Donnerstag, 25. Dezember 2014

Rußland spielt Schach – machtpolitisches Agieren und theatralische Empörung

Die theatralische Empörung des Westens über das machtpolitische Agieren Russlands zeugt von fortgeschrittener Demenz. Krisenimperialismus - Teil 1
Die Putin-Kritik scheint sich für Kanzlerin Angela Merkel zu einem routinemäßig zu absolvierenden Ritual zu entwickeln. Gegenüber der Tageszeitung Welt am Sonntag beschuldigte die Kanzlerin Anfang Dezember den Kreml abermals, die Annäherung osteuropäischer Länder an die EU zu behindern und dabei vor der Verletzung der territorialen Integrität dieser Staaten nicht zurückzuschrecken. "Wir sehen außerdem, dass Russland wirtschaftliche und politische Abhängigkeiten in einigen Ländern des Westbalkans zu schaffen versucht", warnte Merkel.
Die Ukraine, Moldau und Georgien hätten "aus eigener souveräner Entscheidung ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterschrieben. Diesen drei Ländern bereitet Russland Schwierigkeiten", behauptete Merkel gegenüber der "Welt am Sonntag". Nach Ansicht der Kanzlerin sollte in Europa nicht das Denken in Einflusssphären geopolitische Fakten schaffen, sondern das internationale Recht.

Beim Putin-Bashing Anfang November sprach Merkel gar von einer "Annexion" der Krim durch Russland, die gegen die Prinzipien der Nachkriegsordnung in Europa verstieße - damit ist wohl die in der Schlussakte von Helsinki 1975 festgehaltene Unverletzlichkeit bestehender Grenzen gemeint. Dieses Vorgehen des Kreml, das die Kanzlerin gar als "Raub" bezeichnete, dürfe "man Russland nicht durchgehen lassen", so Merkel, weswegen nun eine "gewisse Härte" gegenüber Moskau angebracht sei.

mehr:
- Der russische Spiegel (Thomasz Konicz, Telepolis, 25.12.2014)
Zitat:
Die Parallelen zwischen der Krimkrise und dem Kosovo-Krieg sind offensichtlich: Die Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien wurde von der NATO mit angeblichen Massakern und einem Völkermord an der albanischen Bevölkerungsmehrheit durch jugoslawische Sicherheitskräfte und serbische Freischärler legitimiert - eine Behauptung, die sich nach Kriegsende weitgehend als Kriegspropaganda erwies. Im Endeffekt hat aber diese rechtswidrige NATO-Intervention dazu beigetragen, ethnisch-separatistischen Bewegungen Auftreib zu verleihen, die die bestehenden Grenzen in multiethnischen Staaten infrage stellen .


»Ich habe [den italienischen Verteidigungsminister] so verstanden, dass die Anwendung von Gewalt nur dann als legitim gilt, wenn sie auf der Grundlage einer Entscheidung der NATO, der EU oder der UNO basiert. Wenn er das tatsächlich meint, dann haben wir verschiedene Standpunkte. Oder ich habe mich verhört. Legitim ist eine Anwendung von Gewalt nur dann zu nennen, wenn ihr ein UNO-Beschluss zu Grunde liegt. Und man darf die UNO nicht durch die NATO oder die EU ersetzen.« (Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz: Anfang 2007)

siehe dazu auch:
- Frieden muss gestiftet werden (Post, 24.11.2014)
- Egon Bahr: Obama war vorab über Ukraine-Ereignisse informiert (Epoch Times, 24.12.2014) 

Mauretanien: Gericht verurteilt Blogger zum Tode

Ein junger Blogger stellt einen anonymen Text ins Netz, in dem er die Zustände in Mauretanien, einem der ärmsten Länder der Welt, kritisiert. Er scheut sich auch nicht davor, die Religion in die Kritik einzubeziehen. Jetzt wird er zum Tod verurteilt.
mehr:
- Gnadenloses Urteil in Mauretanien - Gericht verurteilt Blogger zum Tode (n-tv, 25.12.2014)
Zitat:
Ein Gericht in Mauretanien hat einen jungen Blogger wegen "Prophetenbeleidigung" zum Tode verurteilt. Mohammed Oul Amchaitir werde für einen im Internet erschienenen Aufsatz bestraft, in dem er verletzend über den Propheten Mohammed und seine Angehörigen geschrieben habe, teilte das Gericht im westmauretanischen Nouadhibou mit.

