Dienstag, 30. April 2013

Montag, 29. April 2013

Heute würde Henri Poncaré 159 Jahre alt werden

Schon mal was vom Dreikörper-Problem gehört? Es geht dabei darum, die Bewegung von drei Himmelskörpern vorauszusagen, die sich gegenseitig durch ihre Masse beeinflussen. Seit der Entdeckung des uns bekannten Sonnensystems mit der Sonne als Zentralgestirn haben sich alle möglichen Leute die Köpfe darüber zerbrochen, die Planetenbahnen und die Bewegungen ihrer Monde vorauszuberechnen. Auch heutzutage geistern immer wieder apokalyptische Meldungen durch die Medien, in welchen ein Asteroid möglicherweise mit der Erde kollidieren wird.

Raymond Poincaré dürfte da schon bekannter sein: er war von 1913 bis 1920 französischer Staatspräsident und leitete die aufgrund des Versailler Vertrages gebildete alliierte Raparationskomission. Er gilt als die treibende Kraft hinter der Besetzung des Ruhrgebietes.
Er war Cousin eines der größten Mathematiker und Physiker des 19. Jahrhunderts: Henri Poincaré.

Ende des 19. Jahrhunderts machten sich die Physiker auf die Suche nach dem Äther. Genauso wie Schallwellen ein tragendes Medium benötigen, glaubte man, das Licht – damals ebenfalls als Welle verstanden – benötige etwas ähnliches, den Äther. Nur fand man ihn nicht. 1905 sprach Poincaré von der vollständigen Unmöglichkeit der Bestimmung einer absoluten Bewegung und kam in den Folgejahren der Speziellen Relativitätstheorie Einsteins sehr nahe. Das Festhalten an der Äthertheorie jedoch verhinderte, daß er diesem zuvorkam.

Im New-Age-Klassiker »Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten« (Robert M. Pirsig) findet sich im Kapitel 22 eine allgemeinverständliche Erklärung einiger seiner philosophischer Betrachtungen.
siehe dazu auch:
- Flucht vor der Technik (Post, 05.12.2012) und
Vater, Sohn, Heiliges Rad (Lettre International 72, Frühjahr 2006)

Vor allem aber ist er bekannt aufgrund seiner Beschäftigung mit der erweiterten Fragestellung zum Dreikörper-Problem, dem n-Körper-Problem. Und das sollte man heute zu seinem Geburtstag lesen:
Das Poincaré-Abenteuer (Post, 06.01.2009)


Sonntag, 28. April 2013

»Auch du, Uli?«

Nach Peter Graf, Klaus Zumwinkel, Boris Becker, Paul Schockemöhle, Freddy Quinn, Ludwig-Holger Pfahls wird nun auch Uli Hoeneß als Steuerhinterzieher geoutet. Die bundesdeutsche Empörungsmaschinerie läuft natürlich an…

Anstatt die moralische Keule zu schwingen, könnten wir unsere moralische Empörung – oder auch unseren Neid – ein wenig zurückdrängen und ein wenig über die Hintergründe herauszufinden versuchen. Dabei ist eine psychologische Betrachtungsweise von Nutzen. Die obengenannten Personen repräsentieren in der Tendenz nämlich eher eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft und werden erst einmal nicht als »böse« oder »schlecht« gefühlt.

Dem Satz der systemischen Therapie »Das Problem ist eine Lösungsstrategie.« bietet einen Verstehens-Ansatz: Wir haben es hier mit dem Phänomen der Entsolidarisierung zu tun: diese Menschen fühlen sich mit der Gesellschaft, in der sie leben, nicht mehr solidarisch – zumindest im Hinblick auf ihre Steuerbelastung. Wir können fragen: Woher kommt diese Entsolidarisierung?

Der Satz »Aus Opfern werden Täter« eröffnet eine weitere Frage: Inwiefern haben sich diese Menschen als Opfer gefühlt, so daß sie sich das Überschreiten einer gesetzlichen Grenze erlauben durften?

