schon Aussagen zur Wirksamkeit der Psychotherapie getroffen werden, hätte der GEK-Report dieser Frage nachgehen müssen. Zumindest hätten die Schlussfolgerungen aus den Daten einer differenzierten Analyse bedurft."

Roland Deister vom bvvp widerspricht auch der ökonomischen Kritik der Autoren mit Blick auf die gestiegene Inanspruchnahme von Psychotherapien in den Jahren 2000 bis 2006 um 61 Prozent. Deister: "Es fällt dabei unter den Tisch, dass dies nur ein Zuwachs von 0,33 Punkten, nämlich von 0,55 Prozent auf 0,88 Prozent der gesamten Versicherten bedeutet." Der nachgewiesene Bedarf in der Bevölkerung liege aber mindestens bei sieben Prozent.


Verbände kritisieren Psychotherapie-Kritiker

Beide Verbände gehen noch einen Schritt weiter und bewerten die Untersuchung als einen Versuch, die ambulante Psychotherapie zu diskreditieren. Das machen bvvp und Vereinigung vor allem an dem Mitautor der Studie fest. Professor Schwartz, früherer Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrates und heute Chef des beauftragten Instituts, gilt als Kritiker der Psychotherapie als Kassenleistung.

Beide Verbände verweisen dabei auf ein internes Papier, über das die "Ärzte Zeitung" im Jahr 2000 berichtet hatte. Darin spricht sich Schwarz dafür aus, dass "Psychotherapie-Leistungen und Lifestyle-Arzneimittel gesondert und wettbewerblich und nicht obligatorisch versichert werden sollten". Ein Vorschlag, der in Vorbereitungen für weitere Gesundheitsreformen so nicht mehr aufgegriffen wurde.

Einig ist man sich jedoch mit den Autoren in der Erkenntnis, dass Auswertungen zur Effektivität von ambulanter Psychotherapie im Rahmen der Versorgungsforschung wichtig sind. Deister: "Das ist dringend erforderlich - und zwar nicht nur die Kurzzeittherapie, sondern auch die Langzeittherapie." Unterdessen haben beide Verbände die Führungsspitze der GEK zu Gesprächen aufgefordert. In der nächsten Woche findet ein Treffen mit dem bvvp statt. Weitere Infos zur Studie unter www.GEK.de; (Presse)


Gesundheitszustand kaum verbessert

In einem Statement zum Report schreibt Professor Friedrich-Wilhelm Schwartz: "Der vielleicht maßgeblichste Befund der bis jetzt durchführbaren Auswertungen zu Behandlungsverläufen ist bei ambulanten Kurzzeittherapien die Beobachtung, dass das Niveau der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen auch in unterschiedlich definierten Subgruppen von Patienten zwei Jahre nach Genehmigung überwiegend nicht von dem Ausgangsniveau abweicht, welches in den entsprechenden Gruppen ein Jahr vor der Genehmigung erfasst wurde. Gemessen daran, finden sich bei den Patienten mit (...) genehmigter Psychotherapie also kaum greifbare Hinweise auf eine maßgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes im Therapieverlauf innerhalb der betrachteten drei Jahre."

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Es ist natürlich etwas viel, und das ist ja auch der Sinn der Sache. Deshalb für Lesefaule drei Punkte herausgegriffen:

1. Der GEK-Report weist nach, daß die Patienten vor einer Kurzzeitpsychotherapie 4,72mal so viele Medikamente schluckten wie zwei Jahre danach.


























2. Der Report weist nach, daß Patienten 9 Monate nach einer Psychotherapie genausoviel Krankenhaustage in Anspruch nehmen wie eine Vergleichgruppe. Daß dem dargestellten Diagramm (GEK-Report, S. 204) aber zu entnehmen ist, daß Psychotherapiepatienten vorher das 4,4Fache an Krankenhaustagen in Anspruch nahmen, wird nicht erwähnt.

Zu Punkte 1 und 2 vergleiche man den letzten Absatz in obigem Artikel (Zitat Prof. Schwartz, kursiv von mir).
Die Gmünder Ersatzkasse hatte Prof. Schwartz mit der »Studie« beauftragt. Dieser rief 2000 bei den Psychotherapeuten Empörung hervor, als er Psychotherapie mit Lifestyle-Arzneimitteln gleichsetzte und forderte, »beide sollten gesondert wettbewerblich und nicht obligatorisch versichert werden«. (Ärzte-Zeitung vom 27.4.2000, zitiert nach Stellungnahme der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung zum GEK-Report 2007 vom 11.12.07) Die Schlußfolgerung von Prof. Schwartz ignoriert die Aussagen aus der statistischen Aufbereitung der Daten: Das Niveau der Inanspruchnahme von gesundheitlichen Leistungen duch Psychotherapiepatienten weiche zwei Jahre nach Genehmigung überwiegend nicht von dem Ausgangsniveau ab, und es gebe kaum greifbare Hinweise auf eine maßgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes. Das hat mit Wissenschaftlichkeit nun wirklich nichts zu tun.
Wir dürfen uns also nach der Motivation der Gmünder Ersatzkasse fragen. Ich rate mal: die haben einfach jemand Profilierten mit der »Studie« betraut und sich nicht weiter gekümmert.
Fragen wir aber nach der Motivation von Prof. Schwartz, darf man mit Fug und Recht annehmen, daß er entweder seine eigene Studie nicht richtig gelesen hat oder sich im Mainstream der Entsolidarisierung des deutschen Gesundheitswesens vor dem Hintergrund eines scheinbaren Neoliberalismus als Gesundheitspolitiker profilieren will. Auf seinen weiteren Werdegang dürfen wir gespannt sein.
Und jetzt stellen wir uns einen Gesundheitspolitiker vor, der den Gutachter, der ihm grad ein 200 Seiten starkes Machwerk auf den Tisch legt, fragt: »Was ist denn dabei rausgekommen?« Gutachter: »Bringt nix.« Was wird dann wohl passieren?

3. Die Autoren des Reports verweisen auf eine um 61 Prozent gestiegene Inanspruchnahme von Psychotherapien in den Jahren 2000 bis 2006. Roland Deister vom bvvp (Verband der Vertragspsychotherapeuten): "Es fällt dabei unter den Tisch, dass dies nur ein Zuwachs von 0,33 Punkten, nämlich von 0,55 Prozent auf 0,88 Prozent der gesamten Versicherten bedeutet." Der nachgewiesene Bedarf in der Bevölkerung liege aber mindestens bei sieben Prozent.
Frage also: Cui bono?

Ich verweise noch auf einen älteren Artikel vom November 2006

Zur Stellungnahme des Verbandes psychologischer Psychotherapeuten

Zu einer weiteren, sehr dezidierten Stellungnahme von Rudolf Sponsel (hier kann auch der GEK-Report heruntergeladen werden)

Das hier wäre vielleicht eine Alternative

Letzte Frage: Bei wem macht ein Report solcher Qualität Furore?

Sonntag, 24. Februar 2008

Lob der Langeweile

Reduzierung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre? – Indiskutabler, inhumaner Schwachsinn, der Kindheit und Jugend auf einen Nürnberger Trichter reduziert.

Einige Links zu Zeit-Artikeln:
Stefan Willeke, Lob der Langeweile
Reinhard Kahl, Glücklicher Sisyphos
Jochen Paulus, Gene oder Umwelt? Falsch, Gene mal Umwelt
Hartmut von Hentig, Die Lust an der Welt
Martin Spiewak, Macht die Schule stark!
Reinhard Kahl, Pädagogische Bulimie
Susanne Gaschke, Kinderarbeit
Helmut Fend, Schwerer Weg nach oben
Artikelübersicht
Macht Auslese-Druck in den Schulen krank? (Telepolis)

Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht!

Samstag, 23. Februar 2008

Finanzkrise – erst der Anfang

Die durch das Platzen der US-Immobilienblase ausgelöste Finanzkrise befindet sich erst in ihrem Anfangsstadium, da sich die Welle an Zwangsvollstreckungen, platzenden Hypotheken und verfaulenden Wertpapieren gerade erst aufbaut. Die Einschätzung von Finanzminister Peer Steinbrück, im Zuge der Krise komme auf die Finanzbranche ein »Abschreibungsbedarf« von 400 Milliarden US-Dollar zu, hält Thomasz Konicz in dem Artikel »Unsichere Versicherer« vom 22.2.08 bei Telepolis für möglicherweise zu optimistisch, da die Hypothekenkrise nämlich bereits die normalen Hypotheken erfaßt.

Der Artikel ist zugegebenermaßen schwer zu lesen, aber er zeigt deutlich auf, daß äußerst komplizierte Sachverhalte, die kein normaler Mensch mehr versteht, den Boden, auf dem wir stehen, beeinflussen. Es ist so, als ob wir auf einer Eisscholle schwimmen auf der feste und verläßliche Regeln herrschen, auf deren Einhaltung auch geachtet wird, diese Eisscholle aber auf einem Wasser schwimmt, in der diese Regeln nicht mehr gelten. Und schlimmer noch: die Haifische in diesem Wasser verdienen am Abschaffen dieser Regeln.

Beispiel Bankenaufsicht: Natürlich hat es niemand gern, wenn er beaufsichtigt wird. Aber diese Aufsicht dient dem Gemeinwohl. Jemand sollte mir mal erklären, was die Gemeinschaft davon hat, daß es sogenannte Hedgefonds gibt, die keiner Bankenaufsicht unterliegen. Und wenn man gegen diese Knülche schon nichts tun kann, weil sie sich irgendwo auf einer Insel hinter einer Briefkastenfirma verschanzen, kann man den Handel mit diesen zwielichtigen Gestalten verbieten.

