Samstag, 20. Juni 2015

Das gute Leben ist keine Staatsaffäre

Kolumne Grauzone. Die Regierung möchte mit einer Veranstaltungsreihe von den Bürgern erfahren, was ein gutes Leben ausmacht. Dabei gibt sich die Politik bewusst unpolitisch und missachtet, dass sie mit der Kampagne ein bedrohliches Verständnis ihrer Zuständigkeit beweist

Seit 2.500 Jahren denken Philosophen darüber nach, was das gute Leben ausmacht. Besonders originelle Vorschläge sind in dieser Zeit nicht gemacht worden. Sieht man mal von ein paar Radikalinskis ab, die uns entweder die ganz große Sause empfehlen oder aber Enthaltsamkeit und Askese predigen, waren sich die meisten Denker einig, dass das gute Leben im biederen Mittelmaß liegt: Lecker schlemmen, toller Sex, ordentlich einen heben – aber alles in Maßen und bitte nicht übertreiben. Klingt wahnsinnig spießig, ist es auch, aber die Erfahrung lehrt: stimmt eigentlich.

Wenn man dann noch vor all zu großen Schicksalsschlägen verschont bleibt und in Frieden und Sicherheit lebt, gibt es eigentlich keinen Grund für ernsthafte Beschwerden.

Damit könnte die Sache erledigt sein. Ist sie aber nicht. Denn wir haben ja unsere Bundesregierung. Und die macht sich Sorgen. Nämlich über uns, die Bürger. Genauer: Darüber, ob wir auch zufrieden sind. Deshalb möchte sie von uns wissen, was gutes Leben für uns bedeutet.

Mit 150 Veranstaltungen zum guten Leben

Zu diesem Zwecke wurde vor zwei Monaten bei einer Veranstaltung in Berlin ein so genannter Bürgerdialog gestartet. Sein Titel: „Gut leben in Deutschland“. Vorgestellt wurde er von der Kanzlerin und ihrem Vize. Von der Regierungschefin erfuhr man, dass gutes Leben für sie Gesundheit bedeutet, ihrem Wirtschaftsminister sind seine „beiden Mädels“ wichtig. Das Ziel der Kampagne sei es, so die Kanzlerin, herauszufinden, wie es um die Lebensqualität in unserem Land bestellt sei, was diese ausmache und wie man sie politisch verbessern könne.

Um das herauszufinden, werden in diesem Jahr 150 Veranstaltungen stattfinden, auf denen die Menschen berichten sollen, was für sie gutes Leben bedeutet. Jetzt im Juni geht es los. Die Kanzlerin wird allerdings eher selten dabei sein, der Bürger wird mit Mitarbeitern des Kanzleramtes und der Ministerien in Dialog treten müssen. Oder er kann sich auf einer eigenen Homepage einbringen.

Man könnte das alles als Posse des gehobenen Politmarketings abtun. Doch ganz so harmlos ist diese Sache nicht. Denn was hier zum Ausdruck kommt, ist ein bizarres Verständnis von den Aufgaben der Politik, eine bedrohliche und zutiefst beklemmende Vorstellung von der Allzuständigkeit des politischen Apparates.


Vorsicht bei bewusst unpolitischer Politik
Denn zunächst kann man ganz einfach festhalten: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, das gute Leben seiner Bürger zu fördern. Er soll die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Anders gesagt: Er soll für Recht und Ordnung sorgen und eine intakte Infrastruktur. Das war es dann aber auch schon. Um unser Glück, lieber Staat, kümmern wir uns schon alleine.

Verräterisch an der ganzen Veranstaltung ist schon die Wortwahl: gutes Leben. Das soll wahrscheinlich philosophisch klingen und lebensnah. Auf jeden Fall aber unpolitisch. Genau dann aber, wenn die Politik sich bewusst unpolitisch gibt, um effizienter Politik machen zu können, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Und Aufmerksamkeit.

mehr:
- Das gute Leben ist keine Staatsaffäre (Alexander Grau, Cicero, 20.06.2015)

Wie ich diese Polit-Versrschungs-Aktionen hasse!
Also ob es die da oben interessiert, wie es mir geht! Einen Dreck scheren die sich! Ich will’s auch gar nicht. Aber Mama Merkel versucht, jeden auf ihren Schoß zu zwingen. Diese ganze staatlich gelenkte Blockwart-Ukraine-Berichterstattung spricht für sich und dafür, wie die da oben meine Intelligenz einschätzen. Da fühle ich mich zutiefst beleidigt. Und diese Veranstaltung ist eine weitere Beleidigung! Die Heute Show hat diese Sand-in-die-Augen-Streu-Maschinerie ordentlich auf die Schippe genommen.

