Samstag, 9. Mai 2015

Ein General begeht Suizid

Als der zwölfte und letzte Prozeß in Nürnberg gegen 13 Generale und einen Admiral eröffnet werden sollte, blieb ein Platz leer. Die Angeklagten waren erregt und blaß. Der Gerichtsmarschall erläuterte dem Gericht, einer der Angeklagten liege im Krankenhaus. Um 9.20 Uhr eröffnete der Präsident das Gericht. Um 11 Uhr wurde bekannt, Generaloberst Johannes Blaskowitz habe um 7.30 Uhr einen Selbstmordversuch unternommen und sei um 10.20 Uhr verstorben. 

An diesem Morgen waren die Häftlinge nach dem Kaffee wie immer im Gänsemarsch zu ihren Zellen zurückgeleitet worden, als der 64jährige Blaskowitz plötzlich aus der Reihe sprang, mit Hilfe einer Leiter, die ein Maler aufgestellt hatte, das 2,50 m hohe Schutzgitter überstieg und sich in den zentralen Lichthof des Nürnberger Gerichtsgefängnisses stürzte.
mehr:
- In den Lichtschacht – Um Schlimmeres zu verhindern (SPIEGEL, 14.02.1948)
Siehe auch:
- Johannes Blaskowitz (Wikipedia):
Am 27. September 1939 nahm Blaskowitz die Kapitulation Warschaus entgegen. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wurde er von Hitler zum Generaloberst befördert und als einer der ersten deutschen Soldaten mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.[5] Kurze Zeit später wurde er Oberbefehlshaber des deutschen Besatzungsheeres in Polen. Blaskowitz protestierte im Herbst 1939 und Winter 1939/40 mehrfach gegen die radikale Umsetzung der von Hitler angeordneten „völkischen Flurbereinigung“, also gegen die zwangsweise Vertreibung sehr vieler Polen aus dem annektierten Wartheland und dem Reichsgau Danzig-Westpreußen. Er war verärgert über Anmaßungen selbstständiger Polizeikräfte, sorgte sich um die Disziplin der Truppe und nannte auch moralische Argumente.[6]
„Eine ganz besonders und stetig wachsende Beunruhigung des Landes bringt die Umsiedlung mit sich. Es liegt auf der Hand, daß die darbende und um ihre Existenz und ihr Leben ringende Bevölkerung nur mit größter Sorge die völlig mittellos, über Nacht aus ihren Häusern gerissen[en], sozusagen nackt und hungernd bei ihr unterkriechenden Massen der Umgesiedelten betrachten muß. Dass diese Gefühle durch die zahlreichen verhungerten, toten Kinder jedes Transportes und die Waggons voller erfrorener Menschen zu maßlosem Haß gesteigert werden, ist nur zu erklärlich. Die Ansicht, man könne das polnische Volk mit Terror einschüchtern und am Boden halten, wird sich bestimmt als falsch erweisen.“
– Johannes Blaskowitz: Memorandum November 1939[7]

Blaskowitz protestierte mehrfach gegen die Misshandlung und Ermordung von jüdischen und nichtjüdischen Polen durch SS-Einsatzgruppen und Polizeieinheiten.[8] Er verhängte auch Todesurteile gegen SS-Angehörige wegen Verbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung, welche aber von Hitler aufgehoben wurden.[9] In einem Bericht vom 27. November 1939 schrieb er, dass die „Verbindung zu den Organen der Sicherheits- und Ordnungspolizei ... ziemlich gestört“ sei und dass die „Truppe es ablehnt, mit den Greuelhandlungen der Sicherheitspolizei identifiziert zu werden und von sich aus jedes Zusammengehen mit diesen fast ausschließlich als Exekutionskommandos arbeitenden Einsatzgruppen“ verweigere. Infolge der Gewalttaten schwanke „die Einstellung der Truppe zu SS und Polizei ... zwischen Abscheu und Haß“.[10]
„Der schlimmste Schaden jedoch, der dem deutschen Volkskörper aus den augenblicklichen Zuständen erwachsen wird, ist die maßlose Verrohung und sittliche Verkommenheit, die sich in kürzester Zeit unter wertvollem deutschen Menschenmaterial wie eine Seuche ausbreiten wird. Wenn hohe Amtspersonen der SS und Polizei Gewalttaten verlangen und sie in der Öffentlichkeit belobigen, dann regiert in kürzester Zeit nur noch der Gewalttätige. Überraschend schnell finden sich Gleichgesinnte und charakterlich Angekränkelte zusammen, um, wie es in Polen der Fall ist, ihre tierischen und pathologischen Instinkte auszutoben. Es besteht kaum noch Möglichkeit, sie im Zaum zu halten, denn sie müssen sich mit Recht von Amtswegen autorisiert und zu jeder Grausamkeit berechtigt fühlen.“
– Johannes Blaskowitz: Denkschrift zur militärpolitischen Lage vom 6. Februar 1940[11]
Zumindest seine ersten beiden Berichte zogen weite Kreise, obwohl sie von der Führung ignoriert wurden: der Abwehroffizier Helmuth Groscurthinformierte am 18. Dezember 1939 die Stäbe der drei Heeresgruppen an der Westfront anhand der Blaskowitz-Berichte von den Vorkommnissen in Polen. Besonders der zweite Bericht wurde vielfach kopiert und verteilt; er löste massive Empörung aus – besonders deshalb, weil die berichteten Sachverhalte ungesühnt bleiben sollten.[10]

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Im März 1940 protestierte er neben Generaloberst Johannes Blaskowitz, dem Oberbefehlshaber des deutschen Besatzungsheers in Polen, gegen die Gewalttaten der SS und der Polizeitruppen im besetzten Polen und verlangte kategorisch deren Ablösung:[1]... die sich häufenden Gewalttaten der polizeilichen Kräfte zeigen einen ganz unbegreiflichen Mangel menschlichen und sittlichen Empfindens, so daß man geradezu von Vertierung sprechen kann“. Ulex wurde kurze Zeit später seines Postens enthoben.
[…]
Ulex stand auch aufgrund seiner christlichen Weltanschauung (er war Sympathisant der Bekennenden Kirche und wurde deswegen von Heinrich Himmler als „unbelehrbarer Vertreter der Bekenntnisfront“ eingestuft[1]) dem nationalsozialistischen Regime kritisch gegenüber. [Wilhelm Ulex, Wikpedia]

