Sonntag, 29. September 2013

Heute vor 17 Jahren – 29. September 1996: G7-Gipfel in Lyon beschließt Schuldenerlaß

Wir werden in den nächsten Jahren noch einige Male über Schuldenschnitte für südeuropäische Staaten hören.
Der Jahrestag des G7-Gipfels in Lyon bietet Anlaß für einige kritische Betrachtungen:


Erfahrungen mit Schuldenerlassmaßnahmen in den letzten 30 Jahren geben Anlass zu Skepsis. Trotz verschiedener Erlassmaßnahmen in den 1970er Jahren stiegen die Schulden der HIPC- (Hochverschuldete Entwicklungs-)Länder von 47 Mrd. US$ im Jahre 1980 auf 159 Mrd. US$ in 1990, um auf 169 Mrd. US$ in 1999 weiter anzuwachsen. Während den hochverschuldeten armen Ländern von 1987 bis 1997 Schulden in Höhe von 33 Mrd. US$ erlassen worden waren, stieg ihre Neuverschuldung im gleichen Zeitraum auf 41 Mrd. US$.[14] Häufig wurden neue Kredite aufgenommen, um den Schuldendienst für die nicht erlassenen Altkredite aufrechterhalten zu können.[15] Einer aktuellen Untersuchung der Weltbank zufolge haben von den 26 Ländern, die bisher Schuldenerleichterungen erhielten, 12 Länder schlechte Aussichten, mittelfristig ihre Schuldentragfähigkeit auf einem nachhaltigen Niveau zu halten. Ein Schuldenerlass zielt eigentlich darauf ab, die Armut in den HIPC-Staaten zu verringern und das Wirtschaftswachstum zu verbessern; keines der Ziele ist je erreicht worden.[16]  (Wikipedia)

Kritik:
Gegner des internationalen Schuldenerlasses argumentieren, dass hierdurch letztlich ein Blankoscheck an andere Regierungen ausgestellt wird, und es werden Befürchtungen geäußert, dass die Ersparnisse, die durch die Entschuldung erreicht werden, letztlich nicht der armen Bevölkerung zugutekommen. Andere wiederum argumentieren, dass viele Entwicklungsländer jetzt neue Schulden auf den internationalen Kapitalmärkten aufnehmen werden, weil sie davon ausgehen können, dass ihnen die Schulden erneut erlassen werden. Dieser Effekt wird auch als Bail-out bezeichnet. Letztlich würde das allenfalls die reichen Bevölkerungsgruppen dieser Schuldnerländer begünstigen, die wiederum ihr Geld nur im Ausland anlegen. Daher behaupten viele Kritiker, anstatt die Schulden zu erlassen, sollte man das Geld besser in konkrete Hilfsprojekte investieren, welche dann tatsächlich den armen Bevölkerungsschichten zugutekommen. Außerdem sei ein Schuldenerlass unfair gegenüber solchen Entwicklungsländern, die ihre Schuldentragfähigkeit im Griff hatten und in der Lage sind, rechtzeitig zu zahlen. Dies würde sogar solche Regierungen künftig von einem vernünftigen Schuldenmanagement abbringen und letztlich diese Länder ebenfalls in eine Verschuldungsspirale treiben. (Wikipedia)

- G7/G8: Kleine Gipfel-Geschichte – Von Rambouillet nach Heiligendamm (Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung)
- Der Fluch der guten Taten (ZEIT Online)
- Die G8, das internationale Finanzsystem und die Verschuldung des Südens (Netzwerk Friedenskooperative)
- Ist Afrika ein Vorbild? (Die Welt)
- Umwelt und Entwicklung, Rio: Fünf Jahre danach => HICP-Schuldeninitiative (Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik)

Heute vor 75 Jahren – 29. September 1938: Unterzeichnung des Münchener Abkommens

Friedensrettung oder Verrat? 

Anfang September 1938 hatte Reichskanzler Adolf Hitler unverhohlen mit dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei gedroht. Im Rahmen seiner sogenannten Appeasement-Politik (Beschwichtigungspolitik) traf sich der britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain im Laufe des Monats mehrfach zu Gesprächen mit Hitler, um in der Frage zu vermitteln und die drohende Kriegsgefahr zu bannen. Hitler sabotierte die Vermittlungsbemühungen – ein Krieg schien unvermeidlich. Die britische Regierung bat daraufhin den italienischen Duce Benito Mussolini zu vermitteln. 

Der britische premierminister Neville Chamberlain (r., mit Schnäuzer) trifft
in München ein, zu seiner Linken Außenminister Joachim Ribbentrop
 Vor 75 Jahren, in der Nacht vom 29. auf den 30. September 1938, unterzeichneten Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien das Münchner Abkommen, das die Abtretung des Sudetengebiets an das Deutsche Reich festschrieb. Die Deutschen sollten bis zum 10. Oktober das Gebiet besetzen. Im Gegenzug garantierten England und Frankreich den Bestand des tschechoslowakischen Reststaats. In Westeuropa feierte man die Rettung des Friedens, in der Tschechoslowakei betrauerte man den »Verrat« durch die Westmächte. Auch Hitler grollte, denn der von ihm gewollte Krieg war fürs Erste verhindert. 

Gebietszuwächse 1935-38 
1935: Eingliederung des Saarlands 
1936: Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland 
1938: »Anschluss« Österreichs 
1938: Eingliederung des Sudetengebiets 
Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013 

Freitag, 27. September 2013

Christlicher Glaube, das sechste Gebot und das Verstehen der Texte

Egal, ob man Christ ist oder nicht, das Christentum ist mit die Basis unserer Kultur.
Deshalb finde ich es wichtig, sich über bestimmte Sachverhalte Klarheit zu verschaffen.