Moskau: Nato-Beitritt der Ukraine ist eine Bedrohung der russischen Sicherheit

Die Ukraine unterbricht die Stromversorgung der Krim, aber Kiews Energieversorgung ist unsicher, weil die Kohle aus dem Donbass fehlt
Russland stellt die Stacheln auf, nachdem das ukrainische Parlament mit überwältigender Mehrheit beschlossen hatte, die Blockfreiheit des Landes aufzuheben. Das ist ein erster Schritt hin auf eine Nato-Mitgliedschaft. Kurzfristig ist dies wenig wahrscheinlich, auch wenn die USA dies schon vor Jahren befürwortet hatten, aber es ist zunächst eine Geste gegenüber Russland.
Zunächst hatte man in Moskau zwar indigniert, aber zurückhaltend reagiert. Gestern aber hat der russische Vizeaußenministers Anatoli Antonow schon einmal den Ton angezogen. Das Ende der Blockfreiheit bedrohe die Sicherheit Russlands nicht, wohl aber ein Nato-Beitritt. Darauf würde man dem angemessen reagieren, sagte er: "Dann würde es einen vollen Bruch zwischen uns und der Nato geben, der kaum wieder gut zu machen wäre." Antonow erklärte, dass die Nato unter dem "Slogan einer russischen Bedrohung" ihr militärisches Potenzial in den baltischen Ländern, in Polen, Bulgarien und Rumänien verstärkt.

mehr:
- Moskau: Nato-Beitritt der Ukraine ist eine Bedrohung der russischen Sicherheit (Florian Rötzer, Telepolis, 25.12.2014)

aus Putins Rede vom 25.09.2001 vor dem Deutschen Bundestag (Wortprotokoll auf der Seite des Deutschen Bundestages):
»Trotz allem Positiven, das in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, haben wir es bisher nicht geschafft, einen effektiven Mechanismus der Zusammenarbeit auszuarbeiten. Die bisher ausgebauten Koordinationsorgane geben Russland keine realen Möglichkeiten, bei der Vorbereitung der Beschlussfassung mitzuwirken. Heutzutage werden Entscheidungen manchmal überhaupt ohne uns getroffen. Wir werden dann nachdrücklich gebeten, sie zu bestätigen. Dann spricht man wieder von der Loyalität gegenüber der NATO. Es wird sogar gesagt, ohne Russland sei es unmöglich, diese Entscheidungen zu verwirklichen. - Wir sollten uns fragen, ob das normal ist, ob das eine echte Partnerschaft ist.«

Anfang 2007 sprach Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz:
In seiner Rede (Link siehe unten) b
eklagt er sich über die Zunahme von internationaler Gewalt in Verbindung mit der Nicht-Beachtung des Völkerrechts.
Zitat: 
»Ich habe [den italienischen Verteidigungsminister] so verstanden, dass die Anwendung von Gewalt nur dann als legitim gilt, wenn sie auf der Grundlage einer Entscheidung der NATO, der EU oder der UNO basiert. Wenn er das tatsächlich meint, dann haben wir verschiedene Standpunkte. Oder ich habe mich verhört. Legitim ist eine Anwendung von Gewalt nur dann zu nennen, wenn ihr ein UNO-Beschluss zu Grunde liegt. Und man darf die UNO nicht durch die NATO oder die EU ersetzen.«
Sicherheitskonferenz in München: Putin schockt die Europäer (SPIEGEL vom 10.02.2007)
Zitat Aus dem SPIEGEL-Artikel:
Die Nato-Osterweiterung kritisierte Russlands Präsident massiv, weil deren militärische Infrastruktur "bis an unsere Grenzen" heranreiche. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer reagierte sichtlich verärgert: Was Putin gesagt habe passe nicht zur viel beschworenen "Partnerschaft zwischen Russland und der Nato". […] Wie könne man sich denn sorgen, "wenn Demokratie und Rechtsstaat näher an die Grenzen rücken", fragte er mit Blick auf Putins Äußerung gegen die Nato-Osterweiterung.
siehe dazu:
- Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (Post, 25.03.2014)

Putin hat die Deutschen, die EU und die NATO seit 2001 immer wieder gewarnt. Zumeist wurde er ignoriert, bestenfalls hat er Empörung geerntet. In einer Paartherapie würde ich jetzt den anderen Partner fragen: »Wie glauben Sie, daß es Ihrem Partner damit geht?«

Nach einem Dreivierteljahr Beschäftigung mit dem Ukraine-Krieg (für mich ist es ein Krieg) sehe ich nur zwei Möglichkeiten, die Handlungsweise des Westens zu verstehen: Entweder unsere Politiker und Medien sind vor lauter Selbstgerechtigkeit besoffen oder die USA verfolgen die Brzeziński-Strategie, die dieser in seinem Buch (Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Wikipedia) aus dem Jahr 1997 dargelegt hat.
siehe dazu:
- US-Geostrategie und deutsche Souveränität: Ein heißes Eisen (Post, 23.12.2014)

"World in Peace"?

