Donnerstag, 4. September 2014

Offener Brief von US-Nachrichtendienst-Veteranen an Angela Merkel

Amerikanische Ex-Geheimdienstmitarbeiter warnen vor Behauptungen der Geheimdienste zur Ukraine und erinnern an die irakischen Massenvernichtungswaffen

Wir, die Unterzeichner, sind langjährige Veteranen der US-Nachrichtendienste. Wir unternehmen den außergewöhnlichen Schritt, diesen offenen Brief an Sie zu schreiben, um Ihnen die Gelegenheit zu geben, vor dem NATO-Gipfel am 4. und 5. September Einblick in unsere Sicht der Dinge zu bekommen.

Es ist beispielsweise wichtig für Sie zu wissen, dass Anschuldigungen hinsichtlich einer großangelegten russischen Invasion in der Ukraine offenbar nachrichtendienstlich nicht zuverlässig gesichert sind. Vielmehr scheint die "Intelligence" von derselben politisch festgelegten Art zu sein, mit der vor 12 Jahren der Angriff auf den Irak "gerechtfertigt" wurde. Wir sahen damals keine glaubwürdigen Beweise für Massenvernichtungswaffen; wir sehen jetzt keine glaubwürdigen Beweise für eine russische Invasion. Vor 12 Jahren verweigerte der damalige Kanzler Schröder in Anbetracht der vagen Hinweise auf irakische Massenvernichtungswaffen die Teilnahme am Angriff auf den Irak. Unserer Ansicht nach sollten Sie Anschuldigungen des US-Außenministeriums und von NATO-Vertretern hinsichtlich einer Invasion Russlands in der Ukraine mit angemessenem Misstrauen begegnen.

mehr:
- Offener Brief an Angela Merkel (Coleen Rowley, Telepolis, 03.09.2014)

Heute vor 44 Jahren – 4. September 1970: Salvador Allende wird zum Präsidenten Chiles gewählt

Er war der erste bekennender Marxist, der in einem kapitalistischen Land aus bürgerlich-demokratischen Wahlen als Sieger hervorging und die Regierungsgeschäfte übernehmen konnte. Sein Wahlprogramm, das Programm der in der Unidad Popular zusammengeschlossenen Parteien, zielte – ausgehend von der chilenischen Verfassung – auf eine sozialistische Revolution. Der Wahlerfolg der Unidad Poplular am 4. September 1970 erfuhr Aufmerksamkeit in der ganzen Welt – und er verdient diese noch heute. 
mehr:
- Erstmals etablierte sich in einem lateinamerikanischen Land die Volksmacht (Neues Deutschland, 04.09.2010, gefunden bei AG Friedensforschung)

SPIEGEL-Artikel aus einer anderen Zeit:
- DANN KÖNNEN DIE KINDER IN MILCH BADEN SPIEGEL-Gespräch mit dem Sieger der chilenischen Präsidentschaftswahlen Salvador Allende (14.09.1970)
- CHILE / PRÄSIDENTENWAHL – Schwarze Messe (28.09.1970)
Wahlsieger Allende schwenkte zornig ein Blatt Papier: "Man plant, mich für 300 Millionen zu ermorden. Wenn das geschieht -- auf der Liste stehen die Namen der Täter, und das Volk soll Gericht über sie halten."

- UNSER GELD IN CHILE (09.11.1970)
Es war ein Schock für die freie Welt von Saigon bis Washington, von Athen bis Johannesburg: "Zum ersten Mal ist ein Marxist, der auf klare Änderung der westlich-liberalen Gesellschaft und der Herrschaft des Kapitals ausgeht, Präsident eines Landes auf legale Weise geworden", sorgte sich der "Münchner Merkur", als die Wahlen in Chile "einen Sozialisten auf den Präsidentensessel gespült" ("Stuttgarter Zeitung") hatten.
Für die "Frankfurter Allgemeine" stand alsogleich "zu befürchten, daß damit für Chile eine Periode der Unfreiheit beginnt", und diese Furcht artikulierte sich ihr so: "Wird die Kupferversorgung der westlichen Welt gefährdet?" Sie wußte: "Immerhin stehen hier Investitionen in Höhe von etwa 500 Millionen Dollar zur Debatte, die die Amerikaner bisher ins Land gebracht haben." Und sie ignoriert freundlich die 1,3 Millionen, die täglich aus Chile herausfließen.  