Durch Zufall bin ich auf folgenden Text gestoßen:
- Wider das liberale Pseudochristentum (Nachrichtenbrief orgonomie.net, 27.04.2013)
… und habe dann weitergesucht:
- Elieser Segal, Du sollst nicht morden ... oder heißt es „Du sollst nicht töten“? Das Sechste Gebot und die Schwierigkeit der Übersetzung (Jüdische Allgemeine, 09.11.2006)

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Auf der Wartburg blieb Luther bis zum 1. März 1522 inkognito als „Junker Jörg“. Auf Anraten Melanchthons übersetzte er im Herbst 1521 das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Als Vorlage diente ihm ein Exemplar der griechischen Bibel des Erasmus von Rotterdam,[35] zusammen mit dessen eigener lateinischen Übersetzung sowie der Vulgata. Eine erste Auflage des Neuen Testamentes erschien im September 1522 („Septembertestament“). 1523 erschien die erste Teilübersetzung des Alten Testaments; beide zusammen erlebten bis 1525 bereits 22 autorisierte Auflagen und 110 Nachdrucke, so dass rund ein Drittel aller lesekundigen Deutschen dieses Buch besaß.[36] Bis 1534 übersetzte Luther zusammen mit einem Kreis aus Reformatoren und Professoren-Kollegen[37] das übrige Alte Testament aus damals wiederentdeckten Handschriften der Masoreten; beide Testamente zusammen – einschließlich der Apokryphen – bilden die berühmte Lutherbibel. (Martin Luther, Bibelübersetzung und sprachprägende WirkungWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Begriffe Tora(rolle), Pentateuch und Die fünf Bücher Mose meinen dasselbe:

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Die Tora macht einen großen erzählerischen Bogen. Es beginnt mit der Schöpfung und der Urzeit über die Erzväter AbrahamIsaak und Jakob, geht weiter über den Auszug aus Ägypten und den Bundesschluss am Berg Sinai mit der Bekanntgabe der Gesetze bis hin zur Wanderung durch die Wüste bis zur Ansiedlung im Gelobten Land Kanaan (heute Israel/Palästina) als Heilsgeschichte JHWHs. Von der Landnahme selbst berichtet die Tora nicht mehr; das folgt erst im Buch Josua, das die Geschichte weiterführt. In dieser Erzählung werden die vielen Bestimmungen, die nach der Tora Gott den Israeliten am Berg Sinai gegeben hat, ausführlich behandelt. Weil die Tora über weite Strecken ein reines Gesetzeskorpus darstellt, wurde sie zur Grundlage der religionsgesetzlichen Ausformung des rabbinischen Judentums und erhält von dorther ihre Bedeutung im Judentum bis heute. Nach traditioneller jüdischer Auffassung beinhaltet die Tora 613 Vorschriften, 248 Ge- und 365 Verbote. Die Tora ist thematisch in drei Hauptteile gegliedert:
  1. Urgeschichte und Erzväter-Erzählungen in Genesis. Sie behandeln noch nicht die Gesamtgeschichte Israels, sondern seine Vorgeschichte, die mit der Schöpfung der Welt, der Sintflut und der Berufung verschiedener Stammväter beginnt. Sie enthalten viele MythenLegenden und Ätiologien, in denen sich historische Erinnerungen nomadischer Sippen an die vorstaatliche Frühzeit der Israeliten verbergen.
  1. Die Bücher Exodus, Levitikus und Numeri stellen die eigentliche Heilsgeschichte des Volkes Israel vom Auszug aus Ägypten und Offenbarung der Zehn GeboteJHWHs am Sinai bis zur Landnahme Kanaans dar. Sie bilden daher eine thematische Einheit.
  1. Das Deuteronomium enthält keine Geschichtserzählungen mehr, sondern nur noch Mose zugeschriebene Reden und Gesetze, die überwiegend schon bekannte Toragebote aus der Sinaitradition übernehmen, variieren und kommentieren.
Diese drei Hauptteile durchziehen sieben große Themenkreise, die als eigenständige Komplexe ursprünglich mündlich überliefert wurden. Sie wurden schon in sehr frühen Glaubensbekenntnissen Gesamtisraels als Stationen einer Heilsgeschichte im sogenannten kleinen geschichtlichen Credo aneinandergereiht:
„5 … Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk. 6 Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. 7 Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis. 8 Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten, 9 er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen.“– (Dtn 26,5–9 EU)
Diese Reihung umgreift eine Geschichtsperiode von gut 500 Jahren von den nomadischen Anfängen Israels bis zur Besiedelung des fruchtbaren Landes Kanaan. Ihr entspricht die Verknüpfung der
  • Erzvätergeschichten [1]
  • mit der Josephserzählung [2],
  • dem Exodus der Israeliten aus Ägypten [3],
  • dem Zug durch die Wüste [4] und
  • der Eroberung zunächst des Ostjordanlandes, dann ganz Kanaans [5].
Die Themenkomplexe des Sinaibundes [6] und der Urgeschichte [7] fehlen noch in den alten Credoformeln Israels, da ihr Einbau in den Pentateuch relativ spät erfolgte. Kristallisationskern und ordnendes Zentrum der Überlieferung ist das Thema der Befreiung aus der Sklaverei, mit der JHWH sich erstmals unter seinem Namen offenbart und Israel zu seinem Bundesvolk „erwählt“ (Ex 3). Erst in der Begegnung mit den orientalischen Großmächten und ihrer kosmogonischen Mythologie stellte Israel sein Werden in den größeren Rahmen der Erschaffung der Welt. Die Urgeschichte am Anfang der Bibel ist also der letzte Themenkomplex, der dem Pentateuch zugewachsen ist. Diesen durchzieht ein Spannungsbogen von der Verheißung zur Erfüllung, bezogen besonders auf das Stichwort des „Landes“, das Gott durch Unterscheidung von Himmel und Urflut schuf (Gen 1,1–12), um es Mose kurz vor seinem Tod als Erbe Israels zum Segen für alle Völker (Gen 12,3) zu zeigen (Dtn 34,1–4). (Tora, Die übergreifenden ÜberlieferungskomplexeWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Zehn Gebote, auch Zehn Worte (hebr. עשרת הדיברות aseret ha-dibberot) oder Dekalog (altgr. δεκάλογος deka-logos) genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten (hebr. Mitzwot) des Gottes Israels, JHWH, im Tanach, der Hebräischen Bibel. Im Tanach existieren an zwei Textstellen zwei leicht unterschiedliche Fassungen. Sie sind als direkte Rede dieses Gottes an sein Volk, die Israeliten, formuliert, und fassen seinen Willen für das Verhalten ihm und den Mitmenschen gegenüber zusammen.
Sie haben im Judentum wie im Christentum zentralen Rang für die theologische Ethik und haben die Kirchengeschichte und die Kulturgeschichte Europas und des außereuropäischen Westens mitgeprägt. (Zehn GeboteWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Vom Dekalog gibt es zwei Fassungen, die in Details voneinander abweichen, und zwar im 2. Buch Mose (Exodus) und im 5. Buch Mose (Deuteronomium). (Zehn Gebote, WortlautWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Bibelübersetzung wird seit dem legendarischen Aristeasbrief (um 130 v. Chr.) traditionell mit dem lateinischen Zahlwort Septuaginta für 70 benannt. Der Name folgt damit der griechischen Eigenbezeichnung Κατὰ τοὺς ἑβδομήκοντα (Kata tous Hebdomêkonta = „gemäß den Siebzig“). Das Werk wird oft mit der römischen Zahl LXXoder dem Buchstaben  abgekürzt.
Der Legende nach übersetzten 72 jüdische Gelehrte in Alexandria die Tora (fünf Bücher Mose) in 72 Tagen aus dem Hebräischen ins Griechische. Dabei soll jeder Übersetzer für sich selbst gearbeitet haben, am Ende aber seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen: der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Die Zahl 72 wurde auf 70 abgerundet und erinnert an die siebzig Auserwählten, die mit Gottes Geist begabt wurden, um Mose bei der Rechtsprechung zu helfen (Num 11,24ff EU). Damit wurde auch die Verbalinspiration dieser Übersetzung betont.
Der Name wurde bis etwa 200 n. Chr. auf alle griechischen Erstübersetzungen biblischer Bücher und griechisch abgefasste heilige Schriften des Judentums ausgedehnt. Die Christen bezogen ihn auf diese Sammlung aller griechischsprachigen jüdischen heiligen Schriften, die sie als ihr Altes Testament übernahmen. (Septuaginta, NameWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Das sechste Gebot wurde aus dem Hebräischen übersetzt. (Wikipedia: Septuaginta)
Erst in jüngster Zeit ist im Sprachgebrauch ein Bedeutungswandel eingetreten: Das Fünfte Gebot wird inzwischen vielfach als unterschiedslos allgemeines Tötungsverbot verstanden. Dies aber gibt der hebräische Text so nicht her. Durch die unzulässige Ausweitung des Tötungsverbotes wird die Lutherübersetzung verfälscht. Im Alten Testament heißt es nämlich nicht "Lo tiktol" (allgemein "Du sollst nicht töten"), sondern "Lo tirzach" ("Du sollst nicht morden"). [Beantwortung der Frage aus dem Leserforum: Lautet das Fünfte Gebot "Du sollst nicht morden" oder "Du sollst nicht töten"? forum-treffpunkt-leben.de, 25.03.2006]
 Ganz so eindeutig ist der hebräische Urtext leider nicht. Der Wortstamm "razach", von dem das "lo tirzach" in Ex. 20,13 abgeleitet ist, bedeutet laut Gesenius, "Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch", "töten", "morden", aber auch "totschlagen" im Sinne eines nicht beabsichtigten Totschlags (S. 772). Hollenberg-Budde, "Hebräisches Schulbuch", bietet nur die Übersetzung "töten" an (S. 39). David Cassel, "Hebräisch-Deutsches Wörterbuch", bevorzugt an dieser Stelle die Übersetzung "morden", läßt aber auch "töten" und "hinrichten" zu (Seite 313). Das als Alternative angebotene "katal", hier abgeleitet "lo tiktal", wird in den drei zitierten Quellen allgemein mit "töten" übersetzt. Gesenius und Cassel verweisen aber auch auf das hiervon abgeleitete Hauptwort "ketel" gleich "Mord" (Seite 710 bzw. Seite 290). Luther hat also das Fünfte Gebot keineswegs falsch übersetzt; auch ist die rigorose Interpretation als generelles Tötungsverbot nicht ausgeschlossen. Allerdings räume ich ein, daß der alttestamentliche Kontext mit zahlreichen göttlichen Tötungsgeboten (zum Beispiel bei der Landnahme Israels) eher die von Elimar Schubbe bevorzugte Übersetzung ("Du sollst nicht morden") nahelegt. [Elimar Schubbe, Anmerkung der Redaktion, forum-treffpunkt-leben.de)
Der Text »Wider das liberale Pseudochristentum« enthält ein Zitat des Theologen Karl Dienst. Der gesamte Dienst-Text findet sich bei kreuzwacht.de als PDF.
In dem Text führt Dienst einige nachdenkenswerte Zitate des Gießener Philosophieprofessors Odo Marquard an (hier ab Seite 39):
„Was immer unsere Zeit sein mag: sie ist jedenfalls auch das Zeitalter der Wechselwirtschaft zwischen Utopien und Apokalypsen, zwischen Diesseitserlösungs-Enthusiasmus und Katastrophengewißheit, zwischen den Naherwartungen einerseits des Himmels auf Erden, andererseits der Hölle auf Erden, und jedenfalls zwischen Fortschrittsphilosophien und Verfallsphilosophien.“ (S. 34)
„Je mehr Krankheiten die Medizin besiegt, desto größer wird die Neigung, die Medizin selber zur Krankheit zu erklären; je mehr Lebensvorteile die Chemie der Menschheit bringt, umso mehr gerät sie in den Verdacht, ausschließlich zur Vergiftung der Menschheit erfunden zu sein.“ (S. 35)
„[…] stellvertretend nachgeholt durch den Aufstand gegen das, was nach 1945 an die Stelle der Diktatur getreten war; darum wurden auch die ‚Totems‘ gerade geschlachtet und die ‚Tabus‘ gerade gebrochen: nach der nachträglichen Fresswelle kam so die ideologische… Dadurch wird eine Demokratie zum nachträglichen Empörungsziel eines gegen die totalitäre Diktatur versäumten Aufstands.“ (S. 40, im Kapitel »Nachträglicher Ungehorsam«)
Dienst selbst:
Man möchte wenigstens heute „dagegen sein“, indem man die Vergangenheit auf die Couch legt und zu therapieren versucht. Die Moralkeule ist die schlimmste Waffe in diesem „Glaubenskrieg“ heutiger „Zivilreligion“. Das hat auch Tradition: Der Moralismus war schon immer die beste Waffe des „Ketzerklatsches“, mal religiös, mal politisch drapiert. […]Was mich am meisten bei dem „nachträglichen Ungehorsam“ bedrückt ist dies: Auf diese Weise wird jedes Gespräch, jede faire Auseinandersetzung von vorn herein unmöglich gemacht. Das Denunzieren wird zur Hauptbeschäftigung. Man braucht nur auf bestimmte Wörter und Bilder hinzuweisen, die der Andere benutzt, um ihn in eine bestimmte Ecke zu stellen und abzuqualifizieren. Das war übrigens eine Unart nicht nur von Jürgen Habermas, der dauernd von der „herrschaftsfreien Kommunikation“ redete, aber seinen Gegnern von vorn herein oft unlautere Motive unterstellte. Übrigens war das schon so bei der Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther; auch hier wurde vor allem zitiert statt argumentiert. Die grosse Gefahr eines solchen Verfahrens: Moral wird zum Vernunftersatz, Denunzieren ersetzt Verstehenwollen. Und das ist schlimm! (S. 40f.)