heute-show (ZDF, 17.04.2015) Gut Leben in Deutschland | Entspannt verarscht werden etc.! [12:48]

Veröffentlicht am 20.04.2015
heute-show (ZDF) vom 17.04.2014 - 22:40 (Satiresendung)
Oliver Welke & Kollegen mit den Themen...
- Bürgerdialog unter dem Motto "Gut Leben in Deutschland" mit Kanzlerin Merkel
- Telekolleg "Entspannt verarscht werden" mit Birte Schneider
- Schizophrene Herdprämie: SPD verklagt sich selbst
- Ferndiagnose der erkrankten SPD-Politiker von Dr. med. Ullrich von Heesen
Günter Grass hat sich vor fast fünfzig Jahren einmal über die erste Bürgerpflicht ausgelassen:
- Rede über die erste Bürgerpflicht (ZEIT Archiv, 13.01.1967)
Der Bürger hat das Wahlrecht. Dieses Recht verbindet ihn direkt mit dem Staat. Indem der Bürger Steuern an Bund und Länder zahlt, ist er abermals mit dem Staat verbunden. Das vergißt der Staat gern, obgleich er vom Bürger lebt und diesen verpflichtet, Steuern zu zahlen. Legt der Staat dem Bürger außer Steuer- und Wehrpflicht weitere Pflichten auf? Schon auf der Schulbank ist es uns gesungen worden: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Wir erinnern uns: Nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt, also nach dem Zusammenbruch des museal gewordenen Preußen, rief der Kommandant der Stadt Berlin den, wenn nicht unruhigen, dann doch beunruhigten Bürgern seiner Stadt zu, Ruhe sei die erste Bürgerpflicht; nicht Preußen, der König habe eine Bataille verloren. Dabei ist es in Deutschland geblieben. Mit anbefohlener Ruhe schauten die Bürger fortan zu, wenn irgendwo – für sie oder auf ihre Kosten – an der Wolga eine Bataille verloren, im Reichstag ein Ermächtigungsgesetz verabschiedet, im Bundestag die Wiederbewaffnung beschlossen, im Wahlkampf ihre Steuergroschen verschleudert wurden.

Dabei hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Unruhe als erste Bürgerpflicht zu bestallen. Seit Beginn der deutschen Aufklärung bis in unsere Tage hinein wird fleißig und pedantisch gestritten, was erste Bürgerpflicht sein müsse: Ruhe oder Unruhe. Abiturientenaufsätze mögen so lauten. Ich stelle mir einen Neunzehnjährigen vor, wie er – sei es gegen den Lehrer, sei es wohlwollend ermuntert vom Lehrer – für die Unruhe eine Lanze bricht, um dann, kaum hat er das windstille Klassenzimmer verlassen, kaum hat ihn die Universität aufgenommen, kaum haben Sicherheitsbedürfnis und die Kettenreaktionen neubürgerlicher Karriere-Chronologie ihre Ansprüche gestellt, alle Unruhe als Jugendeselei zu bündeln und der Ruhe anheimzufallen.

Wie rasch hierzulande berechtigte große Unruhe zur selbstzufriedenen und resignierten Ruhe zusammenschnurrt, sollen drei Beispiele zeigen. Als während der Jahre 1954/55 im Bundestag die Wiederbewaffnung beschlossen werden sollte und sich heftige Debatten an diesem Thema entzündeten, entstand, fußend auf Unruhe und immer noch deutlichen Kriegsfolgen, die „Ohnemich-Bewegung“. Die Übriggebliebenen der Jahrgänge 20 bis 25 beantworteten die Frage nach der Wiederbewaffnung direkt und unpolitisch, das heißt beim eigenen Interesse verharrend, mit der Ohne-mich-Geste. Die Regierung wußte darauf zu reagieren. Sie verzichtete auf die ohnehin dezimierten und geprüften Jahrgänge, verließ sich auf die weitgehend unerfahrene, nachwachsende Jugend; und diese Jugend sagte nicht „ohne mich“. Sie bewahrte Ruhe und machte mit.
Man merkle sich diesen Satz: Ruhe bewahren und mitmachen!
TTIP wird kommen, Fracking wird kommen: Ruhe bewahren und mitmachen. Beim Preisausschreiben winkt ein Chlorhühnchen! William Shakespeare hat es vor 500 Jahren schon so formuliert:
All the world´s a stage, And all the men and women merely players; They have their exits and their entrances (Wie es euch gefällt, Wikipedia)
Die Ukriane-Berichterstattung hat mir vollauf gereicht. 
Und jetzt alle miteinander: 
Putin ist schuld! Wir sind die Guten! 
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!
Putin ist schuld! Wir sind die Guten!