Kreditversicherer, die bei einer Gesamtversicherungssumme von 2,3 Billionen US-Dollar durchweg über einen lächerlichen Eigenkapitalanteil von weniger als einem Prozent verfügen, das ist schlicht ein Unding …

Links:

Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums

Rudolf Hickel, Finanzbullen statt Heuschrecken (Blätter für deutsche und internationale Politik 6/05)

Dirk Schrader, Turbokapitalismus (www.kritische-tiermedizin.de)

Der Tenor aus der Finanzwelt kritisiert weiterhin mangelnde Liberalität und die zu starken Restriktionen, die in den Entwürfen zur anstehenden Novellierung des Gesetzes zu finden sind und beklagen das Abwandern der Kapitalanleger in andere Länder. Und hier sind wir wieder beim Selbstausbeutungsmechanismus der Globalisierung: Trotz eines Gewinnzuwachses von 65% von Nokia Deutschland wandert Nokia nach Rumänien. Wenn es dort zu teuer wird, gehen sie weiter nach Osten. Ein deutscher Komiker meinte, bei der Entwicklung müßten wir eigentlich nur lange genug durchhalten.

Ich habe mal einen Bericht gesehen über ein blühendes Fischfanggebiet (Ich weiß nicht mehr, ob in den USA, Kanada oder Skandinavien, ist aber auch egal). Wenn sich die Fischer nur etwas beschränkt hätten, könnte man dort heute noch fischen. Aber nix, leergefischt, alles tot: Fische, ganze Dörfer, Schluß. Und das passiert mit unserer Wirtschaft, wenn man ihr keine Regeln auferlegt. Und genau das passiert mit der geplatzten Immobilienblase in den USA. Wir haben nix mit zu tun, aber über ein paar Ecken (nicht nur über verkaufte Immobilienkredite) schwappt der Kram zu uns rüber.

Da machen ein paar Zocker ganz viel kaputt, wer mag die dran hindern? Unsere Finanzwelt stiert hypnotisiert auf die Formel I der Knete und bejammert, daß sie nicht so mitmachen darf, wie sie möchte. Leute, ich hätte auch gern mehr Geld, aber doch nicht um den Preis, daß wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen.

Computer – besser als Ärzte

Ärzte können Morbus Alzheimer mit einer Genauigkeit von 85 Prozent diagnostizieren. Sie benötigen dafür Gehirnscans, Blutuntersuchungen und Gespräche. Mit einem Computerprogramm, das MRT-Bilder analysiert, konnte die Genauigkeit aber auf 96 Prozent erhöht werden, wie Heise online in einem Artikel vom 23.02.2008 berichtet.

Für den Fall, daß der Link verlorengeht, hier der Artikel:

Computerprogramm erkennt Alzheimer schneller und genauer als Ärzte

Ein internationales Team von Neurowissenschaftlern berichtet, dass Computer schneller und genauer anhand von MRT-Gehirnscans (Magnetresonanz- oder Kernspintomographie) Alzheimer bei Menschen erkennen können als Mediziner. Alzheimer ist die häufigste Demenzerkrankung, die im Alter auftritt, und wird durch so genannte Plaques, Ablagerungen in der grauen Hirnsubstanz, verursacht. Zwar kann Alzheimer erst wirklich nach dem Tod des Patienten anhand einer Autopsie festgestellt und von anderen Demenzerkrankungen unterschieden werden, aber eine frühestmögliche Diagnose ist wichtig, weil eine schnell einsetzende Therapie die beste Wirkung verspricht. Richtig diagnostiziert wird bei der ersten medizinischen Untersuchung aber nur die Hälfte der Fälle.

Zwar können Ärzte Alzheimer mit Gehirnscans, Blutuntersuchungen und Gesprächen, also durch einen langwierigen und teuren Diagnoseprozess, mit einer Genauigkeit von 85 Prozent erkennen, mit einem Computerprogramm, das MRT-Bilder analysiert, konnte die Genauigkeit aber auf 96 Prozent erhöht werden, wie die Wissenschaftler in ihrem Artikel erklären, der in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Brain erschienen ist. Die Wissenschaftler benutzten für ihre Studie ein Musterkennungsprogramm (linear Support Vector Machines), das lernte, aus dem Vergleich von MRI-Scans der Gehirne normaler älterer Menschen und der von Alzheimer-Patienten die Strukturen zu erkennen, die auf Alzheimer schließen lassen. Bei den Alzheimer-Patienten lag ein MRI-Scan vor, das vor dem Tod gemacht wurde, und das Ergebnis der Autopsie.

Mit einer Genauigkeit von 96 Prozent lassen sich damit aufwändige und weniger genaue Diagnoseverfahren ersetzen, wobei zudem die Erkennung billiger und weitaus schneller erfolgt. Auch bei einer noch frühen Alzheimer-Erkrankung konnte eine richtige Diagnose durch die automatische Auswertung mit einer Genauigkeit von 89 Prozent gegeben werden. Eine frühe Diagnose ist wichtig, weil Symptome, die auf Alzheimer hinweisen, erst in einem relativ weit fortgeschrittenen Stadium entstehen, wenn bereits große Teile des Gehirns geschädigt sind.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Psyche, Tabletten und – na was wohl? – Geld!

Die Wirksamkeit von Antidepressiva wird häufig überschätzt. Das liegt auch an der Unterdrückung negativer Studienergebnisse. Zur Wirksamkeit von 12 verschiedneen Antidepressiva liegen der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA 74 Studien vor. Davon sprechen 38 für einen Nutzen der Präparate. Bis auf eine sind alle positiven Studien veröffentlicht. Und die restlichen 36 mit eher negativen oder fragwürdigen Ergebnissen? Nur 3 wurden der Fachwelt durch Publikation bekannt. 22 Studien wurden überhaupt nicht veröffentlicht. 11 Studien ohne überzeugende Ergebnisse wurden so publiziert, dass die Medikamente in einem guten Licht erscheinen. Zieht man nur die veröffentlichen Ergebnisse heran, ergibt sich je nach Wirkstoff eine Überschätzung der Wirksamkeit von bis zu zwei Drittel.

von Ursula Neumanns Seite, zitiert aus Gute Pillen – schlechte Pillen

Dazu paßt ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 13. Februar 2008 (ebenfalls zitiert auf Ursula Neumanns Seite)

Und da paßt auch noch ein Artikel von Christian Stöcker über Prozac (Fluoxetin) auf Spiegel online; dieser verweist auf einen weiteren Artikel auf Spiegel online (Stichwort: selektive Veröffentlichungspraxis).

In einem weiteren Artikel (bei Telepolis) hat sich Christian Stöcker festgelegt: Prozac so gut wie Placebos

Ein kritischer Artikel aus dem St. Gallener Tagblatt vom Februar 2006 (danach wurde mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, einer bestimmten Stoffklasse innerhalb der Antidepressiva, 2005 in den USA ein Umsatz von 14,5 Milliarden Euro erzielt.)

Laut einem kritischen Telepolis-Artikel von Michaela Simon aus dem Jahr 2000 lag der Prozac-Jahresumsatz bei 1,4 Milliarden Euro.
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Aus Ärzten werden Patienten

AKTUELLE STUDIE: Immer mehr Kollegen leiden unter der Belastung durch den Beruf

Der Arztberuf macht krank – dies belegen mittlerweile zahlreiche Studien. „Untersuchungen weisen darauf hin, dass viele Mediziner unter den Folgen ihrer beruflichen Belastungen leiden“, so Dr. Harald B. Jurkat vom Zentrum für Psychosomatische Medizin der Universität Gießen (DMW 133 [2008] 14-16). Und zwar erheblich! So hätten bereits acht Prozent der Befragten einer Studie zugegeben, zum Zeitpunkt der Befragung substanzabhängig gewesen zu sein, sechs Prozent gaben Alkoholmissbrauch an. Zwar würden Mediziner laut Expertenmeinung weniger Zigaretten und illegale Drogen konsumieren als die Allgemeinbevölkerung. „Dafür aber mehr Alkohol, Opiate und Benzodiazepine“, so Jurkat.

Auch die Suizidrate sei im Arztberuf exorbitant. „Es kann davon ausgegangen werden, dass die Suizidrate fast doppelt so hoch ist wie in der Allgemeinbevölkerung.“ Die Medizinerinnen seien im Vergleich stärker betroffen als ihre männlichen Kollegen. „Die Suizidraten waren im Vergleich zu den Zahlen in der weiblichen Allgemeinbevölkerung bis zum 5,7-Fachen höher“, führt Jurkat aus.

Aufgrund des Lebensstils mit langen Arbeitszeiten, hoher beruflicher Verantwortung und wenig Freizeit fühle sich ein Großteil der Mediziner in der eigenen psychischen und physischen Gesundheit beeinträchtigt. „Extreme Arbeitszeiten in Verbindung mit hohem Zeitdruck wirken sich ungünstig auf die Lebensqualität aus. Dies betrifft vor allem diejenigen, die 70 und mehr Stunden arbeiten, im Vergleich zu denjenigen, die 55 und weniger Stunden arbeiten“, so der Experte.