Das war jetzt ein großer Bogen von 700 v. Chr. bis heute. Hoffentlich ist keiner verlorengegangen!


Donnerstag, 26. September 2013

Persilscheine

Nicht nur sauber, sondern rein 

»Alles neu macht Persil«, lautete ein erfolgreicher Werbeslogan für das allseits bekannte deutsche Waschmittel. Auch einst braune Westen strahlten nach dem Zusammenbruch des Naziregimes wieder weiß. Dafür bedurfte es einer eidesstattlichen Erklärung eines von den Nationalsozialisten Verfolgten, dass am Verhalten des betreffenden NSDAP-Parteigenossen während der Jahre der Diktatur nichts auszusetzen gewesen sei. Mit solch einem »Persilschein« stand der Entnazifizierung nichts im Wege – und die war eine Zeit lang nötig, um Arbeit oder eine Wohnung zu erhalten. Der Begriff wurde später allgemein auf entsprechende Bescheinigungen der Alliierten übertragen, nach denen der Betreffende nur »Mitläufer« gewesen sei. 

Als Entnazifizierung wird das Maßnahmenbündel der Alliierten bezeichnet, mit dem alle Bereiche der deutschen Gesellschaft vom Einfluss des Nationalsozialismus befreit und Schuldige und Belastete ausgemacht werden sollten. Schon ab 1946 aber hatten die Westalliierten kaum noch Interesse an der Entnazifizierung. Im August 1947 waren nur mehr 1,6% der erfassten 800.000 NSDAP-Mitglieder arbeitslos. Auch Massenmördern und Folterknechten gelang es ohne große Schwierigkeiten, wieder Karriere zu machen.
Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2013

Mittwoch, 25. September 2013

Heute vor 500 Jahren: – 25. September 1513: Vasco Nuñez de Balboa erreicht den Pazifik

Die Entdeckung des »anderen Meeres« 

Seit dem 1. September 1513 befand sich der spanische Entdecker und Konquistador Vasco Nuñez  de Balboa (1475-1519) mit 190 Landsleuten und einigen Hundert Einheimischen auf dem beschwerlichen Weg quer durch die schmalste Stelle Zentralamerikas, das heutige Panama. Um die gefürchteten Spanier loszuwerden, hatte ein Stammesführer ihm von einem »anderen Meer« hinter den Bergen erzählt und von Gold, das es dort reichlich gäbe. Am 29. September 1513 näherte sich die Expedition einem Hügel, von dem man angeblich dieses andere Meer sehen konnte. 

»Vasco Nuñez de Balboa nimmt das Südmeer in Besitz«, zeitgenössischer Kupfersitch
 Nuñez befahl seinen Leuten haltzumachen und erstieg allein den Hügel. Als erster Europäer erblickte er heute vor 500 Jahren den Pazifik, das »mar dei sur«, wie er es nannte. Dann rief er auch die anderen herbei, um sie an dem historischen Moment teilhaben zu lassen. Vier Tage später schritt er nach der üblichen Art der Konquistadoren in voller Rüstung einige Schritte ins Meer und nahm es für die spanische Krone in Besitz. Mit Gold und Perlen kehrten die Spanier an die Ostküste zurück. Als der König davon hörte, ernannte er Nunez zum Gouverneur der Südsee.

Nuñez’ Ende
nach Intrigen bei Hof wurde Nuñez verhaftet 
in einem Prozess wegen Hochverrats zum Tode verurteilt
1519 in Panama enthauptet
Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013 

Montag, 23. September 2013

Heute vor 167 Jahren – 23. September 1846: Johann Gottfried Galle entdeckt den Neptun

Der achte Planet im Visier 

Der Astronom Johann Gottfried Galle (1812-1910) war ein renommierter und ausgezeichneter Wissenschaftler und offensichtlich auch ein bescheidener und aufrichtiger Mensch. Obwohl er als Erster den äußersten Planeten des Sonnensystems ausgemacht und beobachtet hatte, lehnte er es ab, als Entdecker des Neptuns zu gelten. Denn er hatte den entscheidenden Hinweis für seine Beobachtung von dem französischen Mathematiker und Astronom Urbain Le Verrier erhalten. 


Wie auch ein englischer Kollege hatte Le Verrier aus Störungen der Umlaufbahn des Planeten Uranus die Theorie entwickelt, dass ein noch unbekannter Planet dafür verantwortlich sein könnte. Am 23. September erhielt Galle in Berlin einen entsprechenden Brief von Le Verrier mit den von ihm errechneten Koordinaten. Gemeinsam mit seinem Assistenten Heinrich Louis d'Arrest gelang es Galle in der Berliner Sternwarte innerhalb einer Stunde, Neptun nahe der angegebenen Position auszumachen. Zum Gedenken an die wissenschaftlichen Verdienste Galles tragen je ein Krater auf dem Mars und auf dem Mond sowie ein Ring des Saturns seinen Namen. 