Der Schauspieler Gerard Depardieu urinierte im August 2011 auf den Flugzeuggang, weil ihm die Stewardess während der Startphase den Gang zu Toilette untersagt hatte. Januar 2013 erhielt Depardieu auf Antrag die russische Staatsbürgerschaft. Zuvor hatte die französische Regierung unter François Hollande die Einführung einer 75%igen Reichensteuer beschlossen. Die Rückgabe seines französischen Passes kommentierte der Premierminister Jean-Marc Ayrault, dies habe schon etwas Armseliges. Depardieu selbst: »Ich habe einen russischen Pass, aber ich bin Franzose.« (alle Infos aus Wikipedia)
In der Betrachtung von Extremen wird häufig das Normale verstehbarer.
Depardieu mag sich nicht sagen lassen, was er zu tun hat. Und er fühlt sich weiterhin als Franzose. Seine Entsolidarisierung bezieht sich also nicht auf seine Mitbürger sondern auf den französischen Staat.

Vor wenigen Wochen las ich, Depardieu habe dem Staat bisher 145 Millionen Steuern gezahlt. Und in seinem Pariser Viertel habe er keineswegs als Egoist gegolten: Er habe Gewerbetreibenden aus der Pleite geholften und Kneipen und ein Fischgeschäft gekauft, damit der Stadtteil weiterleben kann. (Osho-Times, März 2013)
Auch Uli Hoeneß ist sozial engagiert, und er scheut keine Auseinandersetzungen.

Ich finde es interessant, sich in diese Menschen hineinzuversetzen und mir vorzustellen, wie sie sich fühlen.

Wenn die »Welt« schreibt, »die Moral, die Hoeneß predigte, wird nun als Doppelmoral entlarvt« oder Sylvia Schenk (Sportbeauftragte bei Transparency International) meint: »Uli Hoeneß schmeißt mit Felsbrocken in einem Glashaus« oder der »Tagesspiegel« fragt: »Auch du, Uli?« und von einer »menschlichen Enttäuschung« redet, hilft die moralische Keule beim Verstehensprozeß nicht.

Genüßlich zitiert der »Stern« Hoeneß:
»Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muß man auch mal zufrieden sein.«  (2011 in »Brand Eins«)
»In den vergangenen 20 Jahren sind in der Finanzwelt Menschen am Werk gewesen die einen katastrophalen Job gemacht haben. Uns wurde vorgegaukelt, daß viele Finanzprodukte so unglaublich wichtig seien. Dabei hatten diese nur ein Ziel: die Taschen gewisser Leute voll zu machen.« (2012 in der »Welt«)
»Die Finanzwelt zeigt keine Bereitschaft, zur Volkswirtschaft beizutragen. Eine Krankenschwester trägt mehr zur Volkswirtschaft bei als ein Spekulant. Wenn ich sehe, daß Optionsscheine für Reis steigen, sage ich zu meienr Frau: ›Das bedeutet, daß Menschen hungern müssen, weil sie sich keinen Reis mehr kaufen können.‹« (2011 in »Brand Eins«)
»Es ist doch unklug, solche Dinge zu machen, denn irgendwann kommt doch immer alles heraus. Und es kann doch nicht der Sin der Sache sein ins Gefängnis zu wandern, nur um ein paar Mark Steuern zu sparen.« (2012 in der »Welt«).
»Mir ist inzwischen egal, ob ich 20, 5 oder 100 Prozent Steuern zahle. Mir geht es um die kleinen Leute.« (2002 in der »Abendzeitung«)

Erst einmal scheinbar Widersprüche, mit Sicherheit aus dem Zusammenhang gerissen, aber ich meine, da etwas durchschimmern zu sehen: eine große Unzufriedenheit.

