Mittwoch, 24. Juni 2015

Der Siegeszug des Front National

Nach dem spektakulären Erfolg der Front National bei der Europawahl steht Paris unter Schock. Es war abzusehen, was da kommt. Es ist das politische Versagen von drei aufeinanderfolgenden Präsidenten.
mehr:
- Wenn Frankreich seine Seele verkauft, verliert Europa (Sascha Lehnartz, Die Welt, 16.05.2014)
- Wahlerfolg des Front National – Französische Spezialität (Pascal Hugues, Tagesspiegel, 27.05.2014)
- Le Pen ante portas – Der Front National wird unterschätzt (Frank Doll, Gerald Cesar, Wirtschaftswoche, 03.04.2015)
Frankreich – Erfolg für Front-National-Kandidatin (FAZ, 02.02.2015)
- Front-National-Erfolg – Denn sie wissen nicht, was sie tun (Robert Schmidt, ZEIT Online, 26.05.2015)
Ein Viertel der Franzosen hat sich für Le Pen entschieden. Viele haben dies aus Frust über die innenpolitischen Zustände getan – und aus Geschichtsvergessenheit.
Front National – Marine Le Pens Erfolg bedroht ganz Europa (Süddeutsche Zeitung, 23.03.2015)

Dass man auf die Wahl des Wortes „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres stolz sein kann, begreife ich nicht.

zuerst der Artikel von Stephan Hebel:
„Lügenpresse“- das Unwort des Jahres (Stephan Hebel, NachDenkSeiten, 13.01.2015)
„Lügenpresse“ ist Unwort des Jahres 2014, und manche werden fragen: Warum Unwort? Stimmt es etwa nicht, dass wir im Fernsehen und in den Zeitungen Tag für Tag Un- oder Halbwahrheiten aufgetischt bekommen, nicht selten im Dienste mächtiger politischer und ökonomischer Interessen? Ich bin gemeinsam mit vier Sprachwissenschaftlern, Mitglied der unabhängigen Jury, die das Unwort jedes Jahr kürt. Und ich möchte hier erläutern, warum ich die Entscheidung für „Lügenpresse“ gerne mitgetragen habe. Und zwar gerade weil ich nicht alles, aber vieles teile, was hier immer wieder medienkritisch vorgetragen wird.
Dass man auf die Wahl des Wortes „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres stolz sein kann, begreife ich nicht.
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Vorbemerkung: 
Hier sind alle Mails wiedergegeben und hoffentlich keine übersehen. Sie sind nicht zensiert. Die Autoren sind mit Initialen benannt. Schreibfehler sind nicht korrigiert. Die einzelnen Mails sind durch durchgezogene Linien getrennt. Ich mache mir nicht alle Aussagen zu eigen, selbstverständlich nicht. A.M.:
mehr:
- Dass man auf die Wahl des Wortes „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres stolz sein kann, begreife ich nicht. (S. & G. Sch., NachDenkSeiten)
aus einer Mail: (Hervorhebung von mir)
Betreff: Unwort des Jahres 2014
Sehr geehrtes NDS-Team,
anlässlich Stephan Hebels Beitrag zum Unwort des Jahres 2014 bitte ich um eine Erwähnung des und, wenn möglich, eine Stellungnahme eines Jurymitglieds zum folgenden Sachverhalt:

 “Für das Jahr 2014 wurden 733 verschiedene Wörter eingeschickt. Die Jury erhielt insgesamt 1246 Einsendungen. Die häufigsten Einsendungen ( je über 10 Einsendungen), die den Kriterien der Jury entsprechen, waren Putin-Versteher / Russland-Versteher (zusammen 60- mal), PEGIDA / Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes (44-mal), Social Freezing (29-mal), tierische Veredelung / Veredelungsindustrie/ Veredelungswirtschaft (in allen Varianten zusammen 25-mal) und Gutmensch / Gutmenschentum (zusammen15-mal).” Bei weitergehender Recherche erfährt man, dass “Lügenpresse” lediglich 7 Einsendungen erhielt.
Es wäre schön zu erfahren, warum sich die Jury gegen das mit Abstand am häufigsten vorgeschlagene Wort entschied, das zudem enorme mediale Aufmerksamkeit erfuhr und zum (versuchten) Diskredit gesamter Bevölkerungs- bzw Gesinnungsgruppen benutzt wurde.
Mfg M. L.
- Begriffsklärung zum Unwort des Jahres (Christian Buggisch, der Freitag, 13.01.2015, Hervorhebung von mir)
„Lügenpresse“ Wer sich aus dem Sprachfundus des Dritten Reichs bedient, braucht sich über den Widerspruch der Anständigen und Geschichtsbewussten nicht zu wundern

