Freitag, 28. November 2014

Samuel Huntingtons »Kampf der Kulturen« und seine Bedeutung für die Friedensforschung

Wichtig in den Überlegungen Huntingtons ist sein Begriff des Bruchlinienkriegs. Eine Bruchlinie liegt vereinfacht gesagt dort, wo zwei Kulturkreise aneinanderstoßen. An dieser Bruchlinie kann es zu allerlei Formen von Konflikten und Grenzstreitigkeiten kommen. Neben internationalen Bruchlinienkriegen kann es auch innerstaatliche geben: Diese können dann entstehen, wenn ein Staat das Gebiet von zwei oder mehreren Kulturkreisen umfaßt. Diesem Staat droht Spaltung und Bürgerkrieg. Eines von dutzenden möglichen Beispiel für einen typischen innerstaatlichen Bruchlinienkrieg wäre Tschetschenien. Die Russische Föderation wird von einer großen Mehrheit von Menschen bewohnt, die zum orthodoxen Kulturkreis gehören. Der Staat umfaßt aber auch Gebiete des islamischen Kulturkreises. Ein islamisches Gebiet im Süden, Tschetschenien, wollte sich nun von Rußland abspalten; russische Truppen beanspruchten dieses Gebiet aber und führten einen brutalen, von Menschenrechtsverletzungen und Genozid begleiteten Krieg, in dem sie Tschteschenien mittlerweile wieder zurückeroberten.

Auch der Jugoslawienkrieg kann als Bruchlinienkrieg aufgefaßt werden. Es scheint mir aufgrund der umfangreichen Besprechung des Jugoslawienkriegs, daß dieser Huntington sehr stark bewegt und ihn möglicherweise zur Niederschrift des "Kampfs der Kulturen" inspiriert hat - ähnlich wie Thomas Hobbes einst den "Leviathan" als Antwort auf den Bürgerkrieg in seiner Heimat England verfaßte. Im ehemaligen Bundesstaat Jugoslawien lebten Angehörige dreier Kulturkreise friedlich miteinander vereint: Slowenen und Kroaten, die eher dem Westen zuzurechnen sind, Serben, die man zum orthodoxen Kulturkreis zählen kann und moslemische Bosnier und Albaner, die dem islamischen Kulturkreis angehören. Nach vielen Jahrzehnten der friedlichen, multikulturellen Koexistenz in einem Bundesstaat brachen nach dem Niedergang des Kommunismus die alten kulturellen Identifikationsmuster wieder hervor und ein grausamer, blutiger Krieg zwischen den einzelnen Gruppen nahm seinen Lauf.

mehr:
- Samuel Huntingtons Werk "Kampf der Kulturen" und seine Bedeutung für die Friedensforschung (Patrick Horvath, 2000)
zum Jugoslawienkrieg:
- Frieden muss gestiftet werden (Post, 24.11.2014)


[ Samuel P. Huntington, Wikipedia]
Samuel P. Huntington (Wikipedia)
- Kampf der Kulturen (Wikipedia)
Kampf der Kulturen? – Bemerkungen zu Samuel P. Huntington "The Clash of Civilizations" (Festschrift Herbert Hörz, Sicherheitspolitik-DSS, 11.08.2002) 

Die Analyse des Verhältnisses von Frieden und Menschenrechten, denen sich der Jubilar Ernst Woit verpflichtet fühlt, zeigt eine neue Situation, die den Hoffnungen vieler Menschen nach dem Ende des Kalten Krieges – auf Durchsetzung der Menschenrechte, auf Frieden, auf Rüstungsbegrenzung und auf Rücknahme der alten Feindbilder – direkt widerspricht. Bomben der NATO, auf Jugoslawien abgeworfen, wurden mit der Einhaltung von Menschenrechten gerechtfertigt. Nun ist es der Kampf gegen den Terrorismus, der – nach Meinung der herrschenden Kreise in den USA und ihrer Verbündeten – kriegerische Handlungen, bei denen unschuldige Menschen getötet und verletzt werden, unbedingt erforderlich macht. Im Hintergrund stehen neben der politischen Machterhaltung und -erweiterung der Weltmacht USA ihre ökonomischen Herrschaftsansprüche, die Kontrolle des ungehinderten Kapitalflusses und, nicht zu vergessen, auch weiterhin die Interessen an den Naturressourcen. Im Vortrag von 1998 machte E. Woit auf Menschheitswachstum und Ressourcenmangel als Konfliktpotential aufmerksam. Er bezeichnete Verteilungskämpfe und Kriege als traditionelle Praxis, zeigte die Strategie und Ideologie für künftige Ressourcenkriege und forderte die Lösung der vorhandenen Interessenkonflikte ohne Kriege. Dazu seien solche Monopole, wie etwa das der Massenvernichtungswaffen, zu brechen, die polarisierend die Globalisierung prägen. Diese Situationsanalyse, die politische, ökonomische und ideologische Interessen beachtet, unterscheidet sich von der in Huntingtons 'Kampf der Kulturen', für die das, was "bei der Bewältigung einer Identitätskrise für die Menschen zählt, ... Blut und Überzeugung, Glaube und Familie" sind.
Eine sehr gefährliche Falle (Thomas Assheuer, ZEIT, 09.02.2006) 
»Kampf der Kulturen« – mit dieser These schien Samuel P. Huntington vor 13 Jahren den Schlüssel zur Erklärung der Weltlage gefunden zu haben. Hilft sie uns heute weiter?
- Politologe Samuel P. Huntington gestorben (Alan Posener, Die Welt, 27.12.2008) 
Der Politologe Samuel P. Huntington ist tot. Die Theorie, sagte Karl Marx, wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift. Nur selten gelingt es Theoretikern aber, eine Losung zu finden, die ihren Gedanken ermöglicht, ins Alltagsgespräch zu dringen. Zu ihnen gehörte Samuel Huntington.

„Der Westen eroberte die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen oder Werte oder seiner Religion (zu der sich nur wenige Angehörige anderer Kulturen bekehrten), sondern vielmehr durch seine Überlegenheit bei der Anwendung von organisierter Gewalt. Oftmals vergessen Westler diese Tatsache; Nichtwestler vergessen sie niemals.“ [Samuel Phillips Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. 5. Auflage, Siedler bei Goldmann, München 1998, S. 68., gefunden in Wikipedia]
Samuel Huntington on the 'Clash of Civilizations' [22:05]

Hochgeladen am 11.09.2011


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