Der Fall des Salvador Allende [43:58]
(Einbeten auf Anfrage deaktiviert)

Doku Chile oder die Diktatur des freien Marktes Dokumentation German [52:45]

Veröffentlicht am 09.01.2015

- WIR SCHLAGEN HUNDERTFACH ZURÜCK – Régis Debray interviewt Salvador Allende (15.03.1971)
Der französische Journalist Régis Debray, Theoretiker der Revolution in Lateinamerika, ist zugleich Praktiker des Guerillakriegs. Er erlebte ihn an der Seite Che Guevaras in Bolivien, wo er 1967 gefangengenommen und zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde. Weihnachten 1970 überraschend freigelassen, traf Debray in Chile mit Salvador Allende zusammen, dem ersten Sozialisten, der in Lateinamerika durch freie Wahlen an die Macht kam. Den Gesprächen Debrays mit Allende, die demnächst als Buch unter dem Titel "La via Cilena" ("Der chilenische Weg") bei Feltrinelli in Mailand und in deutsch bei Luchterhand erscheinen, sind die folgenden Auszüge entnommen:  

- CHILE – Lauern auf Fehltritt (24.01.1972)
Chiles Rechtsparteien sind zum Angriff auf die Revolution des Präsidenten Allende angetreten.
Aus Salvador Allendes Worten klang mehr als südamerikanisches Pathos: "Man wird mich an der Ausführung meines Programms nur hindern", rief Chiles marxistischer Präsident, "wenn man meinen Körper mit Kugeln durchsiebt."
Mit düsterer Entschlossenheit reagiert Chiles Volksfrontregierung auf Versuche der rechten Opposition, Allendes gewaltlose "Revolution in der Legalität" zu stoppen vorerst noch legal. 


- AFFÄREN – Zeuge der Anklage (09.04.1973)
Top-Manager des amerikanischen Mammut-Konzerns ITT (400 000 Beschäftigte in aller Welt) mußten jetzt öffentlich zugeben, was bisher nur vermutet wurde: ITT plante den Sturz des chilenischen Präsidenten Allende.
Die Szene scheint harmlos: Zwei seriös gekleidete Herren treffen sich in der Halle des Washingtoner Carlton-Hotels. wechseln ein paar Worte und verschwinden anschließend in einem Séparee.
Dort plaudern die Gentlemen -- CIA-Agent der eine, millionenschwerer Boß eines der größten amerikanischen Konzerne der andere -- beiläufig darüber, wie ein bislang unter US-Einfluß stehender lateinamerikanischer Staat ins wirtschaftliche Chaos gestürzt und die Wahl eines mißliebigen Präsidentschaftskandidaten verhindert werden kann. Als Honorar für die Ausführung des Komplotts bietet der Konzern-Herr dem CIA-Mann eine Million Dollar.  


- Auf Chile Druck ausüben – Das ITT-Programm zum Sturz des chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende (09.07.1973)    
Am 1. Oktober 1971 unterrichtete der Chef des Washingtoner ITT-Büros William R. Merriam den damaligen Sonderberater Präsident Nixons, Peter G. Peterson, in einem Brief über die Beschlagnahme der ITT-eigenen chilenischen Telephongesellschaft. In einem Anhang zu dem Schreiben ("Dear Pete") entwickelte Merriam ein 18-Punkte-Programm für ein Eingreifen Washingtons in Chile.
Präsident Allende ist eitel und braucht den Erfolg, sonst ist er frustriert. Sein internationaler Ruf liegt ihm sehr am Herzen, und es schmerzt ihn, wenn seine Vorhaben scheitern.
Ich meine, es sollte darauf hingewiesen werden, daß die Situation in Chile von der gesamten Administration absolut mit Vorrang zu behandeln ist und daß insgeheim, aber wirksam alles getan werden sollte. um dafür zu sorgen, daß Allende die entscheidenden nächsten sechs Monate nicht übersteht.
 