Neptun 
■ viertgrößter Planet des Sonnensystems 
■ zählt wie Jupiter, Saturn und Uranus zu den äußeren Planeten 
■ bisher sind 13 Monde von Neptun ausgemacht 
Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013

Sonntag, 22. September 2013

Heute vor 891 Jahren – 23. September 1122: Das Wormser Konkordat beendet den Investiturstreit

Machtkampf zwischen Papst und Königen 

Der Konflikt um das Recht der Investitur, der Einsetzung von Bischöfen und Äbten, überschattete im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert rund 50 Jahre lang das Verhältnis zwischen dem Papsttum und europäischen Königen, vor allem den deutschen, französischen und englischen Königen bzw. dem Kaiser.

Nach alter Tradition setzte der deutsche König die Bischöfe seines Machtbereichs mittels der Übergabe von Ring und Stab in ihr Amt ein. Diese Praxis wurde lange auch vom Heiligen Stuhl in Rom akzeptiert. Unter dem Einfluss der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts wurde die Laieninvestitur, die Übertragung eines kirchlichen Amtes durch einen weltlichen Herrn, jedoch ausdrücklich untersagt. Nun galt der König nicht als reiner Laie, und erst in der Auseinandersetzung um die Neubesetzung des Mailänder Erzbistums eskalierte 1073 der Streit. Ein grundsätzlicher Kampf zwischen geistlicher und weltlicher Macht brach aus. Die Lösung fand erst das Wormser Konkordat von 1122, das einen doppelten Einsetzungsakt für die Reichsbischöfe durch König und Papst vorsah.
Brockhaus – Abenteuer Geschichte 2013 

Heute vor zehn Jahren – 22. September 2003: Colosseum auf dem Jazz-Festival Viersen

Colosseum wurde 1968 vom Schlagzeuger Jon Hiseman und dem Saxophonisten Dick Heckstall-Smith gegründet. Das vielschichtige instrumentale Spektrum wurde 1970 durch den Rhythm-and-Blues-Sänger Chris Farlowe noch erweitert. (Wikipedia)

Vor zehn Jahren trat die Band auf dem Jazz-Festival Viersen auf:
Colosseum - Rockpalast (2003) - FULL 58 min [58:53]

Hochgeladen am 11.12.2011
Felállás/Line-up:

Chris Farlowe - vocals
Mark Clarke - bass, vocals
Clem Clempson - guitar, vocals
Dave Greenslade - keyboard
Barbara Thompson - saxes
Jon Hiseman - drums

Setlist:

01 - Tomorrow's Blues
02 - Interview w. Jon Hiseman Pt. I
03 - I Could Tell You Tales
04 - Interview Jon Hiseman Pt. II
05 - Valentyne Suite
06 - Interview w. Jon Hiseman Pt. III
07 - Lost Angeles
08 - In The Heat Of The Nite

Colosseum: The Complete Reunion Concert 1994 - FULL:
http://www.youtube.com/watch?v=eKrSnZ...


Colosseum: The Complete Reunion Concert 1994 - FULL [1:51:55]

Hochgeladen am 24.12.2011
Mark Clarke: Bass guitar, vocals.
Dave "Clem" Clempson: Guitars, vocals.
Chris Farlowe: Vocals.
Dave Greenslade: Keyboards EMU Proteus 2 & Roland U20, Hammond Organ, Vibraphone, vocals.
Dick Heckstall-Smith: Saxophones.
Jon Hiseman: Drums, percussion, cymbals.

Setlist:

01. Those About To Die
02. Skelington
03. Elegy
04. Tanglewood '63 The Valentyne Suite
05. January's Search
06. February's Valentyne
07. The Grass Is Always Greener
08. Rope Ladder To The Moon
09. Theme For An Imaginary Western
10. The Machine Demands Another Sacrifice
11. Solo Colonia (Drumsolo)
12. Lost Angeles
13. Stormy Monday Blues
14. Walking In The Park

Colosseum - Rockpalast (2003) - FULL 58 min:
http://www.youtube.com/watch?v=HZNM2K...


Und eines der Stücke von Colosseum, das mir am besten gefällt:
Tanglewood ’63, unvergessen, wenn Dick Heckstall-Smith (2004 an Krebs gestorben) Saxophon und Klarinette zusammen spielte…
COLOSSEUM LIVE Beat Club 1970 & Paris 1971, part 1 [17:41]
Veröffentlicht am 30.10.2013
COLOSSEUM LIVE Beat Club 1970, Paris 1971, part 1
The Machine Demands a Sacrifice, Tanglewood ´63, Take Me Back to Doomsday (beginning) Beat Club 1970

unvergessen auch ihre Valentyne Suite:
Colosseum - Valentyne Suite - Live - Montreux (1969) (Remastered) [14:48]
Veröffentlicht am 05.10.2014
Recorded live at Montreux Jazz Festival, Switzerland, June 22, 1969
Audio Remastered by BrunoSamppa, 2014

bei 11:13 eine kurze Reminiszenz an »Whiter Shade of Pale«

  1. "Valentyne Suite Theme One: January's Search" (Dave Greenslade)
  2. "Valentyne Suite Theme Two: February's Valentyne" (Greenslade)
  3. "Valentyne Suite Theme Three: The Grass is Always Greener" (Heckstall-Smith, Hiseman) 


zuletzt aktualisiert am 12.06.2016

Donnerstag, 19. September 2013

Deutschland hat Merkel verdient oder Wahlkampf im Pädophilie-Gulli

Die empörte Debatte um die Pädophilie-Vergangenheit der Grünen finde ich schwer erträglich.
Grüne Pädophilie-Debatte – Trittins Flucht nach vorn (tagesschau.de)
Politologe Franz Walter verteidigt Trittin gegen Rücktrittsforderungen (Tagesspiegel)
Wer sich Zeit nehmen möchte, kann hier lesen, wie es einem Mann mit einem kleinen Mädchen in der Badewanne damals erging.

Ich finde es furchtbar, wie schnell Urteile gefällt werden und Dinge, die vor über 30 Jahren geschahen, ohne Wissen um den Hintergrund mit der Meßlatte heutigen Wissens beurteilt werden.

