Sonntag, 3. September 2017

Heute vor 90 Jahren – 3. September 1927: Erwin Piscator eröffnet seine Bühne am Nollendorfplatz

So eine Premiere wünscht sich kein Theaterintendant: Noch eine Stunde vor Beginn der Vorstellung waren nicht alle Requisiten fertig. Selbst in der ersten Pause mussten noch die letzten Szenen eingeleuchtet werden. Und dabei stand an diesem Abend doch so viel auf dem Spiel: Mit ”Hoppla, wir leben” von Ernst Toller nicht nur die Uraufführung eines Stückes, sondern auch Spielzeiteröffnung und die Einweihung eines neuen Theaters. Für Erwin Piscator, den 33-jährigen Intendanten, der bislang nie ein Haus geleitet hatte, war jener Abend des 3. September 1927 ein ganz entscheidender Moment.

Dieser Tag brachte ihm, der damals aus seiner kommunistischen Gesinnung keinen Hehl machte, den ersehnten Durchbruch: Der Abend endete gar damit, dass das Publikum und mit ihm die Akteure auf der Bühne die Internationale anstimmten. Am Tag danach schäumte zwar die konservative Presse, die von Tollers Revolutiondrama ”alles in den Dreck gezogen” und auch die Nationalhymne ”von Katzenmusik” verunglimpft sah. Aber der Theaterkritiker Alfred Kerr schrieb:

Zitat: 

”Ich will Propagandawerke heut! Die Welt ist für tendenzlose Kunst unreif. Zwölf Millionen Leichname, schwachsinnig zerfetzt, bewiesen es. Die Kunst mit einer bestimmten Lehre wird für die Zukunft, meine Teuren, sehr wichtig sein.”
mehr:
- 03.09.1927: Erwin Piscator eröffnet seine Bühne am Nollendorfplatz (Jürgen Heilig, SWR2Zeitwort, 03.09.2013, PDF)

Erwin Piscator {4:45}

Veröffentlicht am 24.05.2016
Silvio Martín
Projection Design

Nach der fristlosen Kündigung seines Vertrags durch die Volksbühne eröffnet Piscator mit Grundkapital von 400.000,- Mark seine erste eigene Bühne. Die finanziellen Mittel stellt der Gatte der Schauspielerin Tilla Durieux, der Brauerei-Magnat Ludwig Katzenellenbogen, zur Verfügung. Nachdem die Piscator-Bühne sich durch die zusätzliche Übernahme des Lessing-Theaters im März 1928 finanziell überhoben hat, muß Piscator aufgrund eines Konkursantrags der Steuerbehörde im Juni 1928 seine Konzession niederlegen. [Piscator-Bühne (Theater am Nollendorfplatz), Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de]
Gegen eine Schuldsumme von 50.000,- Mark wird Piscator 1929 dank finanzieller Unterstützung durch seinen Freund Felix Weil - Begründer des Frankfurter Instituts für Sozialforschung - und des Theaterunternehmers Ludwig Klopfer als Konzessionär die Eröffnung der zweiten Piscatorbühne möglich (Startkapital: 200.000,- Mark). Das hohe politische Reizpotential des Mehring-Stückes Der Kaufmann von Berlin sowohl nach Rechts ('Vaterlandsverrat') als auch Links ('Antisemitismus') führt zu breiten Protesten. Diese bringen neben den hohen Kosten und technischen Mängeln der komplizierten Inszenierung auch die Zweite Piscatorbühne zu Fall. Während Klopfer das Theater übernimmt, setzt Piscator seine Arbeit mit einem Schauspielerkollektiv fort. [Zweite Piscator-Bühne (Theater am Nollendorfplatz), Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de]
Im Juni 1929 nimmt die sowjetische Filmgesellschaft Meshrabpom Verhandlungen mit Piscator über ein Filmprojekt auf. Ein erster Kurzbesuch in Moskau findet im September 1930 statt; im April 1931 reist der mit einer Schuldsumme von nahezu 100.000 Mark hochbelastete Regisseur für mehrere Monate in die Sowjetunion (1931-36) und beginnt dort mit der Produktion des Spielfilms Der Aufstand der Fischer nach einer Novelle von Anna Seghers. Nach etlichen Verzögerungen erlebt der Film seine Premiere im Oktober 1934. Während seiner Jahre in Rußland entwickelt Piscator zahlreiche weitere, unrealisierte Projekte (deutschsprachiges Exilantentheater in Engels; weitere Filmdrehbücher 1935/36). 1934 wird er zum Präsidenten des wenige Jahre später aufgelösten Internationalen Revolutionären Theaterbundes (IRTB) ernannt. In Abwesenheit wird Piscator von den NS-Machthabern ausgebürgert und seine Berliner Wohnung konfisziert. [Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de] 
Ernst Toller "Hoppla, wir leben" {3:11}

