Samstag, 16. Mai 2015

Staatsrechtler zur NSA-Spionage: „Wenn ich US-Geheimdienst wäre, würde ich Airbus auch überwachen“

Der Staatsrechtler Ulrich Battis spricht sich für eine schärfere Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste aus, zeigt aber auch Verständnis für die Wirtschaftsspionage der NSA: Europäische Unternehmen wie Airbus fielen immer wieder durch korrupte Rüstungsgeschäfte auf
Herr Battis, die USA hatten offenbar nie vor, ein sogenanntes No-Spy-Abkommen mit Deutschland abzuschließen. Hat Sie das überrascht?

Überhaupt nicht. Ich habe die entsprechenden Beteuerungen der Bundesregierung damals schon nicht geglaubt. Es hat doch jeder, der sich mit der Sache näher beschäftigte, gewusst, dass das alles nur eine Hinhaltetaktik war.

Die Taktik bestand darin, kurz vor der Bundestagswahl 2013 den Eindruck zu erwecken, dass eine deutsch-amerikanische Anti-Spionage-Vereinbarung unmittelbar vor dem Abschluss stand. Würden Sie das eine „Lüge“ nennen?
Die Bundesregierung hat auf Zeit gespielt und eine Nebelwand aufgebaut. Aber ich würde das nicht als Lüge empfinden, nein. 

In einer der am Wochenende aufgetauchten E-Mails zwischen dem Kanzleramt und dem Weißen Haus hieß es von Obama-Beraterin Donfried: „Die Frage, ob deutsches Recht auf deutschem Boden respektiert wird, müsste durch eine sehr sorgfältige Prüfung und Interpretation der deutschen Gesetze unter Einschaltung von Experten geklärt werden.“ Ist Ihnen bekannt, dass die Bundesregierung jemals versucht hätte, unabhängige Experten einzuschalten?
Es gab eine Anhörung von Experten vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. Dort haben Hans-Jürgen Papier, Wolfgang Hoffmann-Riem und Matthias Bäcker deutlich gemacht, dass möglicherweise Grundrechte verletzt wurden.

Also verstößt die NSA-Überwachung in Deutschland auch aus Ihrer Sicht eindeutig gegen das Grundgesetz?Ja, und das wird ja auch gar nicht bestritten. Die US-Seite hat allerdings auch gar keine Veranlassung, die deutschen Gesetze näher zu prüfen. Das interessiert die einen feuchten Kehricht. Es ist doch überall so: Die Geheimdienste müssen sich an die jeweiligen Gesetze in ihren Heimatländern halten. Das hat ein amerikanisches Bundesgericht erst in der vergangenen Woche auch den US-Geheimdiensten bescheinigt. Weder die US- noch die deutschen Dienste müssen sich aber an die Gesetze in anderen Staaten halten. Sonst könnten sie den Laden auch gleich zumachen. Das heißt nicht, dass wir eine Kolonie der USA sind. Es gibt Vereinbarungen zwischen den Diensten, dass man dem Partner bei bestimmten Suchen um Hilfe fragt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Artikel im Wall Street Journal im Jahr 2000. Damals hat Ex-CIA-Chef James Woolsey sinngemäß gesagt: „Liebe europäische Freunde, wir müssen euch leider abhören, auch wirtschaftlich, weil es bei euch immer wieder Bestechung gibt. Ihr haltet euch nicht an die Regeln, bei euch sind Bestechungsgelder sogar absetzbar.“ Noch offener kann man das nicht sagen. In Griechenland sind viele Millionen Euro Schmiergelder geflossen. Airbus soll in den 1990er Jahren Saudi-Arabien Bestechungsgelder gezahlt haben, um an einen Milliardenauftrag zu kommen. Die Sache ist nur aufgeflogen, weil die NSA das mitbekam – und dann ging der Auftrag an Boeing. Derzeit ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft wegen möglicher Korruption bei Rüstungsgeschäften in Saudi-Arabien und Rumänien. Wenn ich amerikanerischer Geheimdienst wäre, würde ich Airbus auch überwachen!

mehr:
- Staatsrechtler zur NSA-Spionage: „Wenn ich US-Geheimdienst wäre, würde ich Airbus auch überwachen“ (Interview mit Ulrich Battis, Cicero, 12.05.2015)

Sascha Lobo über NSA, Überwachung, Privatsphäre, Verschlüsselung, Snowden [6:12]

Veröffentlicht am 12.07.2013
Sascha Lobo über Totalüberwachung, Gegenmaßnahmen, Snowden, NSA, Darknet, Verschlüsselung, Überwachung als Gefährdung der Demokratie

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