Und vielleicht auch so etwas wie eine doppelte Buchführung.
Aber vielleicht ist nicht nur Hoeneß unzufrieden und macht eine doppelte Buchführung, vielleicht tun wir das auch. Und vielleicht beneiden wir Hoeneß nicht nur um seine Millionen sondern auch um die Gelegenheiten, sein Geld am Fiskus vorbeizuschleusen. Und wenn Angela Merkel aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aussteigt: Müssen wir dann von einer multiplen Buchführen, einer chaotischen oder überhaupt keiner reden? Und wenn George Bush Präsident wird, obwohl ihm weniger Menschen ihre Stimme gegeben haben als Al Gore, und wenn die USA(, deren Präsident seine Wehrzeit statt in Vietnam an der Heimatfront abgedient hatte,) mal kurz die gesamte UNO hinters Licht führen und mit dem Argument »Massenvernichtungswaffen« einen Krieg anzetteln, an dem sich dann die Öl-Mafia goldene Nasen en masse verdient: Was ist das für eine Buchführung?

Es läßt sich darüber spekulieren, ob die Entsolidarisierung einzelner (oder vieler) Wohlhabender und ihre doppelte Buchführung nicht ein Spiegelbild der sich entsolidarisierenden politischen Klasse und ihrer doppelten Buchführung ist. Gier ist wahrhaftig eine der wichtigsten Kräfte des (entfesselten) Kapitalismus. Und ich sehe Gier, Egoismus, doppelte Buchführung und Entsolidarisierung oben wie unten.

Professor Kernberg, einer der bekanntesten Psychoanalytiker der Gegenwart, rief in einer Rede vor einigen Jahren in Deutschland dazu auf, nach dem Hitler in uns zu suchen. Er bekam kaum Beifall. Das kann ich verstehen.

Samstag, 13. April 2013

Zypriotisches Rettungspaket: Kopfschütteln

Gestern abend habe ich mal wieder die Tagesschau geguckt und erfahren, daß Zypern nicht 17,5 sondern 23 Milliarden Euro benötigt. (Meldung auf N24) Während die EU-Finanzminister auf einem der vielen nicht mehr zu erinnernden Finanztreffen – jetzt in Dublin – über das Zypern-Hilfspaket beraten, kam ein Brief von Präsident Anastiasiades, in welchem dieser ankündigte, um mehr Hilfe zu bitten. Zyprische Diplomaten stellten klar: Dabei gehe es nicht um mehr Geld.

Irgendein EU-Sprecher , der von einer Pressekonferenz in Dublin eingeblendet wurde, erklärte den Journalisten, es seien Netto- mit Brutto-Beträgen verrechnet worden. Das sei so, als ob man Äpfel und Birnen miteinander verrechnet hätte und herausgekommen seien Orangen. Das sei aber nicht schlimm, meinte der Sprecher, über dessen Monatsgehalt ich leider nichts weiß, man habe ja Zypern sowieso erstmal nur 10 Milliarden Euro zugesagt.

Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie ich diese Meldungen kommentieren soll. Mir bleibt da einfach nur noch die Sprache weg. Ich habe den Eindruck, daß es in der europäischen Finanzpolitik zugeht wie in einer WG dauerbekiffter Studenten.



Die Europäische Zentralbank hat Datenmaterial über das Vermögen privater Haushalte in der Euro-Zone:
- Europas Phantom-Reichtum (Handelsblatt)
- Deutsche sind die Ärmsten im Euroraum (FAZ)

aus der FAZ stammt auch die folgende Grafik:



 Noch etwas off topic, aber auch mit Zahlen:
In der gestrigen Tagesschau sah ich auch einen Bericht über die Aufstockung des Hochschulpakts um 4,4 Milliarden Euro. Man habe mit 250.000 Studenten gerechnet, jetzt würden aber wohl etwa 630.000 Stundenten mit einem Studium beginnen. Das nenne ich vorausschauende Planung…

Freitag, 12. April 2013

What is a saint?