Notizen über Franziskus, die "deutsche Weihnacht", Querfrontstrategien und das Manifest für eine neue Kunst des Zusammenlebens 
Früher war zwar auch nicht alles besser, aber man konnte sich zumindest zur Weihnachtszeit darauf verlassen, dass aus der "Ewigen Stadt" salbungsvolle Worte kommen und auf unseren Straßen allenfalls Weihnachtsmänner aus einer Werbe-Crew die Großeinkäufe derjenigen unterbrechen, die sich gesittet auf das Fest der Geburt eines Kindes von obdachlosen Leuten vorbereiten. Dieses Jahr scheint alles anders zu sein: in der "Ewigen Stadt" und auch auf den Straßen in manchen deutschen Städten.
Bischof Franziskus von Rom sagt über einen Kapitalismus, der über Leichen geht: "Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Einen Dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen."

Was Franziskus über die herrschende Wirtschaftsform, die ganz gewöhnliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Flüchtlingselend auf dem Globus, den gemachten Hungertod von Millionen und die Selbstorganisation der Armen denkt, deuten hierzulande die Medien und auch viele Prediger nur an. Mit etwas Glück findet man aber im Internet trotzdem einen vollständigen Klartext seiner jüngsten Worte an Vertreter von sozialen Bewegungen.

Auch mit Selbstkritik wird in der Zentrale der römischen Weltkirche derzeit nicht gegeizt. Vor wenigen Tagen hat der oberste Brückenbauer in einer Weihnachtsansprache bei Teilen der Kurie "spirituelles Alzheimer", mannigfache Pathologien der Macht und andere bedenkliche Krankheiten im mentalen Bereich diagnostiziert. Deutlicher kann es wohl nicht mehr zur Sprache kommen, dass der derzeitige Bischof von Rom sein Pontifikat als Ernstfall versteht und nicht willens ist, dem klerikalen Kasperle-Theater in nächster Nähe mit duldsamem Lächeln zuzusehen. Verhaltener Beifall. Im Vatikan gibt es offenkundig viel Kälte für den Mann aus Argentinien, dem ungezählte Menschen auf dem ganzen Erdkreis ein besonders langes Leben wünschen.

mehr:
- "World in Peace"? (Peter Bürger, 24.12.2014)
Zitat:
Die Verächter der Friedensbewegung, die sich mangels nachprüfbarer Argumente seit langem vor allem auf demagogische Phrasen verlegt haben, stehen auch im Licht der jüngsten Geschichte schlecht da. Hätte die mächtigste Kriegsnation der Erde im Februar 2003 auf die größte Friedensdemonstration der gesamten Menschheitsgeschichte gehört, so würde die Welt heute freundlicher aussehen. 

Unsere Verfassung verlangt, dass Deutschlands Politik dem Frieden in der Welt dienen muss. Wir weisen aber im Jahr nur läppische 30 Millionen Euro für besondere "Friedensdienste" aus, während der Militärhaushalt 33 Milliarden verschlingt. Es ist Zeit für Frieden, Friedensbudgets, Friedenswissenschaften und die Einrichtung eines Friedensministeriums.

Kann Glaube wahr sein?

Ein philosophischer Dialog über die Wahrheit des Glaubens
In seiner kürzlich erschienenen Studie über "Die letzten Undinge" befasst sich Karl Czasny erkenntniskritisch mit verschiedenen Formen des religiösen Trostes. Am Ende seines Buches stellt er dann die Frage nach der Wahrheit des Glaubens. Er gesteht, dass er beim Nachdenken über diese Frage immer wieder an einem Punkt angelangt sei, an dem sein Denken sich im Kreis zu drehen begann. Um das Für und Wider der verschiedenen Argumente besser überblicken zu können, bittet er zwei fiktive Freunde seine Studie zu lesen und daraus im Rahmen eines Dialogs Schlussfolgerungen für die Frage der Glaubenswahrheit zu ziehen. Der eine der beiden vertritt in diesem Gespräch eine an Kant orientierte erkenntniskritische Position, der andere die eines christlich geprägten Glaubens. Während der Repräsentant des transzendentalen Standpunkts sich aus naheliegenden Gründen "Immanuel" nennt, tritt der Vertreter des Glaubens unter dem Namen "Pius" (zu Deutsch: Der Fromme) auf.

mehr:
- Kann Glaube wahr sein? (Karl Czasny, 25.12.2014)