Sprachwissenschaftler haben "Lügenpresse" zum Unwort des Jahres gewählt, ein Begriff der von Pegida-Anhängern immer wieder verwendet wird. Was hat es damit auf sich? „Lügenpresse“ meint in diesem Zusammenhang: Die deutschen Medien sind tendenziös, linksliberal und verharmlosend. Pegida hat diesen Begriff nicht erfunden, seine Wurzeln liegen im 19. Jahrhundert, Hochkonjunktur hatte er in der Zeit völkischer und nationalsozialistischer Ideologisierung der Sprache und Rhetorik. Deren zentrale Merkmale sind die argumentationsfreie, apodiktische Behauptung, das Verkünden von Wahrheiten und die Umdeutung von Begriffen zu Kampfbegriffen, die ständig wiederholt werden. […]


Schon 1947 stellte der Romanist Victor Klemperer über die Lingua Tertii Imperii fest: „Der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang, und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.“ Die wenigsten Worte sind Schöpfungen des Dritten Reichs. Aber ihre Praxis „ändert Wortwerte und Worthäufigkeiten, sie macht zum Allgemeingut, was früher einem Einzelnen oder einer winzigen Gruppe gehörte, sie beschlagnahmt für die Partei, was früher Allgemeingut war, und in alledem durchtränkt sie Worte und Wortgruppen und Satzformen mit ihrem Gift“.

So geschehen auch mit dem Begriff der „Lügenpresse“. Schon von 1914 datiert das Buch Der Lügenfeldzug unserer Feinde: Die Lügenpresse mit einer „Gegenüberstellung deutscher, englischer, französischer und russischer Nachrichten“. 1916 legte der Autor einen zweiten Band vor: Die Lügenpresse: Der Lügenfeldzug unserer Feinde: Noch eine Gegenüberstellung deutscher und feindlicher Nachrichten.

Später verwendet vor allem Joseph Goebbels den Begriff in seinen Reden und Schriften: „Ungehemmter denn je führt die rote Lügenpresse ihren Verleumdungsfeldzug durch …“ Richtet sich die Propaganda hier gegen den Gegner links im Parteienspektrum, wird andernorts gern die „jüdisch marxistische Lügenpresse“ attackiert. Und auch Adolf Hitler distanzierte sich schon 1922 von der Monarchie mit dem Hinweis: „Für die Marxisten gelten wir dank ihrer Lügenpresse als reaktionäre Monarchisten“. Weitere Belege findet man etwa bei Alfred Rosenberg, dem Chef-Ideologen der NSDAP.


aus einem Kommentar zum Freitag-ARtikel (W. Biermann, 13.01.2015):
Der Begriff ist problematisch, sicher. Die Anständigen und Geschichtsbewussten haben Recht im Wortsinn.

Was ist mit unseren Medien los? Mit denen, die vielleicht nicht direkt lügen, sondern Teile der Information verschweigen? Mit denen, welche uns aus falsch verstandener Fürsorge vorgekaute Nachrichten servieren und anschließend noch erklären wollen, wie es (nur!) zu verstehen ist?

Gerade weil wieder Halbwahrheiten verkauft werden sollen, ist das Unwort vielleicht besser als "Wort des Jahres" zu ehren! Ihr Journalisten sollt uns umfassend informieren, wir sind keine Kinder, denen an sagt, was sie glauben sollen.

Obwohl ich Klemperer gelesen habe, bin ich entsetzt, wer sich heute als "Anständig und Geschichtsbewusst" verkaufen will.

Ihr seid nicht Charlie Hebdo, Ihr seid Teil der Anderen!

- Hiob & Morlockk Dilemma [Interview] (Wenzel Burmeier, 30.04.2015)
Zitat:
Ihr habt also auch keine Idee, was denn nun danach kommt, falls alles untergeht?
Morlockk: Aber wie soll es denn untergehen? Das muss man sich ja erstmal vorstellen! Da gibt’s wahrscheinlich tausende Theorien drüber. Also ich glaube nicht, dass ein Komet kommt und das Ganze hier beendet. Und ich kann mir auch den wirtschaftlichen Crash ganz schwer vorstellen.

Hiob: Wir bauen auf, wir reißen ein, wir bauen auf, wir reißen ein …

Morlockk: Genau. Anstelle eines Crashes ist das ein ganz langwieriger Prozess, den man Schritt für Schritt so gar nicht mitbekommt, sondern erst im Rückblick. Irgendwann stellt man dann verwundert fest: »Huch, warum lebe ich in der Sklaverei?!« Welche gesellschaftliche Veränderung ich mir tatsächlich wünschen würde, wäre, dass dieses ganze System einem Allgemeinwohl dient. So war es vielleicht auch ursprünglich mal gedacht.