- Kämpfen bis zum Ende (17.09.1973)    
Drei Jahre nach seinem Wahlsieg fiel Chiles Präsident Allende, der erste freigewählte marxistische Staatschef der Welt, in den Ruinen seines von putschenden Truppen zerbombten Regierungspalastes. Im Feuer des Militärs war ein Experiment gescheitert, Sozialismus und Freiheit zu verbinden.
Ein Panzer vor dem Präsidenten-Palast, eine Inschrift: "Wir haben nicht gedacht, daß dies passieren könnte.
Mit diesem Plakat hatte Chiles Rechte 1970 den Amtsantritt des gewählten Präsidenten Salvador Allende diffamiert -- weil er Sozialist war und sich selbst einen Marxisten nannte. Der Panzer auf dem Plakat trug einen roten Stern, der Text erinnerte an die Sowjet-Panzer in Prag.
Drei Jahre später, fast genau fünf Jahre nach Prag, gibt es die Parallele zu Prag: Panzer walzten das chilenische Modell eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz nieder. Doch diese Panzer, die am Dienstag vergangener Woche die Moneda, Santiagos graudüsteren Präsidenten-Palast, in Trümmer schossen, trugen keinen roten Stern. Sie fuhren und feuerten unter dem rotweißblauen Emblem der chilenischen Armee. Und die Kugeln der grauuniformierten Soldaten trafen nicht Allendes Gegner, sondern Allende und seine Anhänger.
 
 


- Noch ein Plakat im Studierzimmer? – Gaston Salvatore über den gestürzten chilenischen Präsidenten Salvador Allende (24.09.1973)    
Allende ist gescheitert" -- diese Schlagzeile ist nicht neu. Sie hat seine Laufbahn jahrzehntelang begleitet. Ich erinnere mich, wie sie mit handhohen Lettern die erste Seite der Boulevardzeitungen von Santiago füllte. Das war 1958, nach den Präsidentschaftswahlen, die Allende knapp verlor.
Im März 1961 wurde in Chile ein neues Parlament gewählt. Allendes Partei schätzte seine Chancen so gering ein. daß sie ihm seinen alten Wahlbezirk. eine Domäne der Sozialisten, wegnahm. Statt dessen bot sie ihm einen Bezirk in Valparaiso an, der von vornherein aussichtslos schien.
Daraufhin kaufte Allende einen gebrauchten, fast schrottreifen Bus. Er bemalte ihn eigenhändig und zog damit durch die Provinz Valparaiso. Wenn er abends in den Armenvierteln parkte, lasen die Slumbewohner staunend, was der Kandidat auf das Wrack gepinselt hatte: "Der Autobus des Sieges." 

  
- Der Wahnwitz der Geheimdienste (14.10.1974)    
Während des letzten Jahres platzte mitten in die Leichenfeier der Watergate- Enthüllungen wieder eine Reihe von Spionage-Skandalen: die CIA-Beteiligung am Sturz Allendes, ihre enge Verbindung mit der jüngst gestürzten griechischen Militärjunta, der Versuch des KGB, eine geheime Opposition gegen Tito in Jugoslawien zu installieren, der Sturz von Brandt durch die westdeutschen Staatsschützer.
Einige dieser Untergrund-Operationen sind gleich hilflos wie dumm; andere ebenso erschreckend wie gefährlich. Und, wenn überhaupt, dienen wenige wirklich der nationalen Sicherheit der Staaten, die sie unterhalten -- allen offiziellen Erklärungen und Alibis zum Trotz.
Nicht genug, daß Geheimdienst-Aktivitäten oft in peinlichen Blamagen enden -- sie bürden ihren verantwortlichen Regierungen und damit ihren Völkern, denen sie doch zu dienen vorgeben, langwierige Schuldenlasten auf und das selbst dann, wenn Operationen kurzzeitig erfolgreich erscheinen. In Wahrheit sind Geheimdienst-Operationen selten etwas anderes als billige Täuschungsmanöver und halsbrecherische Abenteuer, die hauptsächlich die kranken Hirne und die schmutzigen Eigeninteressen der Geheimdienstler befriedigen, sie Pläne für machthungrige Führer erfinden lassen, die diese ruhelos verfolgen, um ihrer selbstsüchtigen politischen Zwecke willen.
 