Veröffentlicht am 20.06.2012
wordlover
Autorenrezitation: Ernst Toller (Aufnahme 1930)
Text:
Hoppla.wir leben (Auszug aus dem gleichnamigen Drama)
Karl Thomas:
Und nun will ich euch eine Geschichte erzählen. Kein Märchen.
Eine Geschichte, die passiert ist, bei der ich dabei war. Während des Krieges lag ich irgendwo in Frankreich im Schützengraben. Plötzlich, nachts, hörten wir Schreie, so, als wenn ein Mensch furchtbare Schmerzen leidet. Dann war's still. Wird wohl einer zu Tode getroffen sein, dachten wir. Nach einer Stunde vernahmen wir wieder Schreie, und nun hörte es nicht mehr auf. Die ganze Nacht schrie ein Mensch. Den ganzen Tag schrie ein Mensch. Immer klagender, immer hilfloser. Als es dunkel wurde, stiegen zwei Soldaten aus dem Graben und wollten den Menschen, der verwundet zwischen den Gräben lag, hereinholen. Kugeln knallten, und beide Soldaten wurden erschossen. Noch mal versuchten's zwei. Sie kehrten nicht wieder. Da kam der Befehl, es dürfe keiner mehr aus dem Graben. Wir mußten gehorchen. Aber der Mensch schrie weiter. Wir wußten nicht, war er Franzose, war er Deutscher, war er Engländer. Er schrie, wie ein Säugling schreit, nackt, ohne Worte. Vier Tage und vier Nächte schrie er. Für uns waren es vier Jahre. Wir stopften uns Papier in die Ohren. Es half nichts. Dann wurde es still. Ach, Kinder, vermöchte ich Phantasie in euer Herz zu pflanzen wie Korn in durchpflügte Erde. Könnt ihr euch vorstellen, was da geschah?
Fritz:
Doch.
Grete:
Der arme Mensch.
Karl Thomas:
Ja, Mädchen, der arme Mensch! Nicht: der Feind. Der Mensch. Der Mensch schrie. In Frankreich und in Deutschland und in Rußland und in Japan und in Amerika und in England. In solchen Stunden, in denen man, wie soll ich's sagen, hinabsteigt bis zum Grundwasser, fragt man sich: Warum das alles? Wofür das alles? Würdet ihr auch so fragen?
Fritz, Grete:
Ja.
Karl Thomas:
In allen Ländern grübelten die Menschen über die gleiche Frage. In allen Ländern gaben sich Menschen die gleiche Antwort. Für Gold, für Land, für Kohlen, für lauter tote Dinge, sterben, hungern, verzweifeln die Menschen, hieß die Antwort. Und dort und dort standen die Mutigsten des Volkes auf, riefen den Blinden zu ihr hartes Nein, wollten, daß dieser Krieg aufhörte und alle Kriege, kämpften für eine Welt, in der es alle Kinder gut hätten ... Bei uns verloren sie, wurden besiegt.
Bilder:Otto Dix
mehr Gedichte der „verbrannten" Dichter finden Sie unter: http://www.literatisch.de/
 