Große Unterschiede lassen sich im Vergleich von Niedergelassenen in Einzelpraxis und Mitgliedern einer Gemeinschaftspraxis in Bezug auf Zufriedenheit und psychischen Zustand feststellen. Ärzte in Solo-Praxen waren bei Weitem nicht so ausgeglichen wie gemeinsam arbeitende Kollegen. „Mediziner in Gemeinschaftspraxen erreichten im psychischen Bereich noch den Bevölkerungsdurchschnitt gleichen Alters und liegen somit bezüglich ihrer selbst angegebenen gesundheitsbezogenen Lebensqualität an zweiter Stelle nach den Chefärzten.“

Jurkat warnt: „Im Hinblick auf Veränderungsmöglichkeiten muss kritisch angemerkt werden, dass gesundheitspolitische Strukturen wie ständige Sparmaßnahmen, eingeschränkte Niederlassungsmöglichkeiten und zunehmende Verwaltungstätigkeiten Mitverursacher für die Beeinträchtigung der Lebensqualität von Ärzten sind.“

Ein weiteres Problem spricht Dr. Bernhard Mäulen, Institut für Ärztegesundheit in Villingen-Schwenningen, an: „Die meisten Ärzte haben in ihrem Studium gelernt, sich um ihre Patienten zu kümmern. Die eigene Gesundheit ist etwas, was sie als selbstverständlich betrachten“, so Mäulen. Immerhin seien viele Kollegen bereit einzusehen, dass sich die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen negativ auswirken. Mäulen: „Meist wird aber weiter hart gearbeitet und die nötige Vorsorge nicht am eigenen Leib praktiziert.“ Alexa Fuchswinke

Fazit
Andere Leute zu heilen – das ist ein Beruf, der die Heller selbst krank macht. Die Suchtrate ist hoch: Acht Prozent sind von Substanzen, sechs Prozent alkoholabhängig. Die Suizidrate liegt im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung bei Ärzten 1,3- bis 3,4-, unter Ärztinnen 2,5- bis 5,7-fach höher.
aus Ärztliche Praxis Nr. 8, 19. Februar 2008

Brief eines bayerischen Hausarztes

Über Ursula Neumann bin ich auf einen höchst lesenswerten Brief eines niedergelassenen Allgemeinmediziners in Oberbayern gestoßen.

Link zu den NachDenkSeiten
und hier noch ein interessanter Link zur Problemlöserin Bertelsmann-Stiftung (bei ver.di)

Ein bißchen Schwachsinn…

… tut von Zeit zu Zeit ganz gut.

Telepolis berichtet, was die Kreationisten über das friedliche und vegetarische Zusammenleben von Dinosauriern und Menschen, die Arche Noah, die Entstehung von Bakterien und andere tiefschürfende Wahrheiten zu sagen wissen. Im Answers Research Journal und bei www.answersingenesis.org läßt sich der Schwachsinn nachlesen. Bei answersingenesis lernen wir auch, daß Mensch und Tier erst seit dem Sündenfall dieses Adams sterben und daß die ganzen Dinosaurierskelette, die wir heute finden, von Dinos stammen, die 2.500 v. Chr. nicht mehr auf die Arche draufgepaßt haben.

Die Zeitangabe bezieht sich auf den Ussher-Lightfood-Kalender, eine um 1650 durch Bischof James Ussher veröffentlichte Berechnung, wonach der Schöpfungsakt Samstagabend, den 22. Oktober 4004 v. Chr. stattgefunden habe. (Wahrscheinlich kam da nix im Fernsehen und Gott hat sich gelangweilt.)

Im dem Wikipedia-Artikel kann man übrigens nachlesen, daß 42% der US-Bevölkerung glauben, dass „die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten“. Außerdem befürwortet die Mehrheit der US-Amerikaner (u. a. George Bush), daß in den Schulen beides nebeneinander gelehrt werden soll. (Wenn das kein schlagendes Argument für Basis-Demokratie ist, dann weiß ich nicht…)

Mittwoch, 20. Februar 2008

Schamlos, machtlos, bedeutungslos?












Bei einer hochinteressanten Diskussionsrunde gestern abend bei Maischberger diskutierten unter anderem Hans Apel, Lothar Späth und Georg Schramm darüber miteinander, ob der Hochfinanz-Beschiß systemimmanent sei oder nicht.
Beide Politiker führten an, die Steuergesetze seien lückenhaft, aber es gebe aufgrund der internationalen Verflechtungen nachvollziehbare Schwierigkeiten in der Beschlußfassung, und ein besseres System wüßten sie nicht.
Wie das System der Steuerhinterziehung funktioniert, führt die Zeit in einem Artikel vom 20.2.08 aus: Paradiesische Zustände.

Und so kam der Stein ins Rollen… (zu swissinfo)
Richard Murphy, ein renommierter Experte für Steuerflucht und Geldwäsche, der das Tax Justice Network mitgegründet hat, erläutert in einem Zeit-Interview den fehlenden politischen Willen, den Steueroasen das Handwerk zu legen.
Andrea Endres erläutert in einem Zeit-Artikel, daß der Staat sehr wohl für eine bessere Steuermoral der Bevölkerung sorgen könnte.
Ein Interview mit dem Soziologen Michael Hartmann über die Einstellung der deutschen Wirtschaftselite.

Durch den Artikel des oberbayerischen Hausarztes auf den NachDenkSeiten (zwei Posts weiter oben) bin ich auf eine Idee gekommen: Wie wäre es, wenn man den BND und die Steuerfahndung privatisieren würde – oder sogar den Bundestag gleich mit?

Freitag, 15. Februar 2008

Was heißt Freiheit für Muslime und für Christen?

[Da wegen der vielen Bilder die Layoutgestaltung kompliziert ist, bitte das Fenster genügend groß machen, sonst leidet das Aussehen.]


Ob für den Bau von Moscheen, das Tragen von Kopftüchern, den islamischen Religionsunterricht oder die Anerkennung islamischer Verbände als Körperschaften öffentlichen Rechts – die Religionsfreiheit wird von Moslems hierzulande als Argument für ihre Interessen in Anspruch genommen. Doch verstehen Muslime unter „Freiheit“ das Gleiche wie Bürger des westlichen Kulturkreises?

Nein, meint die Soziologin Necla Kelek, die in der Türkei geboren wurde und seit 1994 deutsche Staatsbürgerin ist. In der FAZ (Integration – Freiheit, die ich meine, 15.12.2007) erläuterte sie ihre kritische Sicht des islamischen Gesellschaftsverständnisses. Während in der westlichen Tradition Freiheit als Befreiung des Einzelnen von jedweder Bevormundung – auch religiöser Art – zu verstehen sei, bestehe im Islam Freiheit allein darin, sich den Vorschritte des Islam unterzuordnen. Religionsfreiheit sei hier nicht wirklich Freiheit, sich eventuell auch vom Islam abzuwenden, sondern die Freiheit, der Pflicht zum islamischen Gehorsam nachzukommen. Daraus zieht Necla Kelek den Schluss: „Für mich ist der Islam als Weltanschauung und Wertesystem nicht in die europäischen Gesellschaften integrierbar und deshalb generell nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts anzuerkennen.

Dass wir unser personalistisches Freiheitsverständnis eigentlich dem Christentum verdanken, erläutert die Sozialwissenschaftlerin Ulrike Ackermann in der Zeitschrift „Merkur“ (Dezember 2007). Mit dem Gedanken einer Gleichheit vor Gott habe das Christentum eine persönliche und nicht mehr kollektiv-stammesbezogene Beziehung zu Gott ermöglicht.

Das Christentum biete damit nicht nur die Grundlage für die Demokratie, sondern bestehe ein tiefer Zusammenhang zwischen Christentum und Liberalismus. Im Unterschied zur ‚gleichen Freiheit’, die unter dem Christengott gilt. brachte der Islam eher ‚die gleiche Unterwerfung’ der Gläubigen unter Allahs Willen hervor und den strengen Gehorsam gegenüber bestimmten Regeln.

Ist die lntegration von Moslems in europäische Gesellschaften also von vornherein zum Scheitern verurteilt? „Der Islam ist nicht integrierbar, wohl aber der einzeln Muslim als Staatsbürger“, meint Necla Kelek. 
mehr:
[Was heißt Freiheit für Muslime und für Christen?Christ in der Gegenwart 1/2008, 06.01.2008, S. 4, PDF]


Dazu einige Anmerkungen, die Entwicklung der westeuropäischen und der islamischen Geisteshaltung betreffend:

1. Der Islam ist 600 Jahre jünger als das Christentum. Die Intoleranz des Christentums vor 600 Jahren(, die ich mir nur mit Angst erklären kann) ähnelt der Intoleranz des Islam heute. Wen wundert’s?

Giordano Bruno stirbt auf dem Scheiterhaufen (1600) [7:00]

Hochgeladen am 26.12.2008
Giordano Bruno, eigentlich Filippo Bruno (* Januar 1548 in Nola; † 17. Februar 1600 in Rom) war ein italienischer Dichter und Philosoph. Er wurde wegen Ketzerei und Magie durch die Inquisition zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Im Jahr 2000 erklärten der päpstliche Kulturrat und eine theologische Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht.