 


- Auftrag ausgeführt. Präsident tot. Das Ende des Salvador Altende (II) / Von Robinson Rojas Sandford (20.10.1975)    
Der endgültige Beschluß, Allende zu ermorden, wurde am Abend des 21. August 1973 gefaßt.
General Augusto Pinochet Ugarte nahm an der entscheidenden Besprechung nicht teil, ja er erfuhr von den Mordplänen überhaupt erst am frühen Nachmittag des 11. September, als der Tod des Präsidenten schon ein fait accompli war und der "Selbstmord" inszeniert werden sollte.
 


- Du sollst dich nicht erwischen lassen (05.01.1987)    
Die geheimen außenpolitischen Abenteuer amerikanischer Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg (III) *
Am 15. September 1970 - in Chile hatte der Marxist Salvador Allende kurz zuvor die Wahlen gewonnen - trafen sich US-Sicherheitsberater Henry Kissinger und Justizminister John Mitchell mit Pepsi-Cola-Chef Donald Kendall, einem alten Freund Präsident Nixons, in Washington zum Frühstück. Kendall hatte einen Bekannten mitgebracht, den einflußreichen chilenischen Zeitungs-, Bank- und Fernsehzar Augustin Edwards. Der Unternehmer erläuterte den Herren, daß seine Heimat Gefahr laufe, unter Allende zu einem zweiten Kuba zu werden.
Viel brauchte er nicht zu reden. Noch am selben Tag wurde Edwards dem CIA-Chef Richard Helms präsentiert. Kurz darauf gab Nixon, von Kissinger gedrängt, seinem Geheimdienst Order, "egal wie" zu verhindern, daß Allende, der vermeintliche Mann Moskaus, am 24. Oktober vom chilenischen Kongreß als neues Staatsoberhaupt bestätigt würde.
 
 


siehe auch:
- Warum Allende heute noch ehren? (Eberhard Aurich, 2013)
- Chile: Der 11. September und die Menschenrechtler aus USA und BRD (Politik im Spiegel, 11.09.2013)
Daran muss ich denken, wenn ich heute Guantanamobama von Menschenrechten und nationaler Sicherheit reden höre. Heute vor 40 Jahren errichteten die USA in Chile den Faschismus. Heute vor 40 Jahren starb der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende.
Geschichtsrevisionisten tun so als haben die USA mit dem Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Chiles, den tausenden Morden und den Folterzentren nichts zu tun.
Aber die Akten bewiesen, die USA mischten sich schon seit den 50er Jahren mit massiven finanziellen und geheimdienstlichen Mitteln in die chilenischen Angelegenheiten ein, um Medien, Massen und letztlich alle Wahlen zu beeinflussen und die demokratische Wahl des Präsidentschaftskandidaten Salvador Allende zu verhindern. 


Victor Jara El derecho de vivir en Paz [3:59]

Hochgeladen am 08.07.2009
segunda cancion del historico video de Victor Jara grabado en Agosto de 1973.