Ein schweigsamer und viele gehorsame Generale, ein bornierter Diktator, ein beklopper Reichsjägermeister und die Kriegswende in Stalingrad

Walther von Seydlitz, der Realist von Stalingrad, wird achtzig Jahre alt


Ein Mann des Widerstandes gegen Hitler kam zu spät aus russischer Kriegsgefangenschaft, um die Anerkennung zu finden, die ihm gebührt. Er lebt zurückgezogen in einem Reihenhaus in Bremen, isoliert von seinen alten Kameraden, die ihm nicht verzeihen wollen, was er in Stalingrad und später getan hat. Dabei hat er lediglich Gesetze mißachtet, die unter Hitler bedingungslos zu befolgen längst fragwürdig geworden war: Walther von Seydlitz-Kurzbach, aus alter Soldatenfamilie stammend und von preußischer Tradition geprägt, General der Artillerie und Kommandeur eines Armeekorps in Stalingrad, begeht in diesen Tagen seinen 80. Geburtstag.

Seydlitz scheut die Öffentlichkeit, meidet Publizität, die viele nach dem Krieg zu ihrer eigenen Rechtfertigung gesucht haben. Leider, denn sein Wort hätte auch heute noch Gewicht. Der General wurde den Soldaten der Ostfront zum erstenmal bekannt, als er im Frühjahr 1942 bei Demjansk sechs eingeschlossene Divisionen freikämpfte, und zwar nach energischem Widerstand gegen einen anderslautenden Befehl Hitlers. Ende Oktober desselben Jahres stand er mit seinem I. Korps im Verband der 6. Armee in Stalingrad. Seydlitz drängte die Armee, die verlustreichen Stadtkämpfe an der Wolgafront einzustellen, damit sich die abgekämpften, dezimierten Truppen erholen und auf die erwarteten schweren Winterangriffe der Russen vorbereiten könnten. Doch die Armeeführung lehnte ab.

