Montag, 14. Januar 2013

Redewendung

Wenn jemand wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verfehlungen öffentlich in vehementer Form bloßgestellt wird, heißt es häufig, er werde »an den Pranger gestellt«. Reale Pranger gibt es schon seit Langem nicht mehr, ihre Wirkung war jedoch offensichtlich so stark, dass sie sprachlich im Gedächtnis der Menschen blieben.



Am Schandpfahl zur Schau gestellt 

 Der Pranger war ein mittelalterliches Strafwerkzeug, das wie auch der Eselsritt oder der Schandkorb vor allem der Vollstreckung von Ehrenstrafen diente und dem Bestraften in aller Regel das gesellschaftliche Ansehen raubte. Die Strafe des Anprangerns gehört in eine ganze Reihe von Strafmaßnahmen, die heute martialisch und grausam anmuten. 


Pranger in Berkastel-Kues [gefunden bei Volksfreund.de]
 Angeprangert wurden die Unglücklichen auf unterschiedliche Weise. Meist trugen sie ein Halseisen, das mit einer Kette am Rathaus oder der Kirche befestigt war, mitunter mussten sie angekettet auf einem Pfahl sitzen oder man schloss sie in einen drehbaren Käfig ein. Häufige Verwendung fanden auch zwei mit Scharnieren verbundene Bretter mit Aussparungen, in die der Verurteilte Hals und Arme zu legen hatte. Immer stand der Pranger an einem belebten Ort der Stadt. Die Zurschaustellung des Täters und der Strafe als abschreckendes Exempel war schließlich Sinn der Sache. Passanten und Schaulustige zeigten mit dem Finger auf die Angeprangerten und verspotteten sie, auch durften sie bespuckt werden, zuweilen flogen sogar Steine. Als der Schriftsteller Daniel Defoe 1704 (Wikipedia: 1703) wegen »Verhöhnung der Kirche« in London am Pranger stand, hatte die Justiz allerdings die Rechnung ohne das Volk gemacht: Es feierte den Angeprangerten und bewarf ihn mit Blumen. 
 Brockhaus - Abenteuer Geschichte 2013 

Vor 52 Jahren: Wenn der Trolleybus kam, flogen die Funken

Idar vor 50 Jahren: Wenn der Trolleybus kam, flogen die Funken

Idar-Oberstein - Aus heutiger Sicht war der ehemalige Idar-Obersteiner Stadtbürgermeister Ludwig Bergér ein weit vorausdenkender Mensch. Er war es nämlich, der 1930 die Idee hatte, eine Buslinie zwischen Idar und Tiefenstein einzurichten. Aber das sollte keine normale Linie mit normalen Bussen werden, sondern nach englischem Vorbild sollten Trolleybusse verkehren. Diese hatten keinen Benzinmotor, sondern wurden mit Strom angetrieben. Dieser kam über zwei Stangen, die an Oberleitungskabel hingen. Aus heutiger Sicht, ein überaus innovativer Schritt.
 Aufsehenerregend war die Wende des Trolleybusses 
an den Endhaltepunkten in Tiefenstein und am Hotel 
Schwan (Foto) in Idar. Auf dem Bild oben der erste 
der Elektrobusse im Jahr 1934, unten das 
Nachfolgemodell an gleicher Stelle.
Solch eine technische Sensation musste natürlich erst einmal begutachtet werden. Also machte sich Bergér und eine Delegation unter der Leitung von Edelsteinhändler Heinrich Albert Becker 1930 auf nach England. Das was sie dort sahen, muss ihnen gefallen haben. Und so kam es, dass 1932 die erste Fahrt eines Trolleybusses von Idar nach Tiefenstein und zurück durchgeführt werden konnte.
Wie revolutionär diese Entscheidung war, belegt die Tatsache, dass die Linie Tiefenstein-Idar erst die zweite Trolleybusstrecke in Deutschland überhaupt war, die andere verkehrte in Düsseldorf-Mettmann. 1956 war es dann auch soweit, dass man den Trolleybus von Idar nach Oberstein (Endstation Bahnhof) einsetzte. Die gute alte Straßenbahn, die bis dahin die beiden großen Stadtteile miteinander verbunden hatte, wurde ausrangiert. Von nun an wackelte "de Droht" in drei Stadtteilen. Die Ära des fortschrittlichen Elektrobusses ging 1969 zu Ende. Heute könnte er vielleicht wieder als fortschrittlich gelten. Was übrig blieb ist unter anderem der Name der Endstation Rodter Mühle in Tiefenstein, der heute noch im Volksmund als "de Wenneplatz" bekannt ist.

Das Nachfolgemodell in den 1950er-Jahren
In Idar war dieser Wendeplatz in der heutigen Fissler-Einfahrt gegenüber vom Schwan-Hotel. Das umständliche Wendemanöver war aber kein Problem, weil damals erst wenige andere Autos verkehrten. Eine kleine Attraktion, die immer sehr genau beobachtet wurde, war, wenn etwas mit der Stromverbindung zwischen Oberleitung und Motor nicht klappte. Dann flogen schon mal die Funken.
Konnte etwas mit dem Seil nicht gerichtet werden - dafür stieg man auf eine Leiter, dann wurde halt eine Stange zu Hilfe genommen und die Verbindung zwischen Bus und Draht war wieder hergestellt.

zur Chronik-Seite der  Idar-Obersteiner Verkehrsgesellschaft (unten auf der Seite gibt’s schöne alte Photos!)

Eines der Bilder erinnert mich an einen Witz (gepostet am 19. März 2008)
Zu weit gegangen

Ein Obersteiner streitet sich lautstark mit seiner Frau an Gilsbachs Eck. Schließlich gibt er ihr eine schallende Ohrfeige. Ein Polizist, der die Szene beobachtet hat, schreitet ein: „Saan se mool, senn se weile nedd e bissje zu weet gang?“ Antwortet der Obersteiner: „Do honn se reecht, Herr Wachtmeister. Die hätt’ se schon bei Treibse verdient gehatt.“


für Ortsunkundige: hier ist die Google-Karte, auf der man die Verhältnisse anschauen kann.
Das streitbare Ehepaar bewegte sich auf der Hauptstraße (das ist dort, wo der Pfeil draufzeigt), und zwar von Nordosten nach Südwesten. Etwas weiter kreuzt die Otto-Decker-Straße die Hauptstraße. Früher stand an dieser Kreuzung ein Geschäft mit dem Namen »Gilsbach«, deshalb also nach Idar-Obersteiner Tradition »Gilsbachs Eck«. (Heute ist da ein gutes Schuhgeschäft.) Der Pfeil zeigt auf das Herrenbekleidungsgeschäft »Treibs«. (Da habe ich meinen dunkellila Konfirmationsanzug gekauft bekommen, damals noch mit Rollkragenpullover getragen, der letzte Schrei!) Die Tatsache, daß das Ehepaar sich also schon beim Herrenbekleidungsgeschäft »Treibs« stritt, spricht für eine intensive Paarbeziehung, in welcher beide große Ausdauer in der Auseinandersetzung an den Tag legen, sich der Mann aber, wie das häufig der Fall ist, der verbalen Fähigkeiten seiner Frau nicht zu erwehren weiß und handgreiflich wird.
Und hier Gilsbachs Eck, als da tatsächlich noch Polizisten standen:
[Quelle: die Chronik-Seite der  Idar-Obersteiner Verkehrsgesellschaft]