Die Papst AG (9) - Johannes Hus - Wegbereiter der Reformation - Tumulte in Prag {9:45}

Hochgeladen am 27.01.2010
Jesus Christus ein Ketzer? Tatsächlich setzte die Kirche die Bibel auf den Index. "Die Mächtigen unterdrücken die Völker und missbrauchen ihre Macht über die Menschen. Ihr sollt nicht so sein." So Christus laut NT zu seinen Jüngern. In den Evangelien ist keine Rede von Ablässen, gar Ablasshandel, Reliquienhandel, Kirchenzehnten, Seelenmessen, Altaropfern und Kirchenpfründen, Salzsegnungen, Feldsegnungen, Kerzensegnungen, keine Rede von Geldzuwendungen bei Taufe, Heirat und Bestattung. Laut den Worten Jesu macht Armut selig: "Hütet euch vor der Habgier, sammelt keine Schätze". Abtrünnige Bewegungen beriefen sich zunehmend auf solche Sätze, also kam das NT auf den Index. In Oxford wurden Kopien der von John Wyclif übersetzten Bibel verbrannt. Seine Thesen wider die Geldabschöpfung durch die Kirche fielen in Prag auf fruchtbaren Boden. Ein Drittel der Stadt gehörte Klerikern, 70 Kirchen, drei Stifte, 20 Klöster. Der Unmut bei Adel, Bürgern und Bauern wuchs ständig. An der Prager Universität gab es schon vor 1400 eine kirchenkritische Fraktion, zu der auch ihr Rektor, Johannes Hus, gehörte. Wiclifs Schriften wurden kopiert, seine Thesen fanden Fürsprecher und Gegner unter den Theologen. Hus wirkte auch als Prediger in der Prager Bethlehemkirche. Ein Zeitgenosse, Zitat: "In seinen Predigten bekämpfte er hier standhaft Heuchelei, Pomp, Habsucht, Schwelgerei, Ämterkauf und andere Sünden des Klerus." Er predigte in tschechischer Sprache. Worauf seine Gegner befanden, er wiegele das Volk auf. Die Anhänger, die Hus gewann, kamen aus allen Schichten. Und hörten es gern, dass die Seelenrettung auch kostenlos zu haben sei."Die Priesterschaft soll nur von Almosen leben." 1410 gebot der Papst in Rom, Hus sei zu belangen. Am 16. Juli 1410 lässt der Prager Erzbischof 200 Schriften von Wiclif verbrennen. Trotz Verbot predigt Hus weiter und wird exkommuniziert, aber seine Anhänger verhindern die Vollstreckung. Drei von ihnen werden hingerichtet. Es kommt zu Tumulten. Schließlich tauchen in Prag Ablasshändler auf, die ihre Freibriefe vom Fegefeuer feilbieten. Der römische Papst braucht das Geld für einen Kreuzzug gegen den Papst in Pisa. Hus ist empört und spricht dem Papst öffentlich das Recht ab, Sünden zu vergeben, worauf er Prag verlassen muss. Er predigt weiter und der niedere Adel ist davon angetan, dass er die Güter der Kirche zur Disposition stellt. Viele litten unter der Konkurrenz der steuerbefreiten Wirtschaftsbetriebe der Klöster und Stifte. Ein Gegner von Hus: "Die große Menge der Klöster war denen ein Dorn im Auge, die hofften alles zu besitzen, wenn Hus seine Sache vollbringe." Konzil in Konstanz: 1414 versammeln sich rund 1000 kirchliche und weltliche Oberhäupter, um über eine Reform der Kirche zu beraten. Außer Spesen ... eine Reform brachten sie nicht zu Stande, dafür wurde Johannes Hus als Ketzer verurteilt und verbrannt. Peter Milger
http://www.milger.de
 

2. Die Aussagen bezüglich der Wurzeln der Demokratie und des Liberalismus im Christentum klingen arg schönfärberisch. Die Trennung von Staat und Kirche (zwangsläufiges Ergebnis einer gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einem selbstverantwortlichen Denken) ist eine Errungenschaft der Aufklärung (17./18. Jhdt.)

Geschichte der Aufklärung {1:38:31}

Veröffentlicht am 06.09.2014
Pro-Libertarismus.jimdo.com

Fassung von 1799
[Quelle: Beantwortung der Frage:
Was ist Aufklärung?
, Wikipedia]
Definition von Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, wenn ihr Grund nicht ein Mangel an Verstand ist, sondern die Angst davor, sich seines eigenen Verstandes ohne die Anleitung eines Anderen zu bedienen.“ [Einleitung eines Essays in der Dezember-Ausgabe der Berlinischen Monatsschrift 1784, Deutsches Textarchiv].


3. Die Aufklärung brachte erst einmal sowohl protestantische wie auch katholische Theologie in arge Bedrängnis, da deren Deutungshoheit in Frage gestellt wurde, so daß die christliche Aufklärungsliteratur erst einmal hauptsächlich bewahrenden Charakter hatte. Die Aufklärung kam also nicht aus dem Christentum sondern aus einem von der christlichen Kirche unabhängigem Denken. (Gotthold Ephraim Lessing: „An die Stelle der Religion muss die Überzeugung treten.“) Die Kirche sah sich zuerst einmal dazu genötigt, sich zu verteidigen. Was man ihr allenfalls zugute halten kann ist, daß sie – im Gegensatz zum Islam – unabhängigem Denken etwas Raum ließ (wohl eher lassen mußte, wie wir weiter unten sehen werden).


4. Die Aufklärung fußt mittelbar auf der Scholastik (9. – 13. Jhdt.)

Scholastische Methode: klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung der Begriffe, logisch geformte Beweise sowie Erörterung der Gründe und Gegengründe in formgerechter Disputation.

Wilhelm von Ockham, Skizze aus einer 
1341 angefertigten Handschrift der Summa logicae
[Quelle: Wilhelm von Ockham, Wikipedia]


 










Bekannte Scholastiker waren: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Roger Bacon, Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham (siehe auch »Ockhams Rasiermesser«; die Hauptperson aus Umberto Ecos Roman »Der Name der Rose«, William von Baskerville, ist der Person W. v. Ockhams nachempfunden.) Zu Averroës, der von seinem Denken her auch zu den Scholastikern zählen würde, kommen wir weiter unten.

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Umgang mit Autoritäten
Das typisch Scholastische war ein nahezu grenzenloses Vertrauen in die Macht und Zuverlässigkeit der Deduktion, des Schließens vom Allgemeinen auf das Besondere. Man nahm an, dass die fehlerfrei durchgeführte Deduktion zur Erkenntnis von allem vernunftmäßig Erkennbaren und zur Beseitigung aller Zweifel führen kann. Voraussetzung war die korrekte Anwendung der Regeln des Aristoteles, besonders seiner Lehre von den Trugschlüssen. Man ging von bestimmten allgemeinen Grundsätzen aus, von deren Richtigkeit man überzeugt war, und begann dann zu folgern, um ein Phänomen zu erklären oder eine These zu beweisen.
[…]
Die Scholastiker waren überzeugt, dass theoretisches Wissen, das aus allgemeinen Grundsätzen logisch sauber hergeleitet wird, das sicherste Wissen ist, das es geben kann. Beobachtungen können falsch oder trügerisch sein oder falsch gedeutet werden, aber eine logisch saubere Folgerung aus einem allgemeingültigen Prinzip ist notwendigerweise irrtumsfrei. Darum mussten Phänomene, die einer solchen Folgerung zu widersprechen schienen, so gedeutet werden, dass sie in den von diesem Prinzip und seinen Konsequenzen gesetzten Rahmen hineinpassten. Dies wurde Bewahrung der Phänomene genannt und spielte besonders in der Physik und Astronomie eine zentrale Rolle. Ergaben sich aus einem allgemein anerkannten Grundsatz Folgerungen, die denen aus einem anderen Grundsatz widersprachen, so bemühte man sich zu zeigen, dass der Widerspruch nur scheinbar existiert und auf einem Missverständnis beruht.
Umgang mit Autoritäten
Bei Widersprüchen zwischen Aussagen anerkannter Autoritäten versuchte man meistens zu zeigen, wie man die Stellen so deuten kann, dass dabei herauskommt, dass beide Aussagen zutreffen. Die Scholastiker verfügten über ausreichende Möglichkeiten, Widersprüche aufzulösen, ohne allgemein anerkannte Lehrsätze aufgeben zu müssen:
  • Es gibt verschiedene Deutungsebenen; manche Aussagen sind nur symbolisch gemeint oder sollen nur einem bestimmten Zweck (etwa einem didaktischen) dienen und sind nicht unbedingt als Tatsachenbehauptungen aufzufassen.
  • Ein Begriff kann je nach Zusammenhang unterschiedliche Bedeutungen haben. Die Frage, ob er an der fraglichen Stelle mehrdeutig oder eindeutig ist, ist für das Verständnis entscheidend.
  • Die meisten Aussagen beanspruchen nicht absolute Gültigkeit (simpliciter), sondern sollen nur in bestimmter Hinsicht und unter bestimmten Voraussetzungen (secundum quid) wahr sein. Ein Lehrsatz kann also durch präzise Begrenzung seines Geltungsbereichs gerettet werden.
Manche Magister bemühten sich aber nicht um harmonisierende Deutungen, sondern widersprachen einzelnen Lehrmeinungen der Autoritäten (sogar des Aristoteles) scharf. In der Dynamik wich man von der aristotelischen Physik ab und entwickelte alternative Ideen (Impetustheorie, innerer Widerstand als bewegungshemmender Faktor). [Scholastik, Methode, Wikipedia]


Die Muʿtazila (arabisch المعتزلة ‚die sich Absetzenden‘) war eine hauptsächlich in Basra und Bagdad vertretene theologische Strömung des Islam, die ihre Blütezeit zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert erlebte, stark von der griechischen Philosophie beeinflusst war und sich besonders im Kalām, einer Form des religiösen Streitgesprächs mit rationalen Argumenten, hervortat. Sie stellte die Willensfreiheit des Menschen in den Vordergrund ihrer Lehre. Innerhalb der Muʿtazila gab es verschiedene Lehrrichtungen, die jeweils nach ihrem Haupttheologen benannt waren.Die muʿtazilitische Theologie wurde über das 11. Jahrhundert hinaus in schiitischen Kreisen, insbesondere bei den Zaiditen, weiter gepflegt. In der Moderne gab es einige muslimische Theologen, die die Ideen der Muʿtazila wiederbelebt haben. Im Mittelalter hat die muʿtazilitische Theologie auch auf das Judentum ausgestrahlt, insbesondere auf die karäische Theologie. [Muʿtazila, Wikipedia, abgerufen am 11.08.2016] 