What is a saint? A saint is someone who has achieved a remote human possibility. It is impossible to say what that possibility is. I think that it has something to do with the energy of love. Contact with this energy results in the exercise of a kind of balance in the chaos of existence. A saint does not dissolve the chaos; if he did the world would have changed long ago. I do not think that a saint dissolves the chaos even for himself, for there is something arrogant and warlike in the notion of a man setting the universe in order. It is a kind of balance that is his glory. He rides the drifts like an escaped ski. His course is the caress of the hill. His track is a drawing of the snow in a moment of its particular arrangement with wind and rock.

Something in him so loves the world that he gives himself to the laws of gravity and chance. Far from flying with angels, he traces with the fidelity of a seismograph needle the state of the solid bloody landscape. His house is dangerous and finite, but he is at home in the world. He can love the shape of human beings, the fine and twisted shapes of the heart. It is good to have among us such men, such balancing monsters of love.
by Larry »Ratso« Sloman (L. Cohen, »Beautiful Losers«), angeblich zu finden auf www.leonardcohen.com



Montag, 8. April 2013

Die Vorschau von Mac OS X – ein oft verkanntes Genie

ein Artikel bei MacGadget mit einigen Infos, die mir bisher auch noch nicht bekannt waren

noch einige Tips und Tricks fürs iphone bei MacLife

Sonntag, 7. April 2013

Heute vor 94 Jahren – In Bayern wird die Räterepublik ausgerufen

Revolution in München 

Die Monate unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 waren in Deutschland eine Zeit der wirtschaftlichen Not, der politischen Wirren und der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rechten Nationalisten und linken Revolutionären. Das Gefüge der jungen demokratischen Republik drohte durch bürgerkriegsähnliche Aufstände und Putschversuche zu zerbrechen. 
 
Regierungstruppen im Kampf gegen Revolutionäre, april 1919

Als sich Ende 1918 abzeichnete, dass die Zukunft in einem parlamentarischen System liegen würde und die Wahlen zur Nationalversammlung anstanden, versuchten linksradikale Gruppen, ihr Ziel einer Räterepublik durch Streiks und Aktionen doch noch zu erreichen. Im Wittelsbacher Palais in München riefen sie am 7. April 1919 die »Räterepublik Baiern« aus. Dem Beispiel folgten andere bayerische Städte, letztlich blieben die Ereignisse aber auf München beschränkt. Schon nach sechs Tagen nahmen regierungstreue Truppen das Palais ein und setzten die führenden Köpfe gefangen. Die Landeshauptstadt konnten sie jedoch nicht vollständig unter ihre Kontrolle bringen, was die Münchner Kommunisten zur Ausrufung der »2. Räterepublik« nutzten. Diese hielt sich nur bis Anfang Mai. 

 Opfer der »Räterepublik Baiern« 
die Kämpfe in München forderten 606 Tote 
den Geiselerschießungen folgten Rachefeldzüge 
nach der Niederschlagung wurden Hunderte hingerichtet 
Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2013 



Freitag, 5. April 2013

Heute vor 136 Jahren – 5. April 1877: Gründung der Schiffswerft Blohm & Voss in Hamburg

Hoflieferant der kaiserlichen Marine 

Bis 1877 weideten Hamburger Rindviecher auf der Elbinsel Kuhwerder, dann rückten Baukolonnen an und errichteten auf 15000 qm eine Anlage zum Bau von Schiffen mit 250 m Wasserfront: die »Schiffswerft und Maschinenfabrik Blohm & Voss«. Am 5. April 1877 gründeten Hermann Blohm und Ernst Voss die Firma, die zum Synonym für Schiffsbau in Deutschland werden sollte. Mit den Aufträgen war es zu Beginn nicht weit her und so baute das Werk 1879 zunächst eine Bark auf eigene Rechnung, die bald nach der Fertigstellung an einen Hamburger Reeder verkauft werden konnte. 1882 wurden bereits acht Schiffe gebaut und ein Schwimmdock für das Reparaturgeschäft in Betrieb genommen. 
 