mehr:
- Der schweigsame General (Ernst Wilhelm Graf Lynar, ZEIT Online, 09.08.1968)
Zitat:
Trotzdem drängte Seydlitz jetzt Paulus immer wieder, die Initiative zu ergreifen und den sinnlosen Kämpfen ein Ende zu setzen. „Es war mir einfach unmöglich“, sagte er rückblickend „in dem elenden Verhungern, Erfrieren und Dahinsterben, in dem Zusammenknallen deutscher Soldaten durch offen aufgefahrene russische Panzer den letzten Sinn des Soldatentums und der Soldatenehre zu erblicken.“ Seydlitz war empört, daß Paulus selbst in letzter Stunde nicht das Unumgängliche selbst zu entscheiden wagte.
Stalingrad hat, wie wir heute wissen, nicht nur die äußere Wende im Zweiten Weltkrieg gebracht. Es hat auch den Krieg als Hitlers eigenen Krieg entlarvt. Wer immer Hitlers Ziele und seine Strategie beurteilen konnte, mußte sich jetzt die Frage stellen, ob weiter gekämpft und gestorben werden sollte. An dieser Frage schieden sich damals schon und scheiden sich noch heute die Geister – auch in der Bundeswehr.
Die Männer des 20. Juli 1944 haben die Frage für sich entschieden, ihr Widerstand sollte den Krieg so rasch wie möglich beenden. Nichts anderes wollte Seydlitz, als er sich in der Gefangenschaft dem bereits vorher gegründeten Nationalkomitee Freies Deutschland (als Vizepräsident) und dem Bund Deutscher Offiziere (als Präsident) zur Verfügung stellte. Daß er dort mit Kommunisten, Vertretern eines anderen totalitären Regimes zusammenarbeiten mußte, hat ihn in schwere Gewissenskonflikte gestürzt. Er entschloß sich dazu erst, nachdem ihm Ende August 1943 der NKWD-General Melnikow im Namen der sowjetischen Regierung zugesichert hatte, daß nach einem kampflosen Rückzug der deutschen Truppen die Reichsgrenzen von 1937 garantiert würden.
Ihm ging es darum und um den Sturz Hitlers. In diesem Sinne richtete er seine eindringlich formulierten Briefe an die obersten Kommandeure der deutschen Ostfront. Von den Intrigen und ideologischen Machtkämpfen innerhalb des Komitees und des Bundes Deutscher Offiziere hielt er sich fern; allen kommunistischen Annäherungsversuchen wies er die kalte Schulter. Er gab sich auch keinen Illusionen hin über den Wert der sowjetischen Grenzgarantie – sie schriftlich zu bestätigen hatte Melnikow verweigert –, und er verkannte auch nicht, daß sein Einfluß auf die Soldaten der Ostfront, die er über Lautsprecher und in Flugblättern ansprach, unbedeutend bleiben würde. Dennoch ergriff er diese letzte, wie auch immer begrenzte Chance, um zu retten, was noch für Deutschland zu retten war. Er nahm dabei in Kauf, daß Hitler ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilen ließ und seine Familie ins KZ brachte.
siehe auch:
- Walther von Seydlitz-Kurzbach – General im Schatten Stalingrads (Bodo Scheurig, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin. PDF)
Zitat:
Ähnlich abschreckende Erfahrungen im Sponeck-Prozeß, in dem Seydlitz trotz Sträubens als Beisitzer fungieren mußte. Sponeck hatte auf der Krim eigenmächtig Rückzüge befohlen, weil er glaubte, nur durch Absetzbewegungen sein bedrängtes Korps retten zu können. Das Korps wurde gerettet, verlor aber Teile der Ausrüstung. Göring, Vorsitzender des Kriegsgerichts, informierte Seydlitz, daß Hitler die Todesstrafe verlange, um ein warnendes Exempel zu statuieren. Hinterher sei beabsichtigt, Sponeck zu fünfzehn Jahren Festungshaft zu begnadigen. Seydlitz empörte das von vornherein feststehende Urteil, ebenso Görings "abfertigende" Verhandlungsführung, die keine Zeugenaussagen gestattete. Das Kriegsgericht verurteilte, wie geplant, Sponeck zum Tode. Hitler begnadigte ihn darauf zu sechs Jahren Festungshaft; 1944 ließ Himmler den General kurzerhand erschießen. Sponeck bekannte sich im Schlußwort zu seinem Handeln. Seydlitz entnahm dem Prozeß, daß auch der höhere Truppenkommandeur zu einem willenlosen Befehlsempfänger herabgewürdigt werden sollte. Selbständige Regungen galten als Schmach - ein Gehorsamsprinzip, das bewährte Grundsätze zerstörte. […]
Der abnorme Frontbalkon um Demjansk blieb. Zwölf Divisionen hatten ihn und den freigekämpften "Verbindungsschlauch" in erbittertem, verlustreichen Ringen weiterhin zu halten. Eine "Panzerarmee Model" trat nie zum Angriff an. Erst Stalingrad veranlaßte Hitler, dieses makabre Kapitel Kriegsgeschichte abzuschließen. Seydlitz leugnete nicht, daß der Demjansker Frontbalkon feindliche Kräfte fesselte. Aber Hitlers Führung verhöhnte erprobte Grundsätze; sie klebte an jedem Quadratkilometer russischen Bodens und war "unfähig zu beweglicher, mit örtlichen Rückzügen verbundener strategischer Konzeption". Die maßgebenden Berater, schien es, vermochten sich nicht gegen den Diktator durchzusetzen. Statt Hitler von unsinnigen "Intuitionen" notfalls gewaltsam abzubringen, zeigten Halder wie Jodl Schwäche und Unterwürfigkeit. Militärischer Dilettantismus triumphierte. Seydlitz begann zu ahnen, daß solch eine Spitzengliederung alle Erfolge der Wehrmacht verspielen mußte. Seine Ablehnung Hitlers wuchs. Von jetzt an quälten ihn Sorgen um die Fronttruppe. Der Krieg, so glaubte er, war auch ohne den "neuen, fürchterlichen Gegner Amerika" auf dem Schlachtfeld verloren. […]
Zangenschluß der Roten Armee bei Kalatsch (Quelle: Wikipedia)
 Drei Tage später vereinigten sich die sowjetischen Keile bei Kalatsch: die 6. Armee war umgangen und von rückwärtigen Verbindungen abgeschnitten. Paulus, dessen Chef des Stabes Schmidt und die übrigen Generale wußten: die Lage der 6. Armee nötigte zum sofortigen Ausbruch nach Südwesten. Alternativen entfielen. Richthofen, Fiebig und Pickert, die Luftwaffenkommandeure vor Stalingrad, erklärten unmißverständlich, daß eine Luftversorgung für 250.000 Mann ausgeschlossen sei.
So eindeutig die Situation: Hitler befahl der Armee, Stalingrad zu halten und Entsatz abzuwarten. Seydlitz begriff, daß sich Demjansk wiederholen sollte. Eindringlich beschwor er Paulus, unverzüglich zu handeln und nach oben zu melden, daß die Ereignisse eine Kesselbildung unmöglich gemacht und den Ausbruch erzwungen hätten. Solche Sprache - schien ihm - deckte die einzig denkbare Lösung, nannte vollendete Tatsache, was einzuleiten war, und vermied offenen Ungehorsam. Kräfteabgaben des L1.Korps, mit denen die inzwischen umklammerte Armee ihre Fronten stabilisierte, förderten den richtigen, unumgänglichen Entschluß. Um ihn und die notwendigen Rückzugsbewegungen zu beschleunigen, verkürzte Seydlitz Abschnitte seines Korps - eine "Eigenmächtigkeit", die Krisen auslöste und Kriegsgericht einzutragen drohte.
Der Vorfall blieb bedeutungslose Episode. Die Würfel fielen woanders. Paulus konnte sich nicht zu selbständigen Taten entschließen. Er bat um Handlungsfreiheit und verlor sie. Hitler, dem Göring ohne Detailstudien zusicherte, daß die Luftwaffe auch 250000 Mann versorgen werde, beharrte auf seiner Weisung. Einsprüche des Generalstabschefs wurden abgetan oder zurückgewiesen. Die Spitze der 6. Armee gehorchte und verleugnete die klaren, unwiderlegten Schlüsse, die sich ihr zuvor aufgedrängt hatten. Glaube ersetzte Analysen. Wie alle Generale mußte Seydlitz den "Führerbefehl" hinnehmen. Die Haltung der Vorgesetzten ließ keinen Ausweg. Obschon eigens zum verantwortlichen Befehlshaber der Stalingrader Nordfront ernannt, vermochte er mit einem Korps nicht gegen die Armee zu handeln.
Um so demütigender die Weisung des Diktators. Weniger denn je täuschte sich Seydlitz über die Widersprüche, in die sie gerade ihn verstrickte. Seit der Kampf im Ruinengewirr Stalingrads tobte, war er gezwungen, bewährte Führungsmaximen zu verletzen: für den guten Kommandeur eine Kette qualvoller Konflikte. Nun hatte er erst recht die bessere Einsicht zu widerrufen und umzustoßen, doch der Wahnwitz einer Einkesselun9 von 22 Divisionen schien Seydlitz zu ungeheuerlich, die Selbstbeschwichtigung der obersten Ränge würdelos und unerträglich. In einer Denkschrift vom 25. November 1942, die sein Stabschef Obersti. G. Clausius entwarf, verlangte er noch einmal den Ausbruch der 6. Armee.