Bewertung in der Moderne
Ahmad Amin beurteilt die langfristige geschichtliche Entwicklung wie folgt: "Die Zurückweisung der Muʿtazila war das größte Unglück, das die Muslime traf. Sie haben damit ein Verbrechen gegen sich selbst verübt"[30] Zu den muslimischen Gelehrten der Moderne, die versucht haben, Konzepte der Muʿtazila wiederzubeleben, gehören Nasr Hamid Abu Zaid in Ägypten und Harun Nasution in Indonesien. [Muʿtazila#Bewertung in der Moderne, Wikipedia] 



Kalām (arabisch كلام) ist ein arabischer Begriff, der allgemeinsprachlich die Bedeutung von „Rede“, „Gespräch“, „Worte“ hat, im spezifischen Sinn aber eine bestimmte Form des theologischen Streitgesprächs bezeichnet, das sich auf rationale Argumente stützt. Im arabisch-islamischen Mittelalter wurde der Kalām zunächst von muslimischen, später aber auch von jüdischen und christlichen Gelehrten gepflegt. Diejenigen Gelehrten, die sich daran beteiligten, wurden Mutakallimūn genannt. Soweit der Kalām sich zu einer eigenen Disziplin der Kontroverstheologie entwickelt hat, wird er auch als ʿIlm al-Kalām (علم الكلام Kalām-Wissenschaft) bezeichnet. [Kalām, Wikipedia] 


Die Aschʿarīya (arabisch أشعريةDMG Ašʿarīya) ist eine theologische Richtung des sunnitischen Islams, die historisch aus der Muʿtazilahervorgegangen ist, sich aber sowohl gegenüber dieser Richtung als auch gegenüber dem hanbalitischen Literalismus abgrenzt. Sie wird auf den basrischen Gelehrten Abū l-Hasan al-Aschʿarī (ca. 874-936) zurückgeführt. [Aschʿarīya, Wikipedia] 
[…] 
Haltung gegenüber dem Kalām
Die Aschʿarīya wird in den aschʿaritischen Quellen meist als ein Mittelweg zwischen dem Rationalismus der Muʿtazila und dem Traditionalismus der Hanbaliten beschrieben.[8] Gegenüber dem rationalistischen Kalām hatten viele Aschʿariten allerdings ein ambivalentes Verhältnis. Zwar wird von al-Aschʿarī selbst eine Verteidigung des Kalām mit dem Titel Istiḥsān al-ḫauḍ fī ʿilm al-kalāmüberliefert, doch war diese den mittelalterlichen Aschʿariten nicht bekannt.[9] Mehrere bedeutende Aschʿariten wie al-Bāqillānī, al-Dschuwainī, asch-Schahrastānī und Fachr ad-Din ar-Razi sollen in jungen Jahren den Kalām befürwortet, sich aber am Ende ihres Lebens reumütig davon abgewandt haben.[10] Im frühen 19. Jahrhundert schrieb der ägyptische Aschʿarit al-Fadālī (st. 1821) noch einmal eine Verteidigung des Kalām mit dem Titel: Kifāyat al-ʿawāmm fī-mā yaǧib ʿalai-him min ʿilm al-kalām ("Das Genügen der Laien hinsichtlich dessen, was sie an Kalām wissen müssen").[11] [Aschʿarīya, Lehre, Wikipedia] 
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Doch all diese umfassende Kenntnis konnte Al-Ghasalis Durst nach Gewissheit nicht stillen. Wer hatte nun wirklich recht? Wo lag die Wahrheit? Die Menschen übernahmen wie selbstverständlich von Eltern und Lehrern die widersprechendsten Meinungen. Warum? Mohammed hatte gesagt, dass jeder mit der ursprünglichen Anlage zum Islam geboren würde, nur seine Eltern machten den Menschen dann zu etwas anderem. Was war also die ursprüngliche Anlage des Menschen? Daraufhin prüfte er alle Lehren, aber er merkte bald, dass er dafür erst die Kriterien der Wahrheit selbst untersuchen musste. Die Wahrnehmungen der Sinne erwiesen sich ihm vor dem Forum des Geistes als trügerisch und ungenügend. Sie waren wandelbar, während die Grundsätze der Logik als axiomatische Wahrheiten des Intellekts immer dieselben blieben. Aber wie stand es mit der Zuverlässigkeit des Intellekts? Darüber sagte er:

„Die sensuelle Erkenntnis sprach zu mir: Wieso bist du sicher, dass es mit deinem Vertrauen auf die intellektuelle Erkenntnis besser gehen wird als mit dem Vertrauen auf die sensuelle Erkenntnis? Erst hattest du Vertrauen zu mir, da kam der Richter des Intellekts und strafte mich Lügen. Wenn er nicht gewesen wäre, hättest du weiterhin an meine Wahrhaftigkeit geglaubt. Vielleicht gibt es aber hinter der intellektuellen Erkenntnis noch einen anderen Richter, der, wenn er einmal zutage tritt, den Intellekt ebenso Lügen straft, wie der Intellekt die Sinne Lügen strafte. Dass ein solcher Richter sich bisher noch nicht gezeigt hat beweist nicht, dass er sich nicht eines Tages zeigen könnte.“

Die Erfahrungen des Traumlebens ließen ihn die Richtigkeit dieser Argumentation besonders einleuchten. Glaubt man nicht auch im Schlaf fest an die Wirklichkeit und Richtigkeit des Erlebten, bis das Erwachen die Nichtigkeit der Traumgebilde erweist? Wäre nicht ein Zustand denkbar, der sich zu unserem Wachsein so verhielte wie das Wachsein zum Traum, so dass unser Wachsein im Verhältnis zu ihm nur ein Traum wäre? Durch solche Gedanken kam Al-Ghasali dazu, sich intensiver mit der Mystik der Sufis zu befassen. War vielleicht der meditative Zustand der Sufis, in welchem sie behaupteten, überrationale Dinge zu sehen, diese Wirklichkeit? Oder war sogar das ganze irdische Leben nichts als ein trügerischer Traum und der Tod das eigentliche Erwachen?

Durch solche Gedanken kam Al-Ghasali in eine heftige innere Krise. Der quälende Zustand dauerte etwa zwei Monate. Dann kam ihm wieder das Licht und er verstand die relative Wahrheit des Intellekts, der immerhin den Beweis erbringt, dass zuverlässige Erkenntnis nur eine höhere Wirklichkeit geben kann. Dadurch wandte sich Al-Ghasali noch stärker der Sufi-Mystik zu. Er merkte nämlich bald, dass eine Auseinandersetzung mit dem Sufismus auf rein intellektuellem Boden, durch Lesen ihrer Schriften und durch Prüfen ihrer Argumente nicht möglich ist. 
[Al-Ghasali (1058 – 1111), Enfal Islampage, Ekrem Yolcu, Datum unbekannt]
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Batiniyya (arabisch الباطنيةDMG al-bāṭiniyya ‚Anhänger der bāṭin‘) ist ein von sunnitischen Autoren wie dem Perser al-Ghazali[1](1058-1111) verwendeter pejorativer Begriff zur Bezeichnung derjenigen religiösen Gruppierungen des Islam, die eine innere Bedeutungsebene (bāṭin) im Koran erkennen.[2] - einen die Wahrheit enthaltenden inneren Sinn (I. Goldziher)Die bekannteste Gruppierung der Batiniyya bilden die Ismailiten. In dieser Verwendung wurde den Batiniten von sunnitischen Muslimen die Ablehnung der äußeren Ebene der Schrift (ẓāhir), Rituale und Vorschriften vorgeworfen (vgl. Zahiriten), obwohl fatimidischeismailitische Autoren wie al-Kirmani (gest. ca. 1020) und Nasir Chusrau (11. Jhd.) das Gegenteil behaupteten.[3] Ein anderer sunnitischer Autor, Ibn Taimiya (1263-1328), vereinte unter dem Begriff bāṭiniyya einige schiitische Gruppen, Sufis und solche Philosophen wie Ibn Ruschd/Averroës (1126-1198).[4] [Batiniyya, Wikipedia]
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Ghazali genoss eine klassische islamische Ausbildung. Etwa im Alter von Mitte 30 kam er selbst als Gelehrter nach Bagdad, dem Zentrum des bereits im Niedergang befindlichen Reichs der Abbasiden-Dynastie. Ghazali erwarb sich zunächst vor allem mit seinen Arbeiten zum islamischen Recht großes Ansehen. Nebenbei arbeitete er sich gründlich in die philosophischen Schriften ein. Begleitet von den zunehmenden politischen Auseinandersetzungen und religiösen Disputen seiner Zeit stürzte er jedoch in eine tiefe intellektuelle Krise:

Nach langem Zweifel bin ich dahin gekommen, auch der sinnlichen Erkenntnis keine Gewissheit zuzugestehen,
... schreibt Ghazali in seinem autobiografischen Werk: "Der Befreier aus dem Irrtum". Die Skepsis gegenüber dem verbreiteten Autoritätsglauben, der dazu auffordert, sich nur bereits existierenden Gelehrtenmeinungen anzuschließen, hatte Ghazali schon vor längerer Zeit entwickelt. Und auch auf die Vernunft allein wollte er sich nicht verlassen, um sein Verlangen nach Gewissheit zu befriedigen. Er schreibt:

Vielleicht versteckt sich ja hinter der Vernunfterkenntnis ein anderer Richter, welcher, sobald er in Erscheinung tritt, das Urteil der Vernunft der Lüge bezichtigt.
Irgendwann wird es dem Gelehrten zu viel. Quasi auf dem Höhepunkt seines Erfolgs gab er seine renommierte Stelle in Bagdad auf. Verschenkte all seinen Besitz und machte sich auf die Suche nach der Liebe zu Gott. Als Asket folgte Ghazali fortan fast elf Jahre dem Pfad der Mystik. Anschließend ging er in seine Heimatregion zurück und nahm an seiner ehemaligen Ausbildungsstätte einen Lehrstuhl an. In dieser Zeit schloss er auch seine berühmte Schrift "Ihya ulum al-din" - Die Wiederbelebung der Religionswissenschaften - ab. Es ist vielleicht die bedeutendste theologische Abhandlung im Islam.