 

 
Es ist schade, aber in der Natur der Dinge liegend, daß die Suche nach Neuem oder Anderem mit Fehlern behaftet ist, die später souverän und selbstgerecht verurteilt werden können.
Und es liegt auch anscheinend in der Natur der Dinge, daß Ideen von Leuten vereinnahmt werden, die glauben – wie die Stadtindianer (bis heute noch nie von denen gehört) –, im Windschatten anderer ihr eigenes Süppchen kochen zu können:
Auch schon in Lüdenscheid haben die Stadtindianer unerträglichen Druck gemacht, viele Delegierte sind erschöpft von den entnervenden Debatten und wollen nicht als intolerant dastehen, so stimmen sie der Forderung der Gruppe zu, die in falscher Solidarität Schwule und Päderasten vereint. Erst als der Sturm der Entrüstung losbricht, merken die Grünen, was sie da angerichtet haben. Ein Sonderparteitag schwächt die Passagen ab. "Wir wollen euch nicht hören!" rufen viele Delegierte, als die Stadtindianer das Mikrofon erobern. Auf die Idee aber, dass die Truppe da vorne ein Fall für Polizei und Jugendamt wäre, kommt offenbar niemand. (aus der Süddeutschen, 26.05.2013)


"Jagt mich nicht für etwas, was ich nicht getan habe" (Welt, 20.04.2013)
Zeitgeist förderte bei Grünen gefährliche Tendenzen (Welt, 14.05.2013)
Die Nürnberger "Stadtindianer-Kommune" gibt es noch (nordbayern.de, 23.05.2013)
Kommentar Pädophilie-Debatte – Kulturkampf von rechts (taz, 18.09.2013)

Die Suche nach Selbstbestimmung – und damit war auch die Selbstbestimmung von Kindern gemeint – war damals Thema. Und es ging in der damaligen Diskussion der Grünen nie um die Bedürfnisse der Erwachsenen, sondern einzig um die Bedürfnisse der Kinder. Gesellschaftspolitisch Progressive wagten sich auf unbekanntes Terrain vor, wozu Konservative einfach zu feige waren. (Politisch konservative Hirne waren schon immer in der Tendenz alternativlos. Es ist einfach nicht vorstellbar, daß die Kübel selbstgerechter Häme, die jetzt über Daniel Cohn-Bendit und Jürgen Trittin ausgekippt werden, auch einmal einen Politiker der jetzigen Regierungsparteien treffen.)


Zur Frage, was Trittin eigentlich getan hat (das geht ja schnell unter):

Jürgen Trittin, damals Student und einer der Göttinger Kandidaten für den Stadtrat, zeichnete 1981 in einem Papier des Kommunalwahlkampfes »Programm für Göttingen« mit vier anderen Personen verantwortlich im Sinne des Presserechts.

Auf Seite 33 fordert die Alternativ-Grüne-Initiativen-Liste Göttingen (AGIL) im Kapitel „Schwule und Lesben“ Änderungen im Sexualstrafrecht: zum einen die Abschaffung des Paragrafen 175, der damals noch sexuelle Kontakte mit Homosexuellen unter 21 Jahren unter Strafe stellte. Darüber hinaus wird die Forderung erhoben, die Paragrafen 174 und 176 des Strafgesetzbuchs so zu fassen, „dass nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder der Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses unter Strafe stehen“.
[…]
Die Forderungen im Kapitel „Schwule und Lesben“ hatte die AGIL [Alternativ-Grüne-Initiativen-Liste Göttingen] damals komplett von der „Homosexuellen Aktion Göttingen“ schreiben lassen, die die Seite auch unterzeichnet hat. Dieses Prozedere sei „nicht ungewöhnlich für die Grünen in dieser Zeit, die sich damals als Sammlungskraft für sehr unterschiedliche Bewegungen verstanden“, analysiert der Politologe Franz Walter. Dazu habe auch gehört, „verschiedensten Gruppierungen als Plattform zu dienen und ihnen Raum zu geben“.
[…]
Die Forderung nach einer strafrechtlichen Freistellung von Pädophilie findet sich schon 1980 im ersten Grundsatzprogramm der Grünen im Kapitel „Gegen die Diskriminierung von sexuellen Außenseitern“ – damals noch mit dem Hinweis versehen, dass die Partei sich mit den Auswirkungen dieser Straftatbestände noch intensiv auseinandersetzen müsse. Ab Mitte der 80er Jahre stießen pädophilenfreundliche Positionen bei den Grünen immer stärker auf Kritik, nicht zuletzt durch den Widerspruch von Feministinnen. 1989 distanzierte sich der Bundeshauptausschuss der Grünen schließlich klar von diesen Positionen. (aus dem Tagesspiegel vom 16.09.2013 – Hervorhebungen von mir –, ich mußte über eine Stunde im Internet suchen, bis ich genauere Informationen darüber fand, was Jürgen Trittin eigentlich genau getan hat. Das spricht für sich.)

Kuscheln mit den Indianern (taz vom 22.04.2010)
Die grünen Pädophilen (schnutzel.blog.de, 17.09.2013)

In dieser Atmosphäre und in der Wahlkampf-Zeit haben die Grünen das Format, einen unabhängigen Wissenschaftler, Franz Walter, mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte zu beauftragen, und er hat die Freiheit, alles zu jedem ihm genehmen Zeitpunkt zu berichten.

Franz Walter soll Grünen-Vergangenheit aufklären (ZEIT, 24.05.2013; beachte auch die Kommentare!)
So etwas gehört gewürdigt, und ich drücke Jürgen Trittin alle verfügbaren Daumen, daß er genügend Deutsche-Eiche-Format besitzt, es auszuhalten, wenn die Wildschweine sich an ihm reiben. Aber in dieser Zeit ist anscheinend nicht genügend Raum, um den Mut dieser Partei zu würdigen. Es ist ja so verführerisch, sich in den Fehlern der anderen zu suhlen.

