Dienstag, 15. September 2015

Warum die Kölner so meschugge sind

Außenstehende können über Köln nur den Kopf schütteln: Hier klüngeln Amtsträger, hier wird bei Wahlen getrickst, hier verzögern sich Bauprojekte oder enden gleich im Fiasko. Warum regen sich die Ureinwohner trotzdem nicht auf? Porträt einer Bananencity
Bam! Jetzt also doch.

Köln muss seine für den 13. September angesetzte Oberbürgermeisterwahl verschieben. Die Bezirksregierung entschied, dass 53.000 der schon über Brief- und Direktwahl abgegebenen Stimmen ungültig sind. Die Wahlzettel seien „problematisch“ gestaltet worden, denn die Namen der Parteien sind größer gedruckt worden als die Namen der Kandidaten. Man gehe davon aus, dass „möglicherweise nicht alle Kandidaten die gleiche Chance haben“. Also alles wieder von vorn.

Dabei könnte der Zeitpunkt für eine Oberbürgermeisterwahl in Köln nicht treffender liegen, jährt sich doch der legendäre Müllskandal in diesem Monat zum zehnten Mal. Damals ging es um elf Millionen Euro Schmiergelder für den Bau der Müllverbrennungsanlage, wobei während der Ermittlungen auch gleich die Spendenaffäre der Kölner SPD aufflog.

Nicht-Kölner reiben sich die Augen

Und auch wenn der ein oder andere Kölner tief erschüttert war ob der dreisten Vorgehensweise seiner politischen Amtsträger, scheint sie einer Dauerregentschaft der Kölner Sozialdemokraten nicht wirklich geschadet zu haben. „Kenne mer nit, bruche mer nit“, sagt der Kölner da zu alldem, was nicht der Tradition entspricht. Schon fünf Jahre zuvor hatte der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Klaus Heugel trotz Rücktritts wegen eines Aktienskandals beachtliche Stimmen erhalten, obwohl er gar nicht bei der Wahl angetreten war: Sein Name stand nur pro Forma auf dem Stimmzettel, die SPD hatte offiziell keinen Kandidaten mehr gestellt.

Mit Köln verhält es sich so: Jeder rund um die Stadt reibt sich ungläubig die Augen, nur der Kölner nimmt’s gelassen, tut einfach so, als ob alles in schönster Ordnung sei. Ich selbst komme aus Wuppertal, dort ist man zwar nah dran am Rhein, doch mental gesehen ungefähr so weit weg wie die Bayern. Mit einer gewissen Schadenfreude, zumindest aber einem Kopfschütteln, stürzt man sich in anderen Städten der Region während des morgendlichen Zeitungsschmökerns auf die Köln-Seiten, die gespickt sind mit feinsten Possen und Peinlichkeiten.

Zuletzt die dubiose Stimmzettelaffäre. Es kam ja vor ein paar Monaten dann doch heraus, dass Stimmzettel bei den Kommunalwahlen – irgendwie – vertauscht worden waren. Vehement hatte sich die SPD gegen eine Neuauszählung gewehrt – mit durchaus fantasievollen Begründungen. Genützt hat es nicht, nach einem Jahr dann war es amtlich. Da wurde geschummelt, die CDU wurde stärkste Kraft im Rat. „Wat fott es, es fott“, sagt der Kölner dann. In diesem Falle war es ausgerechnet Jochen Ott, der jetzige SPD-Oberbürgermeisterkandidat, der sein Mandat verlor.

Das Kölner „Jeföhl“: Wenig Kopf, dafür mehr Bauch

Der Wahlkampf wird daher mit Spannung verfolgt: Denn ausgerechnet eine Überparteiliche, Henriette Reker, wagt jetzt die Auflehnung gegen die SPD-Vorherrschaft – und damit gegen Ott. Friedliche Einigkeit bei CDU, FDP und den Grünen in der Idee: Eine Kölner Oberbürgermeisterin – ganz ohne Parteiengerangel und ohne Klüngeloption? Das käme in Köln einer politischen Revolution gleich.