Bau der »Leviathan« auf der Werft Blohm & Voss, 1912

Die Flottenpolitik des Deutschen Reichs und die Marinebegeisterung des Kaisers bescherte dem Unternehmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen steilen Aufstieg. Bereits 1902 beschäftigte die Werft 4500 Mitarbeiter, die Anlagen wurden schnell und stetig ausgebaut, sodass Blohm & Voss 1906 über das größte geschlossene Werftgelände der Welt mit einer 3 km langen Wasserfront verfügte. 

Was am 5. April noch geschah: 
1722: Der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen entdeckt im Südpazifik die Osterinsel
Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2013 

Donnerstag, 4. April 2013

Nida-Rümelin, Marken in einer humanen Ökonomie: Optimierungsfallen vermeiden

Nach einer Erhebung im Auftrag der Zeitschrift Cicero ermittelte eine Studie im September 2008, welche Wissenschaftler und Intellektuelle Deutungsmacht beanspruchen können, weil sie am häufigsten in Leitmedien und wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden. Im Bereich Philosophie belegt Julian Nida-Rümelin den 3. Platz nach Jürgen Habermas und Peter Sloterdijk. (Wikipedia)



Prof. Nida-Rümelin auf Wikipedia
Das philosophische Radio mit Julian Nida-Rümelin über humanistische Bildung – Was verstehen Sie unter humaner Bildung? (Sendung vom 05.04.2013)
Nida-Rümelin-Artikel bei Cicero
Julian Nida-Rümelin, Johann Schulenburg, Benjamin Rath – Risikoethik (GoogleBooks)



Zur ZEIT-Akademie Philosophie


 

Mittwoch, 3. April 2013

Selbstbestimmung am Fließband

Die Editorials von Manfred Spitzer in der Zeitschrift »Neurologie« sind mir oft ein emotionaler und intellektueller Hochgenuß:

Das neueste hat den Titel »Selbstbestimmung am Fließband«

mehr von Spitzer auf meinem Psychoblog

Dienstag, 2. April 2013

das passiert, wenn sich Ärzte, insbesondere Chefärzte, über Bonusverträge beeinflussen lassen…

Skandal im Altmark-Klinikum Gardelegen

Wirbelsäulenzentrum Altmark (http://www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/1020949_Wirbelsaeulenzentrum.html)
Eröffnet wurde das Wirbelsäulenzentrum Altmark am 1. Juli 2011.
Dessen Leiter war von Anfang an der weißrussische Honorararzt aus Berlin, Dr. Michail T.
Als Hauptmotive für die Gründung nannte er moderne Behandlungsmethoden an die Patienten zu bringen und eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten.
Durch das Wirbelsäulenzentrum stieg der Umsatz des Klinikums um rund ein Drittel von 4,1 auf 5,65 Millionen Euro.

Chronologie des Skandals (http://www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/1021726_Chronologie-der-Ereignisse.html)
8. November 2012: Bei einer Pressekonferenz nach ersten Berichten wehrt sich Geschäftsführer Matthias Hahn gegen den Vorwurf von 62 unnötigen Operationen durch Dr. Michail T.
10. Dezember: Ein unabhängiger Gutachter nimmt seine Arbeit auf.
14. Dezember: Dr. Michail T. hat seinen letzten Arbeitstag vor dem geplanten Urlaub.
1. Februar 2013: Der Urlaub von Dr. T. ist vorüber, doch das Zentrum bleibt geschlossen. "Wir brauchen erst die Ergebnisse des Gutachters", sagt Aufsichtsratsvorsitzender Michael Ziche
11. Februar: Die ersten Ergebnisse liegen vor, 15 von 16 untersuchten Operationen waren unnötig.
12. Februar: Der Honorarvertrag mit T. wird gekündigt, Hahn freigestellt.