Die Denkschrift umging jene angeblich unbekannte "große Lage", die Paulus zum Vorwand des Gehorsams nahm; Seydlitz rechnete mit dem Übersehbaren: einfachen Faktoren. Würde das LI.Korps, so die Resultate, "auf ganzer Front angegriffen", hätte es sich angesichts der Munitionslage in zwei, drei Tagen "verschossen". "Woher die für die Versorgung der Armee benötigte große Zahl Ju (52) genommen werden soll, ist nicht ersichtlich. Wenn sie überhaupt vorhanden ist, müssen die Maschinen aus ganz Europa und Nordafrika erst zusammengeflogen werden ... Selbst wenn täglich 500 Maschinen statt der in Aussicht stehenden 130 landen werden, können nicht mehr als 1000 Tonnen Güter herangebracht werden, die für den Bedarf einer Armee von rund 200000 Mann, im Großkampf und ohne Vorräte, nicht ausreichen." Allenfalls Bruchteile des notwendigsten Munitions-, Treibstoff- und Verpflegungsbedarfs dürften den Kessel erreichen.
Dem Gegner winke "ein Sieg in einer Vernichtungsschlacht klassischen Ausmaßes". Er kenne die deutschen Versorgungsschwierigkeiten. "Mit unverminderter Heftigkeit" werde er weiterhin angreifen. Scheiterten mehrere seiner Angriffe, "wird doch der Enderfolg dann eintreten, wenn die Armee sich verschossen hat und wehrlos ist". Dem Feind derartige Überlegungen absprechen, hieße "das unrichtigste Handeln erwarten. Dies hat in der Kriegsgeschichte stets zu Niederlagen geführt". Der Vernichtung könne die 6. Armee nur entgehen, sofern Entsatz in kürzester Frist wirksam würde. Für ihn läge aber nicht ein einziges Anzeichen vor. "Der Aufmarsch einer zu schnellem Durchstoß über den Don und gleichzeitiger Abdeckung ihrer Nordflanke ausreichenden Armee ... dauert Wochen. Hinzu kommt der Zeitbedarf für die Operationen selbst, der bei den Unbilden der Witterung und den kurzen Tagen der jetzigen Jahreszeit bedeutend größer ist als im Sommer."
Seydlitz weigerte sich zu glauben, daß die Truppe "bewußt aufgeopfert" werden solle. Die zwingende Folgerung lautete daher: sofortiger Ausbruch, um wenigstens die Masse der 6. Armee dem Untergang zu entziehen. "Jedes Zögern mindert seine Aussichten, mit jedem Zögern nimmt die Zahl von Kämpfern und Munition ab. Mit jedem Zögern wird der Feind an der Durchbruchsfront stärker ... Hebt das OKH den Befehl zum Ausharren in der Igelstellung nicht unverzüglich auf, so ergibt sich vor dem eigenen Gewissen gegenüber der Armee und dem deutschen Volke die gebieterische Pflicht, sich die durch den bisherigen Befehl verhinderte Handlungsfreiheit selbst zu nehmen und von der heute noch vorhandenen Möglichkeit, die Katastrophe durch eigenen Angriff zu vermeiden, Gebrauch zu machen. Die völlige Vernichtung von zweihunderttausend Kämpfern und ihrer gesamten Materialausstattung steht auf dem Spiel. Es gibt keine andere WahL"
Paulus' Stabschef Schmidt befand in einer Randbemerkung, daß sich General von Seydlitz nicht den Kopf der Armee zu zerbrechen habe und die Armee nicht den des Führers. Generalfeldmarschall von Manstein, Oberbefehlshaber der für den Entsatz neugebildeten Heeresgruppe Don, reagierte klüger. Die Daten und Zahlen der Denkschrift beunruhigten ihn; sie dämpften seinen ursprünglichen Optimismus. In Meldungen an Hitler griff er die eindrucksvollsten Argumente auf, doch das Dokument legte er zu den Akten der Heeresgruppe. Was Seydlitz - nun auch im offenen Ungehorsam - abwenden wollte, begann sich einzustellen. Nahezu wortwörtlich bestätigte die Entwicklung alle Prognosen. […]
Seydlitz erlebte die vorausgesagte Katastrophe mit Bitterkeit. Was sie widerspiegelte, hieß für ihn: Dilettantismus und Wahn des Diktators, aber auch Feigheit und Versagen der militärischen Spitzen, die sich gegen jede Erkenntnis sklavisch unterordneten. 22 Divisionen - im Grunde zwei Armeen - wurden geopfert, dahingerafft. Ihr Kampf hatte nur noch die ärgsten Konsequenzen verfehlter Strategie abzumildern: jammervollste unter allen "Sinn"gebungen. Nirgendwo vermochte solch ein Zweck die Vernichtung von zweihunderttausend Menschen aufzuwiegen, geschweige denn zu rechtfertigen. Die Ohnmacht, die Seydlitz fühlte, steigerte seine innere Erregung. Einem Offizier, der ausfliegen sollte, erklärte er: niemand dürfe sich darüber wundern, wohin "wir bei dieser Führung geraten sind". Unfaßliche Entscheidungen, die traditionelle Lehren, ja, allgemeine Sittengesetze verhöhnten, trügen die Schuld am Zusammenbruch der 6. Armee. Die Verantwortlichen seien gerichtet. "Stalingrad ist eine Beresina im Quadrat2). Deutschland wird einmal ein Stalingrad im Quadrat sein."
Paulus bat Hitler in einem Funkspruch erneut um Handlungsfreiheit. Eindringlich verdeutlichte er die Lage im Kessel. Manstein befürwortete nun den Abbruch des grauenvollen, ungleichen Ringens, in dem sich die Eingeschlossenen weit länger als erwartet verteidigt hatten. Hitler jedoch untersagte Kapitulationsverhandlungen und befahl: Widerstand bis zur letzten Patrone! Das Würgen, jetzt in schneidender Kälte, dauerte an. Leiden und Sterben überstiegen alle Maße. Was der Armeeführung blieb, waren Entschlüsse der Verzweiflung. Erschöpfte und Versprengte wurden mit einigen Gramm Brot für Einsätze geködert, Kranke und schließlich auch Verwundete in improvisierte Stellungen gesteckt. Statt schwerer Waffen sollten Parolen bei der Abwehr eines Gegners helfen, der ungehindert aufmarschierte, umgruppierte und angriff. Die 6. Armee spürte, daß jede Hoffnung betrogen und ihre Treue verraten war; sie sank ins Chaos und verfluchte Hitler.
Seydlitz glaubte nicht, daß die Trümmer-Divisionen dieser Armee noch erhebliche Feindkräfte banden: der "Sieg in einerVernichtungsschlacht klassischen Ausmaßes" war den Sowjets gewiß. So bestürmte er Paulus, dem "sinnlosen Hinopfern" Einhalt zu gebieten und wenigstens organisiert zu kapitulieren. Paulus, längst Resignation, erwiderte: "Ich tue nichts." Darauf meldete ihm Seydlitz, daß er selbständig handeln werde. Seiner Truppe gab er Order, die Munition zu verschießen und den Kampf einzustellen - mit der Folge, daß er - abgesetzt wurde. Gegenweisungen verlangten, auf jene zu feuern, die sich ergeben wollten: Zeugnis des "heroischen Fanatismus", den Presse- und Rundfunkkommentare pathetisch feierten. allein der Feind machte nun ein Ende. Russische Infanterie- und Panzereinheiten spalteten die 6. Armee. Ihre Reste gerieten in einen Nord- und Südkessel. Unter totaler Auflösung erlosch am 31. Januar und 2. Februar 1943 der letzte Widerstand. Paulus, zum Generalfeldmarschall befördert, kapitulierte lediglich mit dem Armeestab und einigen Sicherungskräften. Vor seinem Kellergewölbe sollte es - Worte Schmidts - nicht zu Gefechten kommen. Der Tod, tausendfache Konsequenz barbarischer Durchhaltebefehle, galt nur für die namenlosen Soldaten. Trotzdem fielen noch, freilich nahezu verhungert oder erfroren, 92000 Mann in sowjetische Gefangenschaft. Die Schlacht um Stalingrad, blutigste und entsetzlichste des Zweiten Weltkrieges, war ausgekämpft.
Erste Verhöre offenbarten, daß der Sieger den eigenen Triumph kaum fassen konnte. Tschuikow, Kommandeur der unbezwungenen 62. sibirischen Armee, fragte: "Warum sind Sie im November nicht ausgebrochen? Wir hatten große Sorge." Seydlitz, niedergeschlagen, gab keine Antwort. Wenige Tage später wurde er wie die übrigen Generale nach Woikowo transportiert, ein Barackenlager hinter Moskau. Dieses Lager schien vollends zur Stummheit und Einflußlosigkeit auf das weitere Kriegsgeschehen zu verurteilen, doch Stummheit und Einflußlosigkeit lagen nicht im Sinne der Russen. Sie übergingen Regeln der Gefangenschaft und planten, die Spitzen der 6. Armee zu mobilisieren. Die Frontpropaganda brauchte Erfolge. […]
Das Massensterben der erschöpften Stalingrader Kriegsgefangenen, zusätzliche Katastrophe nach der grauenvollen Schlacht, drohte ebenso alle Chancen zu begraben. Nur 6000 Mann entgingen dem Tod. Diesen Rest jedoch wollten die Sowjets nicht verlieren. Stalin befahl, Musterlager zu errichten, und verfügte eine sogenannte Aufbauverpflegung. Geschmeidigere Politruks riefen ausgewählte Offiziere zu "Meetings" und sprachen allein noch von nationalen Pflichten. Ihnen half erschüttertes Siegesbewußtsein und die wachsende Überzeugung, daß, wer patriotisch dachte, nun versuchen müsse, das Reich zu retten. Die unorthodoxe Agitation trug Früchte. Mitte Juli 1943 kam es in Krasnogorsk bei Moskau zur Gründung des Nationalkomitees "Freies Deutschland". Ein Manifest - schwarz-weiß-rot umrandet3) - beschwor Volk wie Wehrmacht, Hitler zu stürzen und den Krieg zu beenden.
Manifest des NKFD · 1943 [3:23]