Käme, wäre Köln nicht Köln. Die Stadt mit der gewissen Lockerheit, die alle Fünfe grade sein lässt. Wo die Devise gilt, sich niemals mehr Gedanken zu machen als wirklich nötig. Weniger Kopf, dafür mehr Bauch. Oder wie es die Höhner singen: „Hey Kölle, do bes e Jeföhl!“

Was das „Jeföhl“ angeht, habe ich meinen ersten Schluss zu Köln während des Karnevals gezogen. Die Zeit, in der die Kölner sich selbst genug sind, auf Tischen und Stühlen der Brauhäuser singen, ergriffen von Heimatliebe und mit Tränen in den Augen: „Denn wenn et Trömmelche jeiht, dann stonn mer all parat.”

mehr:
- Klüngel und Katastrophen – Warum die Kölner so meschugge sind (Barbara Opitz, Cicero, 08.09.2015)

Die Botschaft und das Medium

Medien Die Journalistin Barbara Sichtermann hat den Theodor-Wolff-Preis für ihr Lebenswerk erhalten. In ihrer Dankesrede erklärt sie, warum der Botschaft das Medium egal ist

Wir sind alle auf ihn reingefallen. Ich bin auch auf ihn reingefallen. Aber wir haben nicht daran gedacht, dass bei diesem Drauf-Reinfallen ein gehöriges Quantum Selbstüberschätzung eine Rolle spielte. Als Marshall McLuhan verkündete, dass das Medium die Botschaft sei, waren wir alle elektrisiert. O ja, Mann, stimmt überhaupt. Es gibt eigentlich nichts, was so wichtig ist wie Medien – deshalb müssen sie natürlich auch die Botschaft sein.

Dieser McLuhan war schon ein schlauer Hund, er wusste, wie er es anstellen musste, um sein Thema in den Fokus zu rücken. Und sein Thema, das waren Medien, die sich so einschneidend neu in die Menschheitsgeschichte gefressen haben wie der Buchdruck oder die moderne Massenpresse oder das Radio, das Fernsehen und – so wäre zu ergänzen – das Internet. Klar sind das Botschaften. Aber man kann die Perspektive auch umkehren: Es sind NUR Medien. Es sind Träger von Botschaften. Und entsprechend haben sie ihre Message-Qualität im Hintergrund zu halten. Es gibt wahrlich Wichtigeres.

Für McLuhan nicht. Er hatte nun mal dieses Thema am Wickel. Und er hat zugespitzt. Damit hat er uns so verblüfft, dass wir Jahrzehnte gebraucht haben, um aus dieser Medien-Besessenheit wieder emporzutauchen. Weil wir selbst Medienmacher und Medienkritikerinnen waren und sind, hat es uns zunächst mal gut getan, gesagt zu kriegen, dass nichts auf der Welt so wichtig war und ist wie wir selbst und unsere Tätigkeit. Aber jetzt sollte es mal gut sein. Wir sollten zugeben, dass es unendlich viele Botschaften gibt, die nichts mit Medien zu tun haben, außer dass sie von einem Medium getragen werden.

mehr:
- McLuhan hat sich geirrt (Barbara Sichtermann, der Freitag, 11.09.2015)

Marshall McLuhan: The World is Show Business [6:31]

Hochgeladen am 27.04.2010
"You can't have a point of view in the Electronic Age"

~McLuhan

Marshall Mcluhan Full lecture: The medium is the message - 1977 part 1 v 3 [14:22]

Hochgeladen am 09.08.2011
Herbert Marshall Mcluhan (*1911 - +1979) lecture recorded by ABC Radio National Network on 27 June 1979 in Australia. 
For the best resource collection of his work check out the page Mcluhan on Maui (MOM) here: http://www.mcluhanonmaui.com/
The best documentary about Mcluhan (in four parts) is definitely CBC's Life and Times: Understanding Mcluhan here:
part 1: http://www.youtube.com/watch?v=WvpPb8...
People seriously studying his work I can point to Douglas Hofstaedter. His work resembles Mcluhan's understanding on the basic mechanics behind the mind: http://www.youtube.com/watch?v=n8m7lF...
Further elaboration on the process chiasmus upholds for analogy and the role of metaphor as linguistic device under-grinding its mechanics might find ample references in Patricia's Phd Paper Chi-thinking: Chiasmus and cognition here: http://www.scribd.com/doc/19115184/Ch...
Note that she departs from Mark Turner's assumption of the parable as a substitute for chiasmus.
Then of course there is the great Noam Chomsky who Mcluhan mentiones in his letters as "stuffing language into grammar". Transcripts of his theories on language and the mind can be found here: http://hotbookworm.wordpress.com/cate...