Dany le Rouge, wie sich Daniel Cohn-Bendit nennen ließ, veröffentlichte sein Buch „Der große Basar“ im Jahr 1975. Es berichtet von seiner Zeit als Kindergärtner in der Frankfurter Sponti-Szene. „Mein ständiger Flirt mit den Kindern nahm erotische Züge an“, heißt es darin und „es kam vor, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln“.
Er habe zurückgestreichelt, behauptet Cohn-Bendit in dem Buch.
[…] Einer Tat ist Cohn-Bendit nie beschuldigt worden. Kein von ihm betreutes Kind hat ihm Missbrauch vorgeworfen. Es sind seine Worte, die ihn verfolgen, und inzwischen nicht mehr nur ihn. Die Debatte um Cohn-Bendit ist zu einer Debatte über „die pädophile Vergangenheit“ seiner Partei geworden.
[] Ende der Sechzigerjahre diskutierten in der BRD auch Sexualwissenschaftler und Kriminologen über einen neuen Umgang mit sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen.
[…] Die sexuelle Revolution fegte mit dem, was ihre Anhänger für verklemmt und spießig hielten auch viele Bedenken beiseite. Noch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik war das gesellschaftliche Klima geprägt von tabuisierter, unterdrückter Sexualität, erklärt Sexualwissenschaftlerin Sophinette Becker. Überall habe man sexuell Verbotenes gewittert, warnte vor dem „bösen fremden Onkel“ und übersah den Inzest in der eigenen Familie.
Erst die sexuelle Liberalisierung der späten Sechzigerjahre führte schließlich zu einer Liberalisierung des Sexualstrafrechts. Gleichwohl war es auch in den Achtzigerjahren noch restriktiv. Ersatzlos gestrichen wurde der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches in der BRD erst 1994, in der DDR bereits 1988. Am „sittlichen Empfinden“ weiter Teile der Bevölkerung änderte die Strafrechtsreform zunächst nichts. Homosexualität galt noch lange Zeit danach als „widernatürlich“.
Den Grünen ging es darum, überkommene Verbote zu beseitigen. „Der Topos dieser Zeit war, dass die Unterdrückung der Sexualität zu psychischen Störungen und damit zu einer unfreien Gesellschaft führt“, schreibt Becker.
  (Die Grünen und ihr Umgang mit Pädophilie, Frankfurter Rundschau Online, 16.05.2013)


Der Focus vom 17.05.2013 zitiert aus Cohn-Bendits Buch folgendermaßen:
„Mein ständiger Flirt mit den Kindern nahm erotische Züge an. Es ist mir mehrmals passiert, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. Das stellte mich vor Probleme. Aber wenn sie darauf bestanden haben, habe ich sie dennoch gestreichelt.“

Beim Vergleich mit dem Text der Frankfurter Rundschau fällt auf, daß bei der Rundschau folgender Satz fehlt: »Das stellte mich vor Probleme.« Aber daß Cohn-Bendit mit dem Explorationsbedürfnis der Kinder Probleme hatte, paßt nicht ins Pädophilie-Bild. Wir fragen auch lieber nicht nach, welche Probleme das waren. Das stört das klare Bild.

Ich frage: Warum kann solch ein Text einzig und allein durch die Pädophilie-Brille gelesen und verstanden werden? Warum ist es kaum möglich, Cohn-Bendits Handeln als falsch verstandenen Versuch zu sehen, Kinder vor einem »Nein!« zu schützen? Warum muß sein Handeln als Ausdruck seiner sexuellen Bedürfnisse und Orientierung interpretiert werden? (auf vielfliegertreff bezeichnet Ostschneiser [Post #3, 22.07.2013] Cohn-Bendit als bekennenden Pädophilen) Muß ich jetzt selbst Angst davor haben, als Pädophiler oder Dulder von Kindesmißbrauch dazustehen?


Sex ist auch heute noch ein wirksamer Katalysator zur öffentlichen Meinungsmache.

Die Grünen werden aufgerufen, sich um die Opfer ihrer falschen Politik der Pädophilie-Duldung zu kümmern.
Gibt es irgend jemanden, der das Format hat, sich für den Paragraphen 175 StGB zu entschuldigen und jemanden, der sich für die durch ihn beschädigten Seelen kümmert? 

(Ab 1973 »waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar, wogegen das Schutzalter bei lesbischen und heterosexuellen Handlungen bei 14 Jahren lag.« aus Wikipedia)


aus Wikipedia:
Eine Verhaftungs- und Prozesswelle in Frankfurt am Main zeigte 1950/51 erschütternde Folgen:
„Ein Neunzehnjähriger springt vom Goetheturm, nachdem er eine gerichtliche Vorladung erhalten hat, ein anderer flieht nach Südamerika, ein weiterer in die Schweiz, ein Zahntechniker und sein Freund vergiften sich mit Leuchtgas. Insgesamt werden sechs Selbstmorde bekannt. Viele der Beschuldigten verlieren ihre Stellung.“[15]
[…]
Fünf Jahre später rechtfertigte 1962 der unter Konrad Adenauer vorgelegte Regierungsentwurf eines Strafgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland[19] – entgegen dem Vorschlag der Großen Strafrechtskommission von 1959 (wo Vertreter von CDU/CSU selten anwesend waren)[20] – die Aufrechterhaltung des § 175 wie folgt:
„Vor allem stände auch für die Homosexuellen nichts im Wege, ihre nähere Umgebung durch Zusammenleben in eheähnlichen Verhältnissen zu belästigen.[21] […] Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde.“[22]
und meinte weiterhin:
„Die von interessierten Kreisen in den letzten Jahrzehnten wiederholt aufgestellte Behauptung, dass es sich bei dem gleichgeschlechtlichen Verkehr um einen natürlichen und deshalb nicht anstößigen Trieb handele, kann nur als Zweckbehauptung zurückgewiesen werden. […] Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“[23]
Durch das 1. StrRG vom 25. Juni 1969 […] entfiel nun auch § 175b (Sodomie).