1931/32 Piscator reist in die Sowjetunion um mit den Dreharbeiten an dem Film "der aufstand der fischer von st. barbara" zu beginnen; die Dreharbeiten und die abschließenden Arbeiten an dem Film dauern bis 1936. Von sowjetischer Seite gibt es zahlreiche formal bestimmte Einwände gegen die Filmarbeit Piscators.
1933 30. Januar, Machtergreifung der Nationalsozialisten. Piscator kann nicht mehr nach Deutschland zurückkehren, da er als Kommunist auf den Fahndungslisten der Gestapo steht. Er bleibt als Emigrant in der Sowjetunion.
1936 Piscator reist im Auftrag des Internationalen Revolutionären Theaterbundes nach Paris; dort erhält er von Wilhelm Pieck aus Moskau den Hinweis über seine drohende Verhaftung für den Fall seiner Rückkehr in die Sowjetunion. Piscator bleibt in Paris. Auf der Suche nach Möglichkeiten wieder in deutscher Sprache inszenieren zu können, fährt er im Sommer zu den Salzburger Festspielen, um dort Max Reinhardt zu treffen. Bei einem Essen auf Schloß Leopoldskron in Salzburg lernt er die Tänzerin und Choreographin Maria Ley-Deutsch kennen. Maria Ley-Deutsch ist Witwe nach dem AEG-Erben Frank Deutsch und lebt seit Jahren in Frankreich. Sie hat ihre Laufbahn als Tänzerin vor Jahren beendet und danach Choreographien geschrieben, vor allem für Max Reinhardt u.a. für die Inszenierung "der sommernachtstraum", Salzburg 1927.
1937 Am 17. April heiraten Maria Ley-Deutsch und Erwin Piscator in Neuilly s/Seine; die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten für Theater oder Film gehen weiter. Zahlreiche Reisen nach Spanien, Mexico, in die Schweiz. Die ersten Entwürfe gemeinsam mit Alfred Neumann für das Projekt "krieg und frieden" entstehen.
 [Erwin Piscator, Lebensdaten, Akademie der Künste

Nach der Emigration von Frankreich aus in die Vereinigten Staaten zum Jahreswechsel 1938/39 gründet er an der New Yorker New School for Social Research eine Theaterschule, den Dramatic Workshop. In den amerikanischen Jahren ist Piscator nachweislich an 36 Produktionen mit seinen Studenten als Regisseur oder Supervisor eng beteiligt. Am Dramatic Workshop werden zwischen 1940 und 1951 insgesamt weit über 200 szenische Lesungen bzw. Inszenierungen von Kurzfassungen oder kompletten Stücken durchgeführt.
[Dramatic Workshop, Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de]
In den späten Jahren als Gastregisseur in der Bundesrepublik ab 1951 arbeitet Piscator an fast dreißig verschiedenen Bühnen und ist gezwungen, seine erfolgreichen Inszenierungen an wechselnden Häusern zu wiederholen. Am häufigsten ist er bis 1962 in Essen, Tübingen und Mannheim tätig. Arthur Millers Hexenjagd und seine Adaption von Tolstois Krieg und Frieden inszeniert er zwischen 1954 und 1958 jeweils fünf Mal. [Gastregie in der Bundesrepublik, Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de]
Im Februar 1962 wird Piscator zum Intendanten der West-Berliner Freien Volksbühne berufen. Sein erklärtes Ziel: die Uraufführung gesellschaftskritischer Stücke zu lancieren. Tatsächlich wird das von Piscator uraufgeführte Hochhuth-Drama Der Stellvertreter von den Besucherzahlen her zu seiner zweit-erfolgreichsten Inszenierung. Innerhalb zweier Spielzeiten wird sie über 250 Mal gezeigt; Hochhuths Erstling wird in zahlreichen Ländern gespielt. [Freie Volksbühne Berlin (Theater am Kurfürstendamm, später Freie Volksbühne, Schaperstraße), Piscators Inszenierungen, erwin-piscator.de]