- Chile – Ein zusammengeschlagener, blutiger Leichnam (Journal21, 13.09.2014) 
Am Montag vor 41 Jahren starb der chilenische Sänger Victor Jara im Stadion von Chile nach schwerer Folter und von 44 Kugeln durchbohrt. Jetzt ist gegen die Täter Anklage erhoben.
„Unter der Brücke träumt/ ein Kind vom Fliegen“, sang er in seinem „Wiegenlied für ein obdachloses Kind“: „Schlafe, mein Kind… Vier andere Kinder/ werden dich warmhalten.“ Er sang über den „Bergmann“, über den „Bauern“, vertonte Pablo Nerudas Gedicht „Aquí me quedo“ (Hier bleibe ich). Er schrieb ein Lied über und für Angelita Huenumán, eine Mapuche-Indianerin, die er in der Einsamkeit der Hügel, Wälder und Seen von Arauco kennenlernte, und die ihm eine „außerordentlich schöne Wolldecke“ für die kalten Wintermonate schenkte. Er sang Volkslieder, Balladen und schließlich auch ein „Manifiesto“:

„Ich singe, weil die Gitarre
Gefühl und Vernunft hat…
…Mein Lied ist Gerüst,
um die Sterne zu erreichen…
Manifiesto (Live in Santiago, 09/12/13) [7:03] [Text, Lied mit deutschen Untertiteln]

Veröffentlicht am 15.09.2013
Bruce Springsteen covers Victor Jara's "Manifiesto" live in Santiago, Chile on 09/12/13. See more photos from Chile and read about the show at http://brucespringsteen.net
- Dossier: 40 Jahre Putsch in Chile (Quetzal)

Was am 4. September noch geschah:
1886: Der Apachenhäuptling Gokhlayeh, genannt Geronimo, kapituliert 
[…] und beendete somit endgültig seinen Widerstand mit noch 36 verbliebenen von ursprünglich 500 Kriegern. Er stellte sich den Amerikanern unter dem Kommando von General Nelson A. Miles, die ihm jahrelang vergeblich mit 5.000 Soldaten, einem Heliografensystem,[5] 500 Apachen-Scouts, dem Chefscout Al Sieber, mit 100 Navajo-Scouts und 3.000 mexikanischen Soldaten nachgestellt hatten. [Geronimo, Letztmalige Kapitulation, Wikipedia

Zitate aus dem Wikipedia-Artikel:
- Entgegen ursprünglicher Friedensvereinbarungen, in denen zunächst für ihn und den kleinen Rest seines früher großen Volkes, fruchtbares Farmland zugesichert wurde, brachte man ihn und einige seiner Leute, teilweise für viele Jahre, in weit entfernte, wechselnde Armeegefängnisse.- Die Zusage, wie in den früheren Kapitulationsverhandlungen vereinbart, in das Gebiet seiner ursprünglichen Heimat zurückkehren zu dürfen, wurde nie eingehalten.- Einige Apachen, darunter Gokhlayehs Urenkel Harlyn Geronimo, forderten in einer Petition an den US-Kongress die Rückgabe der Gebeine Geronimos. Ned Anderson, ein Apachenhäuptling, hatte bereits 1986 mit Unterstützung des FBI George W. Bushs Onkel Jonathan Bush zur Herausgabe des Schädels aufgefordert. Diese Aktionen blieben ohne Erfolg.


Zum Schluß noch einmal zum Zitat von Bundespräsident Gauck aus seiner Rede zum 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 1. September 2014 in Danzig:  
 
»Weil wir am Recht festhalten, es stärken und nicht dulden, dass es durch das Recht des Stärkeren ersetzen wird, stellen wir uns jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Abspaltung in fremden Ländern militärisch unterstützen. Deshalb stehen wir ein für jene Werte, denen wir unser freiheitliches und friedliches Zusammenleben verdanken. Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen.« 
- Rede zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – Gauck macht Putin schwere Vorwürfe (Süddeutsche Zeitung, 01.09.2014)
Zitat:
Nach 1989 hätten EU und Nato sich bemüht, Russland zu integrieren, sagte Gauck. "Diese Partnerschaft ist von Russland de facto aufgekündigt worden."
- Gaucks scharfe Russland-Kritik – Bundespräsident wirft Putin Krim-Annexion vor (stern, 02.09.2014, mit Videoausschnitt aus der Rede)