Hochgeladen am 13.12.2008
Национальный комитет «Свободная Германия» (нем. Nationalkomitee Freies Deutschland, или NKFD) — политический и организационный центр немецких антифашистов во время Второй мировой войны, созданный 12 июля 1943 года на территории СССР по инициативе КП Германии, в который вошли ведущие германские коммунисты, а также ряд немецких солдат и офицеров из числа захваченных в плен под Сталинградом.
The National Committee for a Free Germany (German: Nationalkomitee Freies Deutschland, or NKFD) was a German anti-Nazi organization that operated in the Soviet Union during World War II
Kurzer Auszug aus dem Manifest des Nationalkomitees Freies Deutschland (1943)
Text:
"Achtung, deutsche Soldaten!
Wir bringen einen Kurzauszug aus dem Manifest des Nationalkomitees Freies Deutschland.
Die Tatsachen beweisen: Der Krieg geht verloren. Wenn das deutsche Volk sich weiter willenlos und widerstandslos ins Verderben führen läßt, wird Hitler nur durch die Waffen der Koalition gestürzt. Das wäre das Ende unserer nationalen Freiheit und unseres Staates, das wäre die Zerstückelung unseres Vaterlandes. Wenn das deutsche Volk sich jedoch rechtzeitig ermannt, erobert es sich das Recht, über sein künftiges Geschick selbst zu bestimmen und in der Welt gehört zu werden. Das ist der einzige Weg zur Rettung des Bestandes, der Freiheit und der Ehre der deutschen Nation. Das Ziel heißt: Freies Deutschland!
Deutsche Soldaten und Offiziere an allen Fronten, Ihr habt die Waffen. Bleibt unter den Waffen! Bahnt Euch mutig - unter verantwortungsbewußten Führern, die eins sind mit Euch im Kampf gegen Hitler - den Weg zur Heimat, zum Frieden! Der Kampf für ein freies Deutschland erfordert Mut, Tatkraft und Entschlossenheit. Vor allem Mut! Die Zeit rennt, rasches Handeln tut not. Wer aus Furcht, Kleinmut oder blindem Gehorsam weiter mit Hitler geht, handelt feige und hilft, Deutschland in die nationale Katastrophe treiben. Wer aber das Gebot der Nation hört (...) und Leben und Ehr für sein Volk einsetzt, handelt mutig und hilft, das Vaterland von seiner tiefsten Schmach erretten.
Für Volk und Vaterland, gegen Hitler und seinen Krieg! Für sofortigen Frieden, für die Rettung des deutschen Volkes! Für ein freies, unabhängiges Deutschland!
Nationalkomitee Freies Deutschland"