Wenn dem Islam heute mitunter ein gespanntes Verhältnis zur Philosophie attestiert wird, so ist Ghazali daran nicht ganz unschuldig. Der französische Schriftsteller und Historiker Ernest Renan bezeichnete ihn 1852 als einen "Feind der Philosophie". Und sein deutscher Kollege und Zeitgenosse Salomon Munk kam zu dem Urteil:

Ghazali führte einen Schlag gegen die Philosophie, von dem sie sich im Orient nicht mehr erholen konnte.
Den Ruf des Zerstörers brachte ihm vor allem ein Werk ein: "Die Inkohärenz der Philosophie". In diesem Buch setzte sich Ghazali aus theologischer Perspektive kritisch mit den Denkansätzen der bis dahin wichtigsten islamischen Philosophen auseinander: Ibn Sina und Al-Farabi, die in Europa als Avicenna und Alfarabius bekannt sind. Ghazali führt insgesamt 20 Lehrsätze von ihnen auf, die seiner Auffassung nach Fehler und Mängel aufwiesen - etwa die Behauptung, die Welt sei unerschaffen und ewig. Oder: Nur die Seele, nicht aber der Leib werde auferstehen. Zum Teil hatten Ghazalis Ausführungen fatale Folgen. 17 dieser Lehrsätze erklärte er für häretisch, drei sogar als ein Zeichen für Apostasie, also für einen Abfall vom Glauben, der nach klassischer Rechtsauffassung mit dem Tod bestraft wird. 
[Die Vertreibung der Philosophie aus dem Islam – Der muslimische Gelehrte al-Ghazali auf dem Prüfstand, Thorsten Gerald Schneiders, Deutschlandfunk, 09.02.2012]
- Welcher Niedergang? (Macksood Aftab, Islamische Zeietung, zu finden auf iran German Radio, 13.01.2014)


Al Ghazali - The Alchemist of Happiness - Documentary Trailer [2:46]

Hochgeladen am 03.09.2011

Al Ghazali The Alchemist of Happiness 2004 YouTube

bu Hāmed Mohammad ibn Mohammad al-Ghazzālī (1058 -- 1111) (Persian: ابو حامد محمد ابن محمد الغزالی), known as Algazel to the western medieval world, born and died in Tus, in the Khorasan province of Persia (modern day Iran) was a Persian[5] Muslim theologian, jurist, philosopher, and mystic.
Ghazali has sometimes been referred to by historians as the single most influential Muslim after the Islamic prophet Muhammad.[6] Besides his work that successfully changed the course of Islamic philosophy—the early Islamic Neoplatonism developed on the grounds of Hellenistic philosophy, for example, was so successfully refuted by Ghazali that it never recovered—he also brought the orthodox Islam of his time in close contact with Sufism.[6] The orthodox theologians still went their own way, and so did the mystics, but both developed a sense of mutual appreciation which ensured that no sweeping condemnation could be made by one for the practices of the other.



Sein Einfluß auf die islamische Philosophie läßt sich in zwei Aspekten beschreiben. Zum einen war er sicherlich am Niedergang der (reinen) Philosophie innerhalb des Islams beteiligt, wobei jedoch unklar ist, in welchem Ausmaß. Es gab in der östlichen islamischen Welt keinen großen Philosophen mehr nach Ibn Sînâ, dieser ist jedoch 428/1037 gestorben, so daß es möglich ist, daß die Philosophie schon vor Ghazâlîs Angriff im Niedergang begriffen war. Im islamischen Westen, in Andalusien, traten noch einige einflußreiche Philosophen auf, wie Ibn Tufail und Ibn Ruschd (Averroes), doch schließlich kam die philosophische Bewegung auch hier zum Stillstand. Diese Entwicklung ist jedoch im Zusammenhang mit der gesamten Geschichte Andalusiens zu sehen, wo das islamische Reich zerfiel und die christlichen Herrscher die Oberhand gewannen. [Ghazâlîs Leistungen, Silvia Horsch auf ihrer Homepage al-sakina, Datum unbekannt]

Dokumentarfilm Der Name der Rose von Umberto Eco [24:13]

Veröffentlicht am 01.04.2015
Fragmente einer Dokumentation über den Film "Der Name der Rose " von Jean-Jacques Annaud , basierend auf dem Roman von Umberto Eco. Es hat Interviews mit Schauspielern Sean Connery, Christian Slater sehr jung, Frank Murray Abraham , Historiker, mit dem Kameramann und Umberto Eco. Dedicated to Christian Grau, der mich daran erinnert, der Charakter Jorge de Burgos auf Jorge Luis Borges basiert.
InfoText zu einem inzwisdhen gelöschten Video:
Hochgeladen am 22.02.2009
Bernardo Gui baut Remigio de Varagine "eine Brücke", um zumindest der Folter entgehen zu können: "Könnte es vielleicht sein, dass Du vom Teufel besessen warst...":

R: Ich werde alles gestehen. Alles, was Ihr wollt! Wenn Ihr mir nur die Folter erspart... [...]
B: Also gut. (Pause) Warum hast Du sie getötet?
R: Warum, fragt Ihr. (überlegt) Ich weiß nicht, aus welchem Grund... (krampfhaft) Ich...ich...
B: (dogmatisch) Vielleicht, weil Du vom Teufel besessen warst!
R: (begreifend, zu sich) Ja. Das ist der Grund! Ich war vom Teufel besessen! (spielend) Ich bin vom Teufel besessen, vom Teu-fel!

The name of the rose - Did Christ laugh [2:52]

Hochgeladen am 01.07.2010

Während die Scholastik den Mittelpunkt des Denkens in der christlichen Welt für die nächsten Jahrhunderte darstellte, spielte sie in der islamischen Welt kaum eine Rolle.


Die Scholastik wiederum baut mittelbar auf der aristotelischen Logik auf. Letztere war schon zu Zeiten des römischen Imperiums zu großen Teilen verlorengegangen.

Altertum / Mittelalter (Völkerwanderung und Islamische Expansion) [1:13:42]

Veröffentlicht am 14.07.2014
Gegen-Sozialismus.jimdo.com

Größte Ausdehnung des islamischen Herrschaftsbereiches um 750
(gefunden bei stmichael-online)
Die Araber stießen mit der Ausbreitung des Islam auf die alten griechischen Schriften und gründeten ganze Schulen, (Stichwort: Übersetzerschule von Toledo) die mit nichts anderem beschäftigt waren als dem Übersetzen dieser Werke.



Mit der Eroberung der Iberischen Halbinsel (in der Schlacht von Guadalete 711 unterlag König Roderich einem 8.000 Mann starken Expeditionskorps; seit dem 5. Jhdt. gehörte die iberische Halbinsel zum Herrschaftsbereich der Westgoten, seit dem Konzil von Toledo 589 war der Katholizismus Staatsreligion) durch die Mauren (nomadisierende, von den Arabern islamisierte Berberstämme) kamen christliche Denker wieder in Berührung mit den durch die Muslime bewahrten altgriechischen Werken.

Geschichte Spaniens - Zauber der Mauren [51:24]

Veröffentlicht am 20.09.2013
Na, wer hat die Zivilisation nach Europa gebracht?!


Al-Andalus, ca. 909 (gefunden bei Wikipedia; bei 
www.way-to-allah.com kann man sich ein tolles Video 
ansehen, welches vor kurzem bei 3sat lief.)
In Córdoba, befand sich ein kulturelles Zentrum, das die angesehensten Universitäten des zehnten Jahrhunderts vorweisen konnte, außerdem 70 öffentliche Bibliotheken und 50 Krankenhäuser. Hier fand das friedliche Aufeinandertreffen islamischer, jüdischer und christlicher Traditionen statt.








Spanien unter dem Halbmond Al Andalus [1:49:38]


Hochgeladen am 11.02.2012



Geschichtlicher Einschub:
(Bild aus Wikipedia)
Auf dem geistesgeschichtlichen Faden dieses Artikels marschieren wir von der Aufklärung zu Aristoteles zurück. Auf dem geschichtlichen Faden müssen wir vorwärts gehen und in drei Schritten den Wechsel der Herrschaftsverhältnisse in Spanien und Nordafrika skizzieren:












Das Osmanische Reich zur Zeit seiner 
größten Ausdehnung, 1683 (aus Wikipedia)
1299 begründete Osman I. (*1258, †1326) das nach ihm benannte Osmanische Reich




Dieses breitete sich über die nächsten 400 Jahre im östlichen Mittelmeerraum und in Nordafrika aus.












Unter Sultan Süleyman I. dem Prächtigen (1520-1566) erlebte das Osmanische Reich – trotz der vergeblichen Belagerung Wiens 1529 – seine Glanzzeit.