Neue Vorwürfe gegen Altmark-Klinikum (http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/stendal/klinikum-atmark-skandal100.html)
Im Skandal um unnötige Operationen gerät das Altmark-Klinikum in Gardelegen erneut in die Schlagzeilen. Nach Angaben der Altmark-Zeitung soll der Geschäftsführer besorgte Ärzte zu Eingriffen gedrängt haben, um den Umsatz zu steigern.
Wie die Zeitung berichtet, habe der Leiter des Wirbelsäulenzentrums, ein weißrussischer Honorararzt aus Berlin, den Alltag im Krankenhaus bestimmt. Seit Beginn der Arbeit des Honorararztes im Juli 2011 seien die Einnahmen des Klinikums in nur einem Jahr um 1,5 Millionen Euro gestiegen. Schon im September 2011 sollen besorgte Ärzte auf Unregelmäßigkeiten im Wirbelsäulenzentrum hingewiesen haben. Es sollen sogar unnötige Operationen durchgeführt worden sein. Daraufhin habe Geschäftsführer Matthias Hahn die Ärzte aufgefordert, den Hippokratischen Eid zu ignorieren, heißt es in der Zeitung.
Indes geht die Staatsanwaltschaft Hinweisen nach, wonach in dem umstrittenen Wirbelsäulenzentrum mehr als 60 Patienten unnötig operiert wurden. Ein Patient soll an den Folgen gestorben sein.

Klinikum Gardelegen feuert Geschäftsführer / Gutachten belegen reihenweise unnötige Operationen / Jetzt droht eine Klagewelle (http://www.az-online.de/lokales/altmarkkreis-salzwedel/gardelegen/klinikum-gardelegen-feuert-geschaeftsfuehrer-gutachten-belegen-reihenweise-unnoetige-operationen-2748761.html)
Salzwedel/Gardelegen. 15 unnötige Operationen, darunter ein Todesfall – gestern zog der Aufsichtsrat des Altmark-Klinikums die Notbremse. Geschäftsführer Matthias Hahn ist mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden, das Wirbelsäulenzentrum geschlossen, dessen Leiter gefeuert.
Aufsichtsratsvorsitzender Michael Ziche (M.) und Paul-Gerhardt-Diakonie-Vorstandsvorsitzender Dr. Ulrich Metzmacher traten gestern Abend vor die Presse, um die Trennung von Geschäftsführer Matthias Hahn zu verkünden.
Die Verantwortlichen rechnen jetzt mit einer Klagewelle von betroffenen Patienten und Krankenkassen.
Das Klinikum will schon jetzt Rücklagen bilden, um Schadensersatzansprüche von Patienten und Kassen zu befriedigen, sagte Michael Ziche.
Gestern Abend traten Teile des Aufsichtsrates vor die Medien, erstmals seit November. Hatten sie damals die Situation im Wirbelsäulenzentrum noch als „Rachefeldzug eines gefeuerten Chefarztes“ bezeichnet, so mussten sie gestern eingestehen, dass von nur 16 überprüften Operationen 15 ohne medizinische Notwendigkeit geschahen. Auf Grund der Gesamtsituation hat der Aufsichtsrat einstimmig die Trennung von Geschäftsführer Matthias Hahn beschlossen, erklärte Aufsichtsratsvorsitzender Michael Ziche. Die Gutachten sind an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, die gegen den Leiter des Wirbelsäulenzentrums wegen fahrlässiger Körperverletzung und Abrechnungsbetrugs ermittelt. (…)

per Mail übermittelt von
Dr. Bernd Lücke
Vorsitzender des Hartmannbundes
im Landesverband Niedersachsen


siehe auch
Das Ende der Schweigepflicht bei ZEIT-Online (Seite 4: Wirtschaftliches Interesse vs. Patientenwohl)

Montag, 1. April 2013

Heute vor 40 Jahren – 1. April 1973: Bertoluccis »Der letzte Tango in Paris« läuft in den deutschen Kinos an

»Der letzte Tango in Paris« ist ein Film von Bernardo Bertolucci, in welchem Paul, ein 45-jähriger Amerikaner (gespielt von Marlon Brando), seine Verzweiflung über den Suizid seiner Frau und seine Gefühle von Sinnlosigkeit durch sexuelle Ausschweifungen und das Übertreten gesellschaftlicher Konventionen (vergeblich) zu ertränken versucht.