siehe auch:
Bund deutsche Offiziere – Gitlär kaputt (SPIEGEL, 17.10.1966)
- Seydlitz: Verräter oder Widerstandskämpfer? (SPIEGEL, 29.08.1977)


Das notwendige Umdeuten des verlorenen Vietnamkriegs

USA Endlich rehabilitieren Politiker und Medien den 1975 endgültig verlorenen Vietnam-Krieg. Offensichtlich verlangt das die Staatsräson

Vietnam darf keine Warnung sein vor Kriegseinsätzen. Die Leute von der Antikriegsbewegung der frühen 70er Jahre, die bei all ihrer Zerstrittenheit recht hatte, sollen nicht als ermutigendes Beispiel gelten. Eine Oppositionsbewegung darf nicht gewinnen. Schon gar nicht an Deutungsmacht über eine Militäraktion, die vor vier Jahrzehnten wenig Ruhm einbrachte. Das Pentagon nannte die Operation seinerzeit – warum auch immer – Frequent Wind („Häufiger Wind“). Es gab den Auftrag, Ende April 1975 per Hubschrauber die letzten verzweifelten südvietnamesischen Helfer und Mitarbeiter aus der Hauptstadt Saigon herauszubringen.

Diese dramatischen Tage scheinen lange her zu sein. Die Hälfte der heutigen US-Bürger war nicht geboren, als in Vietnam Napalm abgeworfen, Wälder mit dem Pflanzengift Agent Orange entlaubt wurden oder Kambodscha durch die US-Invasion im April 1970 in einen Krieg taumelte, der Pol Pot und den Roten Khmer zum Aufstieg verhalf. Die US-Vietnamveteranen sind inzwischen ältere Herren. Auch die meisten Friedensbewegten von damals dürfen zum Seniorentarif die Subway benutzen.

Gefühl des Stolzes

40 Jahre nach dem Vietnam-Krieg gibt man in den USA zu: Die Sache war ein Desaster. Ex-Außenminister Kissinger – damals ein Hundertprozentiger – spricht von einem „schmerzlichen Prozess“. Amerika habe „seinen ersten Krieg verloren und die Richtschnur für sein Konzept der Weltordnung“. Eine Niederlage zuzugeben ist das eine, sie zu bewerten das andere. Und es wird heftig gerungen um die Deutungshoheit, die wichtig ist für eine Nation, die seit Vietnam pausenlos irgendwo Krieg führt.

Maßgebend bei der Vietnam-Analyse sind heute staatstragende Thesen des Kalibers: Man habe trotz des schlechten Ausgangs für das Gute gekämpft. Inzwischen wird die Vergangenheit so zurechtgebügelt, dass die nach Angaben des Veteranenministeriums 2,7 Millionen US-Soldaten, die zwischen 1964 und 1975 oft unfreiwillig als Wehrpflichtige nach Indochina mussten, in die Kategorie „Helden“ aufgenommen worden sind.

In einer Proklamation von Präsident Barack Obama am 28. Mai 2012, zum 50. Jahrestag des Vietnam Krieges, klang das so: Die „dankbare Nation“ ehre die Soldaten, „die tapfer gekämpft haben. Sie kämpften sich durch Dschungel und Reisfelder, Hitze und Monsun, heroisch, um die Ideale zu verteidigen, die uns Amerikanern wichtig sind“. Bei so viel Pathos bleibt nicht viel Platz zum Reflektieren über mehr als zwei Millionen tote Vietnamesen. Auch wenig Platz für die Anti-Kriegsbewegung und die vielen Wehrpflichtigen, die damals Befehle verweigert oder sich von der Truppe abgesetzt haben. 1971 hieß es im Armed Forces Journal, die Army in Vietnam befinde sich „in einem Zustand, der sich dem Kollaps nähert“. Nach dieser Erfahrung hat Präsident Richard Nixon die Wehrpflicht 1973 abgeschafft.

mehr:
- Ideale verteidigen, Geschichte umdeuten (Konrad Ege, der Freitag, 06.05.2015)

Apokalypse Vietnam: Der Krieg in Indochina 1968 bis 1975 [1:28:53]

Veröffentlicht am 13.06.2013
Mit russischen Waffen ausgerüstet, stürmen nordvietnamesische Soldaten den US-Stützpunkt Khe Sanh an der Grenze zu Laos. Obwohl der Angriff nur als Ablenkungsmanöver geplant war, entbrennt eine blutige Schlacht. 1973 wird ein Friedensabkommen in Paris unterzeichnet. Das Morden zwischen Süden und Norden geht weiter... Bislang unveröffentlichte Bilder aus Filmarchiven in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, liefern neue Einblicke in die Geschichte Vietnams.

Im April 1975 wurden die letzten Amerikaner vom Dach der US-Botschaft in Saigon evakuiert: Einer der längsten Kriege des 20. Jahrhunderts war zu Ende. 25 Jahre später werteten die deutschen Dokufilmer Eike und Dehnhardt die Archive in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt und den USA aus und stellten bis dato unbekanntes Material zusammen.Gemischt mit Interviews von Zeitgenossen und Politikern, die für die historischen Weichenstellungen verantwortlich waren, entsteht ein recht ausgewogenes Bild über die Geschichte des Krieges.

Vor 74 Jahren – Frühjahr 1942: Hitlers Krieg ist verloren

Die Propaganda-These, mit einem Präventivschlag einem Angriff der Sowjetunion auf Deutschland zuvorzukommen, wurde von vielen Soldaten nicht angezweifelt. Dennoch waren die meisten überrascht, viele auch bestürzt, als am 22. Juni 1941 der bislang geheime Plan zum Überfall auf die Sowjetunion Wirklichkeit wurde. Doch die Vorstellung eines Blitzkrieges erwies sich schnell als Illusion. Als der Winter einbrach, waren die deutschen Truppen den eisigen Temperaturen ohne Winterausrüstung ausgesetzt.

Von Anfang an hatte Hitler den Vernichtungskrieg um Lebensraum im Osten verfochten. Geschah dies gegen den Willen der Generäle? Für den Historiker Sönke Neitzel, der die Abhörprotokolle des britischen Geheimdienstes entdeckt und veröffentlicht hat, sind die Indizien eindeutig: "Wenn wir in andere Quellen schauen, dann erkennen wir ganz deutlich, dass dieser Krieg in Russland auch und gerade der Krieg der deutschen Generalität gewesen ist, und dass Hitler sie nicht in diesen Krieg treiben musste, dass sie selbst diesen Krieg wollten - und zwar, so wie er geführt worden ist."