dazu aus der Rede von Wladimir Putin vom 25.09.2001 vor dem Deutschen Bundestag (Wortprotokoll auf der Seite des Deutschen Bundestages):
»Trotz allem Positiven, das in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, haben wir es bisher nicht geschafft, einen effektiven Mechanismus der Zusammenarbeit auszuarbeiten. Die bisher ausgebauten Koordinationsorgane geben Russland keine realen Möglichkeiten, bei der Vorbereitung der Beschlussfassung mitzuwirken. Heutzutage werden Entscheidungen manchmal überhaupt ohne uns getroffen. Wir werden dann nachdrücklich gebeten, sie zu bestätigen. Dann spricht man wieder von der Loyalität gegenüber der NATO. Es wird sogar gesagt, ohne Russland sei es unmöglich, diese Entscheidungen zu verwirklichen. - Wir sollten uns fragen, ob das normal ist, ob das eine echte Partnerschaft ist.« [Hervorhebungen von mir] 

siehe: Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (25.03.2014)

dazu auch aus der Rede von Wladimir Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz (09.-11.02.2007, Wortprotokoll auf der Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel):

Der globale Gegensatz schob äußerst drängende ökonomische und soziale Fragen an den Rand der internationalen Beziehungen und Tagesordnungen. Und wie jeder Krieg hinterließ uns auch der „kalte Krieg“ – bildlich ausgedrückt – „Blindgänger“. Ich meine damit ideologische Stereotypen, doppelte Standards, irgendwelche Schablonen des Blockdenkens.
Die nach dem „Kalten Krieg“ vorgeschlagene monopolare Welt kam auch nicht zu Stande.
Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch schmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.
Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.
Das hat natürlich nichts mit Demokratie gemein. Weil Demokratie bekanntermaßen die Herrschaft der Mehrheit bedeutet, unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.
Nebenbei gesagt, lehrt man uns - Russland – ständig Demokratie. Nur die, die uns lehren, haben selbst, aus irgendeinem Grund, keine rechte Lust zu lernen.
Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist. Nur nicht, weil für eine Einzel-Führerschaft in der heutigen, gerade in der heutigen, Welt weder die militärpolitischen, noch die ökonomischen Ressourcen ausreichen. Aber was noch wichtiger ist – das Modell selbst erweist sich als nicht praktikabel, weil es selbst keine Basis hat und nicht die sittlich-moralische Basis der modernen Zivilisation sein kann.
[…]
Damit ist alles, was heute in der Welt geschieht - und wir fangen jetzt erst an, darüber zu diskutieren – eine Folge der Versuche, solch eine Konzeption der monopolaren Welt, in der Welt einzuführen.
Und mit welchem Ergebnis?
Einseitige, oft nicht legitime Handlungen haben nicht ein einziges Problem gelöst. Vielmehr waren sie Ausgangspunkt neuer menschlicher Tragödien und Spannungsherde.
Urteilen Sie selbst: Die Kriege, die lokalen und regionalen Konflikte sind nicht weniger geworden. Herr Teltschik hat ganz leicht daran erinnert. Und es sterben nicht weniger Menschen bei diesen Konflikten als früher, sondern sogar mehr. Bedeutend mehr!
Heute beobachten wir eine fast unbegrenzte, hypertrophierte Anwendung von Gewalt –militärischer Gewalt - in den internationalen Beziehungen, einer Gewalt, welche eine Sturmflut aufeinander folgender Konflikte in der Welt auslöst. Im Ergebnis reichen dann nicht die Kräfte für eine komplexe Lösung wenigstens eines dieser Konflikte. Eine politische Lösung ist ebenfalls unmöglich.
Wir sehen eine immer stärkere Nichtbeachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts. Mehr noch – bestimmte Normen, ja eigentlich fast das gesamte Rechtssystem eines Staates, vor allem, natürlich, der Vereinigten Staaten, hat seine Grenzen in allen Sphären überschritten: sowohl in der Wirtschaft, der Politik und im humanitären Bereich wird es anderen Staaten übergestülpt. Nun, wem gefällt das schon?
In den internationalen Angelegenheiten begegnet man immer öfter dem Bestreben, die eine oder andere Frage ausgehend von einer so genannten politischen Zielgerichtetheit auf der Grundlage der gegenwärtigen politischen Konjunktur zu lösen.
Das ist allerdings äußerst gefährlich. Es führt dazu, dass sich schon niemand mehr in Sicherheit fühlt. Ich will das unterstreichen – niemand fühlt sich mehr sicher! Weil sich niemand mehr hinter dem Völkerrecht wie hinter einer schützenden Wand verstecken kann. Eine solche Politik erweist sich als Katalysator für das Wettrüsten.
Die Dominanz des Faktors Gewalt löst in einer Reihe von Ländern den Drang nach dem Besitz von Massenvernichtungswaffen aus. Mehr noch – es erschienen ganz neue Bedrohungen, die zwar früher schon bekannt waren, aber heute globalen Charakter annehmen, wie der Terrorismus.
Ich bin überzeugt, dass wir heute an einem Grenzpunkt angelangt sind, an dem wir ernsthaft über die gesamte Architektur der globalen Sicherheit nachdenken sollten.  [Hervorhebungen von mir] 