siehe auch:
Der skurrile Kampf der Anti-Power-Point-Partei (Kerstin Dämon, Wirtschaftswoche, 20.10.2011)
Internet-Präsenz der Anti-Power-Point-Partei

Gewalt in lesbischen Beziehungen

Das österreichische feministische Magazin "Anschläge" sieht Defizite im Umgang mit häuslicher Gewalt
Häusliche Gewalt, gleichgültig ob sie nun physischer oder psychischer Natur, kommt in vielen Beziehungen vor. Vielfach wird sie fast automatisch mit einem Klischee des schlagenden Mannes innerhalb einer Hetereobeziehung assoziiert. Doch so vielfältig wie die heutigen Beziehungskonstrukte sind, so vielfältig sind auch die Täter-Opfer-Konstellationen. Das österreichische feministische Magazin "Anschläge" hat in seiner derzeitigen Ausgabe Angela Schwarz von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt) interviewt, die beim Thema "Gewalt innerhalb von lesbischen Beziehungen" erhebliche Defizite sieht und darauf hofft, dass hier innerhalb der nächsten Jahre ein Umdenken stattfindet.

Frau Schwarz konstatiert, dass das Ausmaß der Beziehungsgewalt ähnlich wie in Heterobeziehungen sei. Jedoch suchten dort bereits ca. 20 bis 24% der Betroffenen Hilfe, bei lesbischen Beziehungen sei die Quote lediglich bei 3% bis 5 %. Hintergrund sei unter anderem, dass viele Frauen denken, sie wären eine Art Nestbeschmutzer, wenn sie zugeben, dass die lesbische Beziehungen auch nicht gewaltfrei sei. Der Anspruch, dass eine lesbische Beziehung, wenn sie schon eingegangen wird, problemlos und vor allen Dingen gewaltfrei sein muss, mache es schwer, sich einzugestehen, dass die Beziehung diesem Anspruch nicht gerecht wird. Hinzu kommen die auch als Heterobeziehungen bekannten Gründe, häusliche Gewalt nicht an die Öffentlichkeit zu tragen: Scham, Angst vor dem Verlust des Partners, die Suche der Schuld bei sich selbst.

mehr:
- Auch Gewalt in lesbischen Beziehungen muss thematisiert werden (Bettina Hammer, Telepolis, 14.09.2015)

- siehe auch:
- Wenn Frauen zuschlagen (Christine Amrhein, Pychologie heute, 10/2015, gefunden bei Literaturprojekt kraftfelder, PDF)
[…] grundsätzlich sind weibliche übergriffe innerhalb der Partnerschaft keineswegs die Ausnahme, als die sie oft angesehen werden. Studien in den USA seit den 1970er Jahren haben gezeigt, dass Frauen ihren Lebensgefährten genauso oft körperlich angreifen wie umgekehrt. Auch eine aktuelle Untersuchung von Robert Schlack und seinem Team am Robert-Koch-Institut in Berlin ergab, dass gleich viele Männer und Frauen in Deutschland zu körperlicher Gewaltgreifen, nämlich etwa vier Prozent.
Sexueller Missbrauch an Kindern geht - Schätzungen zufolge - zu einem Viertel von Frauen aus. Die Motive sind dabei ähnlich wie bei Männern. Manche Frauen fühlen sich sexuell zu Kindern hingezogen. Oft besitzen sie wenig Einfühlungsvermö9en für ihre Opfer - oder sie glauben, dass Kinder sexuelle Aktivitäten mit Erwachsenen möchten und dass dies den Kindern nicht schade. Aber das Gegenteil ist der Fall: Viele Opfer berichten über langfristige psychische Beeinträchtigungen, etwa Depressionen und Beziehungsprobleme. (Helen Gavin, Psychologin und Gewaltexpertin an der Universität Huddersfield in Großbritannien und Mitautorin des Buches Female Aggression , »Manche Mütter empfinden ihre Kinder als störend oder schlicht unerwünscht«, Interview mit Christine Amrhein, Psychologie heute, 10/2015)

- »Natürlich nehmen wir den Mann mit.« (Post, 22.04.2012)
- Anerkennen, daß man selber der Fall ist! (Post, 25.06.2015)
- Ich wusste nicht, dass ich in einer gewalttätigen Beziehung steckte (Post, 15.05.2015)