Hiob: Du meinst eine Soziale Marktwirtschaft.

Morlockk: Genau, die existiert einfach nicht. Es interessiert nicht, ob mit dem Geld in eine Zukunft investiert wird. Es geht nur darum, dass eine Minderheit von Leuten, die irgendwo Aktienpapiere hat, befriedigt werden muss. Profit, ständiges Wachstum, darum geht’s. Und an den Schrauben könnte man ja drehen, sage ich jetzt mal so ganz laienhaft. Ich bin da aber auch kein Experte.

mein Kommentar:
Das Wort »Lügenpresse« wurde zum Unwort des Jahre gewählt, weil es in der Zeit des Nationalsozialismus verwendet wurde. Nach der Logik des Freitag-Artikels sollten anständige und geschichtsbewußte Menschen dieses Wort aus eben diesem Grund nicht verwenden.
Es ist für die geistige Atmosphäre in unserem Land bezeichnend, daß der am häufigsten vorgeschlagene Begriff »Putin-Versteher« (o.a. »Rußland-Versteher, zusammen 60 mal vorgeschlagen) nicht zum Unwort des Jahres, der aber nur 7 mal vorgeschlagene Begriff »Lügenpresse« hingegen gewählt wird. Da scheint mir das polit-pädagogische Sendungsbewußtsein stärker zu sein als die Sachlichkeit.
Ich erlaube mir – entsprechend dem Ductus des »Freitag«-Artikels folgende logische Verkürzung: Wir erlauben uns, die aus der Anzahl der Vorschläge sprechende Mehrheitsmeinung zu ignorieren, weil wir die Abbildung der Mehrheitsmeinung nicht so wichtig finden wie das Verhindern aufkommender nationalsozialistischer Tendenzen in der Bevölkerung.
Ich habe wiederholt davor gewarnt, und tue es wieder: 
Wir werden für das Verhindern einer offenen Diskussion zu bezahlen haben. Da kommt Druck auf einen Kessel, der irgendwann platzen wird…


Siehe auch:
Fünfte versus Vierte Gewalt: Journalismus unter Beschuss (Post, 02.04.2016)
- Endlich wird über die Medienberichterstattung geredet – Aber wie? (Post, 21.01.2016)
Die Glaubwürdigkeit der Medien (Post, 19.01.2016)
»Unwort des Jahres« – Die Lufthoheit über meinem Gehirn (Post, 14.01.2016)
Leitmedienberichterstattung – alaaaf! Warum werden wir ständig wie kleine Kinder behandelt? (Post, 09.01.2016)
Unwort des Jahres: Lügenpresse (Post, 24.01.2015)


West-Propaganda als Ichidealersetzung am Beispiel der Bundeswehr

Im Laufe der Untersuchung, die jetzt zu einem vorläufigen Abschluß gekommen ist, haben sich uns verschiedene Nebenwege eröffnet, die wir zuerst vermieden haben, auf denen uns aber manche nahe Einsicht winkte. Einiges von dem so Zurückgestellten wollen wir nun nachholen.
A) Die Unterscheidung von Ichidentifizierung und Ichidealersetzung durch das Objekt findet eine interessante Erläuterung an den zwei großen künstlichen Massen, die wir eingangs studiert haben, dem Heer und der christlichen Kirche. Es ist evident, daß der Soldat seinen Vorgesetzten, also eigentlich den Armeeführer, zum Ideal nimmt, während er sich mit seinesgleichen identifiziert und aus dieser Ichgemeinsamkeit die Verpflichtungen der Kameradschaft zur gegenseitigen Hilfeleistung und Güterteilung ableitet.
mehr:
- Nachträge (aus Sigmund Freud, Massenpsychologie und Ich-Analyse, 1921; Hervorhebung von mir)
siehe dazu:
- Putins militärischer Erlebnispark: Panzer-Show für junge Patrioten (Pavel Lokshin, SPIEGEL Online, 21.06.2015)
- Premiere in ganz Deutschland: Tag der Bundeswehr am 13. Juni (Bundeswehr, 08.06.2015)
- Den SPIEGEL vorhalten: Die wunderbar einfältige Doppelmoral des Pavel Lokshin (Propagandaschau)

Tag der Bundeswehr in Fritzlar [2:44]

Veröffentlicht am 14.06.2015
Fritzlar, 13. Juni 2015. Volksfestatmosphäre herrschte am Samstag in der Fritzlarer Georg-Friedrich-Kaserne. Knapp 60.000 Menschen besuchten den Tag der Bundeswehr.

zzz