Ein Freund von mir erzählte mir in den 80ern, seine kleine Tochter habe in der Badewanne angefangen seinen Schwanz zu lutschen. Er sei vor Schreck wie erstarrt gewesen und habe nicht gewußt, was er tun solle, das dann aber abgebrochen. Er fühle sich so oder so schuldig.
Ein Pädophiler? Quatsch! Wir haben mit Inbrunst versucht, unsere Kinder ohne unterdrückende Strukturen zu erziehen:

Damit schlägt aber die väterliche Macht in Gewalt um und die ‹Rollenharmonie› zwischen den einzelnen Familienangehörigen, in erster Linie die zwischen Vater und Sohn, hört auf [1]: Der ‹Kampf der Geschlechter› und der ‹Generationenkonflikt› beginnen wichtig zu werden. Eine ihrer Folgeerscheinungen sind die Neurosen.
Sie treten auf, wenn die kämpferische Auseinandersetzung mit den Autoritäten nicht geleistet werden kann, und zeigen sich in Krankheitserscheinungen, die aggressive, vor allem aber sexuelle Themen zum Ausdruck bringen. Tun und Lassen sind durch ein früh errichtetes ängstendes Gewissen mit seinen Ge- und Verboten geregelt. Der Kranke ist in diesem ‹von selbst› funktionierenden Verhalten gebunden und gefangen.


[…] lohnt die Lektüre trotzdem, da [der Text] sowohl den Protest 68er Bewegung psychologisch vorwegnimmt als auch die angeblich durch diese entstandenen Erziehungsprobleme in einen größeren Zusammenhang stellt. In Bezug auf die Erwerbssituation wie auch die Stellung der Väter in der Erziehung ist der fast 50 Jahre alte Text auch noch heute aktuell.
[Zur Soziologie der Psychoanalyse, Post vom 27. März 2008]

Ein Mann, der sich stundenlang mit mir über alles mögliche unterhalten hat, in dem Bestreben, in diesem Land etwas zum Positiven hin zu verändern. Wenn ich mir die heutigen Rettungsschirm-, NSA- oder Out-of-area-Eingriffs-Diskussionen anhöre, wünsche ich mir die 70er und 80er zurück! Die bedrückende Alternativlosigkeit, der zunehmende Materialismus und die fortschreitende Unterhöhlung von Arbeitnehmerrechten der heutigen Zeit kotzen mich einfach nur an!

Und nun muß ich mir mitansehen, wie die Suchenden von damals sich mit Dreck beschmeißen lassen müssen von Leuten, die nie den Mut des Aufbegehrens hatten, die sich im Laufen mit der Meute sicher fühlen, den ewigen Abnickern, die ihre Wut über das eigene ungelebte Leben nun an den Suchern von damals ablassen, um ihr eigenes Versagen zu rechtfertigen. Einfach nur ekelhaft!


Ich zitiere mich selbst:

… an dieser Stelle meinen herzlichen Glückwunsch und meine Anerkennung an alle, die diesen Weg gegangen sind und einiges an Federn – wenn nicht mehr – gelassen haben. […] Wir wollten die Welt verändern, weil wir sie unerträglich fanden und uns mitverantwortlich fühlten (und auch immer noch fühlen). Das Ergebnis ist, daß ich mir ab und zu schon wie ein Dinosaurier vorkomme und mich über Dinge freue, die für ganz viele inzwischen selbstverständlich sind. Ob es um Emanzipation, Umwelt- oder globales Bewußtsein, Meditation, Spiritualität oder Sexualität geht: Wir haben einiges erreicht. Ich wünsche künftigen Generationen, daß sie das von sich auch sagen können… [Geburtstag vom 2. Mai 2008]

Wir haben am nächsten Wochenende die Wahl zwischen einer Kanzlerin, von der wir nicht wissen, wo sie steht und was sie will und einem Kanzlerkandidaten, der, nach seinem Verhältnis zu den Medien gefragt, den Mut hat, den Stinkefinger zu zeigen. Wir haben Medien, die sich nicht entblöden, zu fragen, ob Steinbrück damit den Wähler beleidigt und eine FDP-Type, die meint, dieser Mann habe nicht das Format für das Amt des Bundeskanzlers, weil er sich nicht unter Kontrolle habe.
Günther Jauch, Endpurt im Wahlkampf – Wer kann jetzt noch punkten (00:14, Mediathek, Das Erste)
Und wir haben ein Volk, dem die konturlose Angela lieber ist als ein Mann mit Ecken und Kanten:
Deutschland hat Angela verdient.

Vielleicht liege ich ja völlig falsch. Vielleicht wollen die Menschen keine andere Gesellschaft, vielleicht wollen sie einfach nur ein Auto:

Die Meinung der Arbeiter über Studenten der 68er-Bewegung [0:43]

Veröffentlicht am 21.08.2012
Gegen-Sozialismus.jimdo.com
Zitat:»Irgendwie wollten die Arbeiter nicht das richtige Klassenbewußtsein eintwickeln. Vielleicht wollten sie lieber einen Opel Kadett… Dutschke & Co. hofften auf ein Proletariat, das es nicht gab.«
Nachtrag vom 24. September 2013:

Wenn man die Hippies und die 68er als den Aufstand gegen die Väter interpretiert, haben wir mit Angela I., wie sie nach der gewonnene Bundestagswahl auch genannt wird, die Supermama, die ein ganzes Volk an der Brust in den Schlaf wiegt. Vom Aufstand gegen die Väter zur mütterlichen Schlaftablette: mehr geht wohl nicht, die Sinusurve ist an ihrem Maximum angekommen. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Jahre:

- Der Rettungsschirm für Griechenland wird nicht funktionieren.
- Kritik an Ausländern und dem Islam wird automatisch politisch korrekt in die rechte Schublade verfrachtet, und unser Staat wirft sich der überzogenen Ansprüchlichkeit sei es von jüdischer sei es von islamischer Seite aus falsch verstandener Toleranz an den Hals (siehe z. B. Staatsvertrag mit Muslimen beschlossen, WELT, 14.06.2013). Eine offene Diskussion halten wir anscheinend nicht aus.
- Die Sozialsysteme sind überlastet, der Kapitalismus frißt sich selbst auf.
- Wir haben keine westliche Systemtheorie, die mit Phänomenen wie der NSA-Affäre oder der Problematik des arabischen Frühlings denkerisch umzugehen imstande ist.
- Sprache wird mißbraucht, Gesetze unterlaufen, Beispiel: Statt die Wehrpflicht abzuschaffen, was eine Grundgesetzänderung notwendig machen würde, wird sie einfach nur ausgesetzt.

zuletzt aktualisiert am 13.06.2015