Eine Lethargie liegt auf dem Land – Das Merkel-Syndrom

Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. 
Das Syndrom mag unverständlich erscheinen. Die Forschungsliteratur nennt zahlreiche mögliche Ursachen für das Stockholm-Syndrom:
  • In erster Linie manifestiert sich die Wahrnehmungsverzerrung, die zum Stockholm-Syndrom führt, darin, dass die subjektive Wahrnehmung der Geisel nur einen Teil der Gesamtsituation erfassen kann. Das Opfer erlebt eine Zurückhaltung der Einsatzkräfte vor Ort, es fühlt sich mit zunehmender Dauer der Entführung alleingelassen. Dagegen wird das Agieren der Geiselnehmer überproportional wahrgenommen, schon kleinste Zugeständnisse (das Anbieten von Nahrung, auf die Toilette gehen lassen oder Lockern von Fesselungen) werden als große Erleichterungen empfunden. Das Opfer erlebt eine Situation, in der es ausschließlich „Gutes“ von den Geiselnehmern erfährt. Es kommt zu der für Außenstehende subjektiv nicht nachvollziehbaren Folge, dass ein Opfer mehr Sympathie für seine Peiniger empfindet als für die rettenden Einsatzkräfte.
  • Täter werden sich Opfern gegenüber oftmals wohlwollend verhalten, weil sie die Opfer als Vermögenswerte ansehen oder um eine Eskalation der Situation zu vermeiden. Hieraus kann eine emotionale Bindung und Dankbarkeit von Opfern gegenüber Tätern entstehen.
  • Der maximale Kontrollverlust bei einer Geiselnahme ist nur schwer zu verkraften. Erträglicher wird dies, wenn sich das Opfer einredet, es sei zum Teil auch sein Wille, beispielsweise, da es sich mit den Motiven der Entführer identifiziert. 7771[Stockholm-Syndrom, Ursachen, Wikipedia, abgerufen am 03.09.2017]
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Nach dem DeutschlandTrend gibt es wohl außer einer Wiederauflage von Schwarz-Rot keine Alternative Das Leben für den Kanzlerkandidaten der SPD ist hart. Er muss simulieren, tatsächlich eine Chance bei den Wahlen zu haben, Kanzler werden zu können. Das freilich wird immer unwahrscheinlicher und ist eigentlich schon ausgeschlossen, sollte nicht irgendetwas Unvorhersehbares geschehen. Man kann sich freilich kaum vorstellen, was Martin Schulz und der angeknacksten SPD wirklich Auftrieb geben könnte. Das Fernsehduell am Sonntag wird jedenfalls nicht groß etwas ändern, sondern so langweilig sein, wie bislang der Wahlkampf ist, bei dem es nur darum zu gehen scheint, mit wem Merkel und ihre Union koalieren.
mehr:
- Trübe Aussichten für die Bundestagswahl (Florian Rötzer, Telepolis, 01.09.2017)

siehe auch:
- Bundestagswahl-»Trance« 2017: Boxen gegen den hypnotischen Nebel der alternativlosen Beliebigkeit (Post, 15.08.2017)
Deutschlands Hypnotherapeutin Nr. 1 und das Herstellen von Alternativlosigkeit (Post, 18.01.2016)

NEWW!! Hans Joachim Maaz bei Anne Will Wenn es so weiter geht kann es nur schlimmer werden {10:13}

Veröffentlicht am 03.01.2017
Frank Redman

mein Kommentar:
Die Hilflosigkeit in den Worten von Hans Joachim Maaz spiegelt die Lethargie der deutschen Öffentlichkeit wie auch die Hilf- und Sprachlosigkeit der politischen Klasse wider. Ähnlich ist Martin Schulz hilflos. Wogegen soll er denn kämpfen?