Schon wenige Jahre nach dem Einbruch der Araber auf der Iberischen Halbinsel begann 722 mit der Schlacht von Covadonga die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung. Der Kampf gegen die Muslime wurde von den christlichen Herrschern Europas als Kampf für die gesamte Christenheit und Heiliger Krieg wahrgenommen. Während viele enge persönlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Christen und Muslimen bestanden, erlangten im Verlauf des 9. bis 12. Jahrhunderts die christlichen Königreiche allmählich die Herrschaft über weite Teile der Iberischen Halbinsel. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war das nasridische Sultanat von Granada das letzte arabische Herrschaftsgebiet und mußte an Kastilien Tribut zahlen.


Bild von Ortiz, 1882, aus Wikipedia


 


1492 kapitulierte der letzte arabische Herrscher in Al-Andalus, Muhammad XII. (Boabdil), Sultan von Granada, vor den Heeren von Ferdinand II. und Isabella I. („Los Reyes Católicos“, die Katholischen Könige).


Die Organe der Frau, Leonardo da Vinci, 1508,
Feder und Kohle (gefunden bei reproarte.com)
 

An dieser Stelle können wir den geistesgeschichtlichen Faden wiederaufnehmen: 


Noch zu Zeiten von Leonardo da Vinci (1452 – 1519) war das Sezieren von Leichen in den christlichen Ländern verboten. (Dafür wurde Ende des 15. Jhdts. im Osmanischen Reich der Buchdruck verboten; dazu weiter unten.) Man muß sagen, daß im gesamten Mittelalter die islamische der christlichen Wissenschaft weit voraus war (auf der verlinkten Seite ganz unten und nächste Seite), vor allem in den Bereichen Mathematik, Physik, Astronomie und Medizin.
(Siehe auch die Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel)





5. Aristoteles’ Weltbild war teleologisch, d.h. Vorgänge waren für ihn immer an einem Zweck orientiert. Die Erfüllung dieses Zwecks lag in der Zukunft, deshalb benötigte Aristoteles (Schüler des Platon und Lehrer Alexander des Großen) eine „planende Hand“: Götter bzw. einen Gott. Der christlichen Kirche war diese Vorstellung sehr genehm: sie übernahm sie und wer sie anzweifelte, galt als Ketzer.

„Es besteht für Naturwissenschaftler kein Grund, in die Verehrung einzustimmen, die Aristoteles genießt. Er hat durch seine Ablehnung des Atomismus den Fortschritt der Wissenschaft zwei Jahrtausende lang aufgehalten. Und was vielleicht noch schlimmer ist: er hat als Urheber einer Geistesrichtung, die alle Grundsätze des physikalischen Denkens verkannte und die er mit dem ganzen Gewicht seiner ungeheuren Autorität vertrat, auf die spätere Entwicklung nicht bloß der Physik, sondern auch der übrigen Naturwissenschaften den verderblichsten Einfluss genommen. [ A. March, Physiker, 1891-1957]
(Das ist natürlich ziemlich herbe, dazu gehören immer zwei, die Kirche hat ihn benutzt, wo er ihre Auffassungen stützte und abgelehnt, wo er dies nicht tat.)

Aristoteles ist also zwiespältig zu sehen: während seine Philosophie der Logik über den arabischen Umweg und die Iberische Halbinsel im Hochmittelalter wieder die europäische Philosophie befruchtete, kamen seinen wissenschaftlichen Überlegungen eine fast absolute Autorität zu. Durch den Einfluß der Scholastik waren noch im Hochmittelalter europäische Denker nicht an systematischen Naturbeobachtungen interessiert. Es ging meist nur darum, ob neue Beobachtungen oder Theorien mit denen des Aristoteles übereinstimmten oder nicht. (Zum Umgang mit Autoritäten siehe nochmals bei Wikipedia.)

Terra X - Große Völker - Die Griechen [43:58]

Veröffentlicht am 10.03.2014
Große Völker: Griechen, Römer und Wikinger
Zeitreise zu den Wurzeln Europas mit Comic-Elementen

Demokratie, Gesetze, Wissenschaft, Literatur, Theater, Olympische Spiele, Wasserversorgung, Straßennetze, Fernhandel, Überquerung der Weltmeere, Globalisierung -- die Liste der Errungenschaften, die das Europa von heute kennzeichnen, ließe sich endlos fortführen. Doch ausnahmslos alles, was unser heutiges Leben prägt, basiert auf über 2000 Jahre alten Ideen und Erfindungen. Die neue "Terra X"-Reihe "Große Völker" versteht sich als Zeitreise zu den Wurzeln Europas und den Nationen, die den Weg in die Moderne geebnet haben. In drei Folgen werden die Pionierleistungen der Griechen, Römer und Wikinger vorgestellt.
 



6. Der erste, der systematisch die induktiv-experimentelle wissenschaftliche Arbeitsweise anwendete, bei der zuerst Experimente durchgeführt und erst danach anhand der Versuchsergebnisse Theorien aufgestellt werden, war der Erfinder der Lupe (er benutzte plankonvexe Lesesteine), Alhazen (Abu Ali al-Hasan Ibn Al-Haitham, ca. 965 – 1040, persischer Mathematiker, Optiker und Astronom); bis dahin war es üblich, Erkenntnisse nur durch logische Schlußfolgerungen zu gewinnen und Experimente allenfalls zur Veranschaulichung der so gefundenen Theorien durchzuführen.
Kupferstich auf dem Titelblatt des Thesaurus opticus (arab. Titel: Kitab-al-Manazir). 
Die Darstellung zeigt, wie Archimedes von Syrakus römische Schiffe mit Hilfe 
von Parabolspiegeln in Brand gesetzt haben soll. (gefunden bei Wikipedia)
Die Muslime selber wiederum verdanken die experimentelle Methode dem Koran, der dutzendfach dazu auffordert zur Mehrung des Wissens über die Welt die Natur zu beobachten. Sie gilt im Koran als ein göttliches Zeichen. Dieser Naturappell ermutigte muslimische Wissenschaftler dann bereits im frühen Mittelalter zu empirischen Forschungen und bahnbrechenden Erkenntnissen in Biologie, Zoologie, Geografie, Optik, Medizin, Astronomie und Mathematik.

Die Übernahme experimenteller wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der muslimischen Welt durch Europa geschah zunächst durch Reisende, Händler, Pilger und Europäer, die sich entschlossen hatten, in der islamischen Welt zu studieren. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist Gerbert von Aurillac (gest. 1003), später Papst Silvester II., der die muslimischen Universitäten in Sevilla und Cordoba besuchte. Schließlich sorgten die Kreuzzüge (1095-1291) und die Reconquista (11.-15. Jahrhundert) für einen weniger friedlichen Wissenstransfer.

Es verwundert nicht, dass zunächst vor allem Spanien und Portugal einen kräftigen Entwicklungsschub erhielten, jene Orte, an denen sich die Muslime am längsten auf dem europäischen Festland aufgehalten hatten. 
[Ohne Orient kein Okzident, Muhammad Sameer Murtaza, The European, 26.03.2015]
dazu auch:
- Islam und Judentum (in: Jan Rohls, Offenbarung, Vernunft und Religion, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, 2012, S. 135ff.,GoogleBooks)
- Zwischen Islam und lateinischer Christenheit: das Werk des Philosophen, Religionsmannes und Juristen Averroes (Jacques Langhade, trivium, 2005)
- Die Denker von Al-Andalus (Manuela Lenzen, Bild der Wissenschaft 7/2015)
- Widersprechen sich Wissenschaft und Religion? (Nissan Dovid Dubov, Chabad.org, Datum unbekannt)
x
7. Averroës (arabisch أبو الوليد محمد بن أحمد بن محمد بن رشد‎, Abū l-Walīd Muḥammad b. Aḥmad ibn Muḥammad b. Rušd, 1126 – 1198, spanisch-arabischer Philosoph, Arzt und Sufi-Mystiker), einer der größten islamischen Philosophen (und damals in der islamischen Welt unbeachtet), ein glühender Bewunderer des Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der zu fast jedem Werk des Aristoteles einen Kommentar verfaßte (genauso wie damals Aristoteles nur „der Philosoph“ genannt wurde, sprach man von Averroës als „dem Kommentator“), sah in der Logik die einzige Möglichkeit des Menschen, glücklich zu werden. Solche Feststellungen brachten ihn allerdings in Opposition zum orthodoxen Islam, der Averroës’ Schriften bis heute ablehnt. [Averroës, Wikipedia, abgerufen am 15.02.2008]

Forgotten Thinkers: Al-Ghazali and Averroes [54:10]

Veröffentlicht am 19.02.2016
A lecture delivered by Wesley Cecil PhD. at Peninsula College. Explores the Islamic Golden Age, Translation Movement, and the work of Al-Ghazali and Averroes. 

I apologize if my speech is in-distinct at times, I was quite sick when delivering this lecture - perhaps should be titled "The Incoherence of Me." Also note, Grand Ayatollah Ali Al-Sistani's website is still active.

Averroes [42:23]

Veröffentlicht am 20.09.2012

Averroès un penseur décisif [29:37]

Veröffentlicht am 20.10.2013

Science & Islam: Part 1 [1/3]: The Language of Science [Comparative Study] [58:36]

Hochgeladen am 13.09.2011
[Comparative Study] An interpretation/perspective/presentation/production.. from an Un-Islamic/Non-Islamic viewpoint..