SENDETERMIN
Sa. 09.05.15, 01.30 Uhr

Fatal wirkte sich aus, dass die schnellen Siege der ersten Wochen scheinbar nahtlos an die Feldzüge gegen Polen und Frankreich anknüpften. Tatsächlich sind die Verluste an Menschenleben von Anfang an immens - auf beiden Seiten. Der deutsche Vormarsch brachte die Rote Armee an den Rand des Zusammenbruchs. In gewaltigen Kesselschlachten gerieten Millionen sowjetische Soldaten in Gefangenschaft, fielen der Wehrmacht Unmengen russischen Kriegsmaterials in die Hände.


mehr:
- Die Wehrmacht - Eine Bilanz (2/5) – Wende des Krieges (Phoenix, Sendeankündigung für Sa, 09.05.2015)

Die Wehrmacht - Eine Bilanz HD 2/4 [44:52]

Veröffentlicht am 27.04.2013

Die Wehrmacht - Eine Bilanz HD 3/4 [41:46]

Veröffentlicht am 25.04.2013

Aus der Sendung, die ich heute nacht gesehen habe, ist mir Folgendes in Erinnerung geblieben:
- Die Verluste an Menschenleben wie auch der Materialverschleiß waren wesentlich höher als auf deutscher Seite geplant
– Hitler war im Umgang mit seinen Generälen absolut stur und weltfremd; anscheinend brauchte er nur rumzubrüllen, und alle in seiner Umgebung kuschten
- die Zähigkeit, mit der die als Untermenschen betrachteten russischen Soldaten kämpften, war von deutscher Seite sträflich unterschätzt worden.

Was ich in dem Film nicht gesehen habe, war die Tatsache, daß das Unternehmen Barbarossa mit sechswöchiger Verspätung begann:
Zunächst war der Überfall auf die Sowjetunion - "Unternehmen Barbarossa" - für Anfang Mai 1941 festgelegt. Allerdings musste der Russlandfeldzug Terminlich um - unaufholbare! - 6 Wochen verschoben werden, denn auf dem Balkan (in Belgrad und Griechenland) tobte der Volksaufstand, den Geheimdienstler der USA und Kanadas (erste Zusammenarbeit Churchills und Roosevelts) provozierten, um Hitlers Ölversorgung abzuschneiden. (Warum verlor Deutschland den 2. Weltkrieg?, Torsten Migge, Geschichtsthemen)

Während im Frühjahr 1941 die deutschen Planungen für den Überfall auf die Sowjetunion auf Hochtouren liefen, sah sich Adolf Hitler gezwungen, dem italienischen Bündnispartner zur Abwendung einer Niederlage auf dem Balkan militärische Hilfe zu leisten. Die Italiener, die im Oktober 1940 Griechenland angegriffen hatten, waren nach griechischen Gegenoffensiven im März 1941 weit nach Albanien zurückgedrängt worden. Gleichzeitig landeten mehrere zehntausend britische Soldaten zur Unterstützung der griechischen Truppen in Griechenland. Für die deutschen Militärs bedeutete die Landung der Briten eine strategische Gefahr: Die deutsche Südflanke war beim bevorstehenden Angriff auf die Sowjetunion durch die Eröffnung einer britischen Front in Südosteuropa ebenso bedroht wie die rumänischen Erdölfelder. Deutschland war vom rumänischen Öl abhängig und konnte es sich daher nicht erlauben, die Ölfelder in den Aktionsradius britischer Bomber gelangen zu lassen. 
Ende März 1941 entschloss sich Hitler, den Feldzug auch auf Jugoslawien auszudehnen. In Belgrad war es zu einem von Großbritannien eingefädelten Putsch gegen die deutschfreundliche Regierung unter Dragisa Cvetkovic (1893-1969) gekommen, der den deutschen Einfluss auf dem Balkan erheblich minderte, den britischen hingegen enorm begünstigte. Am 6. April 1941 griff die Wehrmacht mit insgesamt 680.000 Soldaten Griechenland und Jugoslawien von der Steiermark und Kärnten sowie von den Dreimächtepakt-Staaten Ungarn, Rumänien und Bulgarien aus an. (Der Balkanfeldzug, Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum)
siehe auch:
- Der Balkanfeldzug 1939-1941 (Sächsischer Bildungsserver, PDF)
Weitaus schwieriger als die bis zum 17. April 1941 abgeschlossene Besetzung von Jugoslawien gestalteten sich für die deutschen Truppen während des Balkanfeldzugs die Kämpfe in Griechenland. Der Angriff auf Griechenland begann am 6. April 1941 mit heftigen Bombardierungen der stark befestigten Metaxas-Linie im Norden des Lands. In einer Note begründete die deutsche Regierung den Angriff mit der Entsendung eines mehrere zehntausend Mann starken britischen Expeditionskorps auf das griechische Festland Anfang März 1941 und der Gefahr einer neuen Front im Südosten Europas. (Die Besetzung von Griechenland 1941, Deutsches Historisches Museum)


Gemeinsam mit dem Afrikafeldzug trug der Balkanfeldzug dazu bei, dass sich der geplante Überfall auf die Sowjetunion um mehrere Wochen verzögerte. Der Historiker Hans-Ulrich Wehlerhält es für möglich, dass bei einem früheren Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ der Winterkrieg hätte vermieden werden können, der die Wehrmacht im Dezember 1941 daran hinderte, Moskau zu erobern.[12] (Wikipedia)

Doku deutsch Die Deutsche Wehrmacht Winterkrieg an der Nord und Ostfront Reportagen HF [46:20]