Verschont mich also! Zum Abschluß nochmal Grass:
Und heute? Erschöpft lassen sich die gestern noch Protestierenden in ihre Sessel fallen, ein wenig geseufzt wird noch, aber das schöngeblümte Deckmäntelchen des Proporz hat den Erreger des großen Zorns schon aus dem Blick geräumt. Wer spricht noch von Erhard; wer spricht von der Veruntreuung und dem Verschleudern des Staats- und also Volksvermögens? Jeder Bankdirektor, der sich, in Proportionen, ähnlicher Vergehen schuldig machte, säße heute vor Gericht. Ludwig Erhard jedoch durfte sich hohl daherredend vom „deutschen Volk in seiner Ganzheit“ verabschieden. Gekränkt, aber ungeschoren sitzt er im Bundestag.
War doch nicht der Abschluß, ich hab’ ncoh was von Bazon Brock gefunden, zum Genießen…
»Kommunikation ist eine merkwürdige Erfindung der Natur, nämlich: sich in der Welt zu orientieren, ohne etwas verstehen zu müssen. Stell’n Sie sich vor, die Lebewesen hätten warten müssen bis sie leben, nachdem sie verstanden haben, was die Bedingung der Möglichkeit ist, dann wären sie nie in die Welt gekommen« (Ich hab’ ja gesagt: zum Genießen!)
noch einen? (wie gesagt: zum Genießen:) 
»weil es so schwer für normale Menschen ist, anzuerkennen, daß es eine Diskrepanz gibt zwischen wie wir uns in der Welt untereinander bewegen – also: kommunizieren ohne zu verstehen – und dem, was die Wirklichkeit uns wirklich zumutet. Es ist der Macht- und Omnipotenzwahnsinn des Menschen, vor allem im Westen… das waren gestandene Manager, die erzählten alle Quatsch!«
Ich brech’ das mal auf unsere geliebte Politik runter: »Stell’n Sie sich vor, die Wähler hätten warten müssen, bis sie ihr Kreuzchen machen, nachdem sie verstanden haben, was da abgeht, dann hätten sie das Wahllokal nie aufgesucht.«
Oder in Bezug auf die ukrainischen Soldaten (US-Elitesoldaten frustriert von ukrainischer Armee, Post, 25.06.2015): »Stell’n Sie sich vor, die ukrainischen Soldaten hätten warten müssen, bis sie eine Knarre in die Hand nehmen, nachdem sie verstanden haben, was da abgeht, dann hätten sie nie eine Uniform angezogen.«
Oder in Bezug auf NATO-Generalsekretäre (Ukraine 15 – Die – zumindest teilweise – Vernichtung eines gepanzerten russischen Phantom-Konvois, Post, 15.08.2015): »Stell’n Sie sich vor, Fog Rasmussen hätte warten müssen, bis er vor die Kameras und Mikrophone tritt, nachdem er verläßliche Informationen bekommen hat, dann hätte er den Job nie gemacht.«

Der Philosoph Bazon Brock zu unlösbaren Problemen in Deutschland [20:55]

Veröffentlicht am 12.05.2015
Bazon Brocks Interview bei RT Deutsch in voller Länge. Bazon Brock, Philosoph und Gründer der „Denkerei“, im Interview über „Kommunikation und das Scheitern des gegenseitigen Verstehens in der Politik“, und was er Außenminister Steinmeier schon immer einmal sagen wollte.

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mein Kommentar:
brauchen wir jetzt schon die Russen, um den philosophischen Hintergrund unserer Gesellschaft dargelegt zu bekommen?

Vielleicht liege ich ja völlig falsch. Vielleicht wollen die Menschen keine andere Gesellschaft, vielleicht wollen sie einfach nur ein Auto (Insider: »brrmmm, brrmmm, Treckerfahren«):
Die Meinung der Arbeiter über Studenten der 68er-Bewegung

Veröffentlicht am 21.08.2012
Gegen-Sozialismus.jimdo.com
Zitat:»Irgendwie wollten die Arbeiter nicht das richtige Klassenbewußtsein eintwickeln. Vielleicht wollten sie lieber einen Opel Kadett…Dutschke & Co. hofften auf ein Proletariat, das es nicht gab.«
»Divide et impera!«(Wikpedia)

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