Science & Islam: Part 2 [2/3]: The Empire of Reason [Comparative Study] [59:02]

Hochgeladen am 13.09.2011

Science & Islam: Part 3 [3/3]: The Power of Doubt [Comparative Study] [59:12]

Hochgeladen am 13.09.2011

Pourquoi Averroès a t il tant inquiété la pensée médiévale latine ? avec Jean-Baptiste Brenet [1:06:42]

Veröffentlicht am 21.09.2015
Cultures d'Islam par Abdennour Bidar avec Jean-Baptiste Brenet

Si Averroès fut inquiétant, d'une inquiétante étrangeté, c'est sans doute que selon une lecture très répandue il aurait fait de l'homme un "objet" alors qu'il réclame le statut de "sujet" de ses actes.
Mais alors se pose la question de savoir de quoi ou de qui l'être humain peut-il bien être l'objet ? D'un intellect supérieur - une sorte d'intelligence universelle - qui penserait en nous-mêmes et à notre place, ou bien, hypothèse de Freud, d'un inconscient qui ferait de nous ses "jouets" en nous laissant à l'illusion de nous diriger nous-mêmes de façon consciente et délibérée...
C'est toute la question de la possibilité pour l'être humain de se considérer comme l'auteur et le maître de sa vie qui est en jeu ici.

A propos de : Averroès l'inquiétant, Ed. Belles Lettres (2015)

Le nom d'Averroès est celui d’un scandale. Voici l’homme d’une thèse folle qui soutient que l’intellect est séparé des individus et unique pour toute l’espèce.

Conséquence ? La négation de la proposition « je pense » : la ruine de la rationalité. Pendant cinq cents ans, l’Europe s’en offusquera. Comment comprendre cette histoire qui mêle fascination et rejet ? D’où vient que l’averroïsme récusé d’emblée n’ait cessé de reparaître ? Avec Freud, ce livre propose une réponse.

Averroès, alias Abū l-Walīd Muh. ammad ibn Ah.mad Ibn Rušd, est l’archétype d’une « inquiétante étrangeté »venue perturber la latinité. (4ème de couverture)

Invité(s) : Jean-Baptiste Brenet, professeur à l'Université de Paris 1-Panthéon Sorbonne

Averroës (Ausschnitt eines Gemäldes 
von Andrea Bonaiuto, 14. Jhd.; Quelle: Wikipedia)



Da er kein Christ war, konnte er den Gedankengängen Aristoteles’ auch in den Punkten folgen, wo sie mit der christlichen Religion nicht vereinbar waren. Der aristotelischen Naturphilosophie stand die christliche Kirche nämlich sehr skeptisch gegenüber. 

Siehe auch:

- Averroës – Vordenker einer islamischen Aufklärung - Glaube und Vernunft (Andreas Speer im Gespräch mit Susanne Fritz, Deutschlandfunk, 26.01.2016)

Averroës, Detailansicht aus der Schule von Athen 
(Fresko von Raffael, 1510, im Unterschriftssaal 
des Papstes im Vatikan; Quelle: Wikipedia)







Die führte witzigerweise z. B. dazu, daß 1277 der Pariser Bischof und Kanzler der Pariser Universität Étienne Tempier eine Auflistung von 219 Thesen von Aristoteles und Averroës veröffentlichte, deren Lehre an der Sorbonne er unter die Strafe der Exkommunikation stellte (siehe Geschichte des Averroismus bei Wikipedia).

siehe dazu:

- Autoritätenstreit und das richtige Wissen (Steffen Schnieders, Deutschland im Mittelalter)
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  • 1210 wurden auf der Pariser Synode die naturphilosophischen Schriften des Aristoteles für den Lehrbetrieb an der Artistenfakultätverboten.
  • 1231 verbot Papst Gregor IX. in einer Bulle die Physik des Aristoteles, bis sie geprüft und von allem Verdacht des Irrtums gereinigt sei [1].
  • Von 1243 bis 1248 lehrte Albertus Magnus in Paris und befasste sich dabei intensiv mit Aristoteles.
  • Von 1269 bis 1271 lehrte Thomas von Aquin in Paris und versuchte zu vermitteln. Er systematisierte die Theologie mit den Mitteln der aristotelischen Philosophie.
  • 1270 erstellte Ägidius von Rom eine Liste von 95 Irrlehren der Philosophen.
Verurteilung von 1277 
Am 23. November 1276 hatte der Inquisitor Simon du Val die ehemaligen Lehrer der Artistenfakultät zu Paris (Siger von Brabant, Gosvin von La Chapelle und Bernier von Nivelles) vor sein Tribunal geladen. Am 18. Januar 1277 wurde Tempier von Papst Johannes XXI.aufgefordert, Gerüchten über neuerliche Irrlehren an der Universität Paris nachzugehen. Tempier rief eine Theologenkommission zusammen, der auch Heinrich von Gent angehörte.
Am 7. März 1277 veröffentlichte Tempier einen Syllabus von 219 Thesen, die an der Artistenfakultät diskutiert wurden. Sie betreffen philosophische und theologische Themen wie den Wissenschaftscharakter der Theologie, die Erkennbarkeit Gottes, das göttliche Wissen, die Allmacht Gottes, den Willen Gottes, die Freiheit des menschlichen Willens, die Unsterblichkeit der Seele, die Eucharistie, die Morallehre, die Angelologie und die Kosmologie [3].
Prolog des Dekrets
Es wird die Lehre der 219 Thesen unter die Strafe der Exkommunikation gestellt [4] und die doppelte Wahrheit verurteilt: Sie sagen nämlich, diese Irrlehren seien wahr im Sinne der Philosophie, aber nicht im Sinne des katholischen Glaubens, als gebe es zwei gleichsam entgegengesetzte Wahrheiten.[5]
Außerdem werden ein dreibändiges Werk De amore über die höfische Liebe [6], ein Buch über Geomantie[7] sowie Schriften über Nekromantie, Gebräuche von ZauberernTeufelsanbetungen und seelengefährdende Beschwörungen [8] verboten. 
Anpassungen nach 1277 
  • Die beiden Verurteilungen von 1270 und 1277 wurden mit derjenigen Verurteilung des Pariser Bischofs Wilhelm von Auvergne von 1241 sowie derjenigen des Erzbischofs von Canterbury Robert Kilwardby von 1277 zu der Sammlung „Collectio errorum in Anglia et Parisius condemnatorum“ zusammengefasst.
  • Unter den 219 Thesen sind auch einige Lehrstücke des Thomas von Aquin. Um dessen Verurteilung zu verhindern, stellte Gottfried von Fontaines 1296 im Rahmen einer Quaestio quodlibetalis die Frage, ob der Nachfolger Tempiers eine Sünde begehe, wenn er dessen Syllabus aufgrund seiner Mängel nicht korrigiere [9]. Nach der Heiligsprechung von Thomas von Aquin 1323 korrigierte der Pariser Bischof Etienne Bourret 1325 die Irrtumsliste.
Auswirkungen 
  • Doppelte Wahrheit: Der Verurteilungstext von 1277 überliefert, was per kirchlichem Dekret nicht gedacht werden sollte, und die Philosophie befreite sich folglich zunehmend unter anderem mit Wilhelm von Ockham vom Einfluss der Theologie.
  • Der französische Physiker und Wissenschaftshistoriker Pierre Duhem betrachtete die Verurteilungen als Geburtsdatum der modernen Wissenschaft, weil die aristotelische Physik mit ihrem Horror vacui zurückgewiesen und damit Raum für die moderne Naturwissenschaft geschaffen wurde [10].
  • Die Verurteilungen in Paris wurden vom Philosophiehistoriker Steenberghen als „wahrer Angelpunkt der Geistesgeschichte dieser Epoche“[11] und von Gilson als epochales „landmark“ (Grenzzeichen)[12] bezeichnet. [Pariser Verurteilungen, Wikipedia]
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siehe auch:

Das andere Rom (Romain von Leick, SPIEGEL Geschichte 4/2013)

Albertus Magnus und Thomas von Aquin! [29:45]

Veröffentlicht am 28.09.2013
Die Spitze der hochmittelalterlichen Scholastik. Wir treffen hier auf Albertus Magnus und seinen Schüler Thomas von Aquin. Was es mit diesen Burschen auf sich hat, soll hier kurz umrissen werden. 

Am Anfang ergehen sich die beiden Dialogpartner noch etwas in dubiose Spekulation. Ich verweise hier auf Boethius und im weiteren natürlich auf Rom, wo die antike Philosophie nie abhanden kam. Debilitäten schaden dem Geist, man halte sich von diesen fern.

Albertus Magnus:
Albertus Magnus (auch Albertus Teutonicus; Albertus Coloniensis; Albert der Große, Albert der Deutsche genannt) wurde um 1200 in Lauingen an der Donau geboren. Verstarb am 15. November 1280 in Köln. Er war ein deutscher Gelehrter und Bischof, der wegbereitend für den christlichen Aristotelismus des hohen Mittelalters war.

Thomas von Aquin:
Thomas von Aquin (* um 1225 auf Schloss Roccasecca bei Aquino in Italien; † 7. März 1274 in Fossanova; auch Thomas Aquinas oder der Aquinat; it. Tommaso d'Aquino) war Dominikaner und einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte. Seiner Wirkungsgeschichte in der Philosophie des hohen Mittelalters nach zählt er zu den Hauptvertretern der Scholastik. Er hinterließ ein sehr umfangreiches Werk, das etwa im Neuthomismus und der Neuscholastik bis in die heutige Zeit nachwirkt.

hier nun das ganze Fresko:
Die Schule von Athen
Raffael, 1510 bis 1511
Fresko
Stanzen des Raffael

siehe auch:
- Islam und Islamismus – Eine Herausforderung für Deutschland? (Caillea B. Rakow-Grebenstein, Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V., ReflektionBlog, 12.10.2014)

Der Rest des Textes ist mir bei Layout-Arbeiten abhandengekommen. Irgendwann mal werde ich ihn vervollständigen.


neu bearbeitet am 11.08.2016