Einige – zum größen Teil empörte – Reaktionen auf Putins Rede, die betreffenden Videos und weiterführende Links finden sich bei
- Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (Post, 25.03.2014) 

Präsident Putin lacht über Reporterfrage [0:26]

Veröffentlicht am 10.02.2014
Amazon Prime kostenlos: http://bit.ly/30TageFreeAmazonPrime
alter Infotext: Veröffentlicht am 24.07.2013 
Kleiner Ausschnitt aus der ARD-Doku "Ich, Putin", aus 2012, von Hubert Seipel (auch der Interviewer hier)
Schlag gegen Syrien - Ziel: Russland
http://apxwn.blogspot.de/2012/08/schl...
Baschar al-Assad im Interview für "Izvestia"
http://apxwn.blogspot.de/2013/08/basc...



Nach der Lektüre des gesamten Posts rege ich an, sich noch einmal das Zitat unseres Bundespräsidenten zu Gemüte zu führen… Möglicherweise – in dem Fall hätte ich ihn unterschätzt – hat er ja nicht nur Russland damit gemeint.

- Joachim Gaucks Russland-Schelte – Der unbesonnene Präsident (Kommentar Heribald Prantl, Süddeutsche Zeitung, 02.09.2014)
Bundespräsident Joachim Gauck rüstet verbal auf - gegen Russland. Dabei hat Gauck vor kurzem - in Frankreich - die Partnerschaft mit ehemaligen Feinden angemahnt. Die 30 Millionen sowjetischen Kriegsopfer erwähnt er mit keinem Wort. Das ist nicht klug.  

dazu auch:
- Gauck und die Grünen: Ein Unglück kommt selten allein (Evelyn Hecht-Galinski, Kritisches Netzwerk, 15.10.2014)
Gauck war am 9. Oktober in Leipzig beim Festakt "25 Jahre friedliche Revolution" wieder voll und ganz in seinem Element, der pastoralen Besserwisserei und Einstimmung der gesamtdeutschen Bevölkerung auf eine Art der Mitverantwortung, wie er sie sich für uns vorstellt. Wieder einmal benutzte er diesen Tag, um uns auf die veränderte Lage in der Welt, in der wir mehr “Außenpolitische Verantwortung” zu übernehmen hätten, einzustimmen und mahnte die entschiedene Verteidigung der eigenen Werte an. Was er darunter versteht, hat er uns ja schon bei vielen Anlässen vorgetragen und seine Werte scheinen mir mehr als fragwürdig und nicht die meinen!


zuletzt aktualisiert am 07-02-2016