Veröffentlicht am 18.02.2013
Der Deutsch-Sowjetische Krieg war ein Teil des Zweiten Weltkrieges. In Deutschland wird er als Russland- oder Ostfeldzug, in der Sowjetunion und einigen ihrer Nachfolgestaaten wie auch dem heutigen Russland als Großer Vaterländischer Krieg (russisch Великая Отечественная война) bezeichnet. Er begann am 22. Juni 1941 mit dem Angriff des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion und endete am 8./9. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht.
Adolf Hitler gab seinen Entschluss zu diesem Angriffskrieg dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) am 31. Juli 1940 bekannt und befahl am 18. Dezember 1940, ihn bis Mai 1941 unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa" militärisch vorzubereiten. Um für die „arische Herrenrasse" „Lebensraum im Osten" zu erobern und den „jüdischen Bolschewismus" zu vernichten, sollten große Teile der sowjetischen Bevölkerung vertrieben, versklavt und getötet werden. Das NS-Regime nahm den millionenfachen Hungertod sowjetischer Kriegsgefangener und Zivilisten bewusst in Kauf, ließ sowjetische Offiziere und Kommissare aufgrund völkerrechtswidriger Befehle ermorden und nutzte diesen Krieg, um den Holocaust an den europäischen Juden durchzuführen.
Nach anfänglichen deutschen Erfolgen leiteten sowjetische Siege in der Schlacht um Moskau Ende 1941 und in der Schlacht von Stalingrad 1942/43 Deutschlands vollständige Niederlage ein. Vor allem wegen der von Deutschen geplanten und ausgeführten Massenverbrechen starben im Kriegsverlauf zwischen 24 und 40 Millionen Bewohner der Sowjetunion sowie etwa 2,7 Millionen deutsche Soldaten. Dieser Krieg gilt wegen seiner verbrecherischen Ziele, Kriegführung und Ergebnisse als der „ungeheuerlichste Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg, den die moderne Geschichte kennt.


"Das Umschreiben der Geschichte erkennen"

Oskar Lafontaine über den 8./9. Mai, das Verhältnis zu Russland und eine notwendige Friedenspolitik


Wie in keinem Jahr zuvor ist das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges in diesen Tagen umstritten. Nicht nur in den Staaten Osteuropas mischen sich in die Veranstaltungen antirussische Töne. Der Geschichtsrevisionismus geht so weit, dass die Rolle Russlands und der Sowjetunion beim Sieg über den Hitlerfaschismus bestritten wird. Grund dafür ist die Überlagerung der historischen Ereignisse durch den aktuellen geopolitischen Konflikt in der Ukraine. Telepolis sprach am Donnerstag mit dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden, Finanzminister und heutigen Vorsitzenden der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Oskar Lafontaine, über den Gedenktag.
▶︎
Herr Lafontaine, am 8. und 9. Mai wird der Tag der Befreiung begangen. Sind Sie den Russen für die Befreiung Deutschlands dankbar?

Oskar Lafontaine: Ja, selbstverständlich bin ich den Russen dankbar für die Befreiung Deutschlands von dem Faschismus. Das war eine große Leistung, die ja vor allem die Rote Armee vollbracht hat. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Daraus ziehe ich den Schluss: Wir brauchen eine gute Nachbarschaft zu Russland und wir sollten zu der Friedenspolitik zurückkehren, die mit dem Namen Willy Brandts verbunden ist.


▶︎ Nun tun sich deutsche und westliche Politiker in diesem Jahr besonders schwer mit dem Gedenken, obwohl es der 70. Jahrestag ist. Sie müssen auf der einen Seite gedenken, sie wollen aber nicht zur Militärparade nach Moskau. Wie überlagert ist dieser 70. Jahrestag von dem aktuellen politischen, geopolitischen Geschehen?

Oskar Lafontaine: Natürlich ist er jetzt sehr stark überlagert, weil wir eine neue Situation haben. Wir sind ja wieder im Kalten Krieg, so kann man das sagen, und im Kalten Krieg ist ja auch kein westlicher Staatsmann nach Moskau gefahren und hat an dieser Parade teilgenommen. Und das ist das Bedauerliche: Das Fernbleiben ist mehr oder weniger ein Eingeständnis dieser politischen Fehlentwicklung. Ich bin der Meinung und ich hoffe, dass der und die eine oder andere zur Besinnung kommt - da denke ich insbesondere an Frau Merkel -, dass man erkennt, dass das so nicht weitergehen kann und dass man die Zusammenarbeit mit Russland sucht.
mehr:
- "Das Umschreiben der Geschichte erkennen" (Harald Neuber, Interview mit Oskar Lafontaine, Telepolis, 09.05.2015)

Real existierender Kapitalismus, System-Updates und Datenschutz

Die brandenburgische Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hat alle Behörden und Unternehmen des Landes aufgefordert, "die Aktualität der von ihnen verwendeten Betriebssysteme zu überprüfen". Riskant sei vor allem Windows XP.


Nach dem Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix mahnt nun auch dessen Kollegin in Brandenburg, Dagmar Hartge, "veraltete Betriebssysteme" und insbesondere Windows XP nicht mehr einzusetzen. Microsoft habe den Support für das Betriebssystem vor über einem Jahr gestoppt, warnt die Datenschützerin. So würden "sicherheitskritische Fehler" nicht mehr behoben. Auch Anbieter anderer Hard- und Softwareprodukte aktualisierten diese in der Folge oft nicht mehr, soweit sie auf einem veralteten System basierten. Die betroffenen Computer sowie auf ihnen gespeicherte Daten seien vor Angriffen und somit vor Missbrauch nicht ausreichend geschützt.

Jeder Außenkontakt dieser Rechner "stellt eine Gefährdung dar", führt Hartge aus. Es reiche aus, externe Datenträger zu verwenden, das Gerät mit anderen Computern zu verbinden oder ans Internet anzuschließen, um sich selbst und Dritte in die Bredouille zu bringen. Dies sei eine "Zeitbombe". Die Datenschutzbeauftragte rief daher "alle Behörden und Unternehmen in Brandenburg auf, die Aktualität der von ihnen verwendeten Betriebssysteme zu kontrollieren. Personenbezogene Daten könnten auf Rechnern mit veralteten Kernanwendungen nicht sicher verarbeitet werden.

mehr:
- Datenschutzbeauftragte warnt vor "Zeitbombe" Windows XP (heise Security, 08.05.2015)
man beachte auch die Kommentare!

mein Kommentar:
Wie Behörden keine Open-Source-Software sondern amerikanische mit eingebauter NSA-Hintertür verwenden, ist mir schleierhaft. Ich kann mich noch erinnern, wie an der MHH in den 80er/90er Jahren gemunkelt wure, Microsoft habe Entscheidungsträger geschmiert, damit nur ja keine Apple-Rechner angeschafft werden…