Es hat sich einiges getan seither, was sich auch dadurch zeigt, daß der Zuschauer heute bei weitem nicht mehr so geschockt ist, von dem, was ihm auf der Leinwand dargeboten wird, wie dies vor 40 Jahren der Fall war. Diese Feststellung ist fast schon Selbstverständlichkeit, und diese Selbstverständlichkeit spricht für die Richtigkeit.
Hinweisen möchte ich aber vor allem darauf, wie der Film aufgenommen und rezensiert wurde: Neben Schulbadendenken vor allem bei den Feministen finden sich erstaunlich differenzierte und einfühlsame Interpretationen, was den Wikipedia-Artikel lesenswert macht.

Beispiel: 
Pauline Kael, eine der damals angesehensten Filmkritikerinnen der USA, hatte Brando 1966, als sich seine Karriere auf dem absteigenden Ast befand, als einen uramerikanischen Helden verteidigt, der groß und frei sei, weil er sich nicht an den Zielen einer korrumpierten Gesellschaft orientiere. (Dieses und alle weiteren Zitate stammen aus dem Wikipedia-Artikel.) »Kurz nach der Aufführung in New York lobte sie den Letzten Tango mit Überschwang und Superlativen. Der Tag seiner Uraufführung habe für die Filmgeschichte die gleiche Bedeutung wie die Premiere von Le sacre du printemps 1913 für die Geschichte der Musik. „Es gab keinen Tumult, niemand hat die Leinwand beworfen, aber ich glaube, man kann sagen dass das Publikum in einem Schockzustand war, weil ‚Der letzte Tango in Paris‘ in dieselbe hypnotische Erregung versetzt wie ‚Sacre‘ und dieselbe ursprüngliche Kraft hat.“
Der begeisterten Pauline Kael wurde unterstellt, sie habe das Werk auf einer niedrigen Bewusstseinsstufe konsumiert, das eigentliche Thema nicht erkannt und sei den Szenen der Unterwerfung der Frau durch Brando erlegen.[41]

Die Gegner des Werks argwöhnten oft, es sei als Kunst maskierte Pornografie. Der Stern sah „aggressive, animalische Sex-Szenen, die von einer bisher nicht gekannten Unmittelbarkeit und Hemmungslosigkeit sind, und gegen die gängige Porno-Streifen wie ein biederes Trimm-dich-Programm wirken.“[38]

Die katholische Film-Korrespondenz fand den Film ziemlich amerikanisch: „Der Pessimismus in der Andeutung des Rückzugs auf die Position ‚die Welt ist sowieso kaputt, ich lebe wie ich kann‘, verleihen diesem Werk eine Oberflächenstruktur, um nicht zu sagen Banalität, die in vielem der Position heutiger amerikanischer Intellektueller entspricht.“ Der Regisseur habe sich zu viel vorgenommen und leiste sich freudianische Vereinfachungen, habe aber große erzählerische Qualitäten: „Von diesem Film verbleibt eigentlich nur noch die Offenheit der Darstellung ganz persönlicher Welten, ein ungewöhnliches dramaturgisches Talent und eine sich den Personen der Schauspieler schöpferisch anpassende Arbeitsweise auf ganz hohem Niveau.“[72]

Die Bild-Zeitung ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, von Dezember 1972 bis nach dem deutschen Kinostart Ende März 1973 mindestens ein Dutzend Artikel herauszubringen, die im Zusammenhang mit dem Letzten Tango standen. Die meisten waren auf Sex und Skandal fokussiert, ließen aber keine bestimmte Haltung dem Film gegenüber erkennen.[112]

SPIEGEL Online: Ein Tango – nicht für den Karfreitag