- Merkels Mehltau (Christoph Schwennicke, Cicero, 04.06.2014)

Merkel erklärt Wende in Atompolitik {3:46}

Veröffentlicht am 28.03.2011
phoenix
Angela Merkel (CDU) erläutert die Konsequenzen der Atomkatastrophe in Japan für Deutschland - Moratorium Laufzeiten Kernkraftwerke

Merkels Geniestreich:
Nachdem jahrzehntelang über Atomkraft in Deutschland gestritten worden war, hatten sich unter Schröder SPD und die Grünen auf ein Ausstiegsszenario aus der Atomenergie geeinigt. Nach dem CDU-Wahlsieg, stieg die CDU-Regierung aus dem Ausstieg aus. Und nach Fukushima stieg Angie über nacht aus dem Ausstieg vom Ausstieg aus…
An den Fakten hatte sich nichts geändert, 
(Kernkraft, Risiken, Wahrscheinlichkeiten und unsere Sprache, Post, 16.03.2011)
sie hatte einfach nur noch einmal neu nachgedacht…

Auch Steinmeier hat sich an dieser Frau die Zähne ausgebissen…
Die flexible Kanzlerin: Merkels 180-Grad-Wende und die Reaktion der Opposition - SPIEGEL TV {2:59}

Veröffentlicht am 09.06.2011
spiegeltv
Abonnieren Sie unseren Kanal: http://www.youtube.com/subscription_c... In ihrer Regierungserklärung verteidigt Angela Merkel die schwarz-gelbe Kehrtwende in der Energiepolitik. Die Opposition wirft der Kanzlerin mangelnde Glaubwürdigkeit vor.
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Steinmeier: »Es kann doch nicht sein, daß ausgerechnet Sie sich hier hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland. Das zieht einem doch die Schuhe aus. Der Atomausstieg stand im Gesetz, die Energiewende war eingeleitet gegen Ihren Widerstand, und sie fand statt, täglich, seit zehn Jahren.« 
SPIEGEL-Sprecherin aus dem Off: »Merkels Atomausstieg unterscheidet sich nur geringfügig von rot-grünen Plan aus dem Jahre 2001.«
Trittin hielt Merkel ihre früheren gegenteiligen Aussagen vor: »Sie haben doch in der Bundestagswahl erkärt: ›Wenn ich sehe, wie viele Kernkraftwerke weltweit gebaut werden, dann wäre es doch jammerschade, wenn Deutschland aussteigt.‹ Das war Ihre Position!«

Die Sprecherin aus dem Off: »Politische Grundsätze scheinen zweitrangig, heute zählen im Land der Ideen Patriotismus und Wir-Gefühl.«

Merkel geht auf die Argumente von Steinmeier und Trittin überhaupt nicht ein und umarmt pathetisch alle: »Welches Land, wenn nicht wir, sollte dazu die Kraft haben?!«
Damals hatten alle Angst und waren erleichtert, daß Merkel ihre 180°-Wende vollzog, da war ihre Widersprüchlichkeit von geringem Gewicht.
Aber wie kämpft man gegen jemanden, der sowohl A (Atomkraft) wie auch B (Ausstieg) vertritt?

Merkel konnte es erstaunlich egal sein, was die Atomstromlobby von ihr denkt. Und so setzte sie im Frühjahr 2011 den finalen Atomausstieg durch – sie verwirklichte das, was die Deutschen scheinbar zu diesem Zeitpunkt wollten und worüber in Deutschland seit Jahrzehnten gestritten wurde. Sie setzte den – so oft ersehnten – Primat der Politik. Dabei achtete sie die demokratischen Institutionen weniger, als es gedacht ist. Oder anders ausgedrückt: Sie setzte sich über die bürokratischen Mühlen der repräsentativen Demokratie hinweg. Merkel wurde kreativ, es gab ein Moratorium, das Parlament wurde mehr oder minder Außen vor gelassen bzw. die Entscheidung und die Konsequenzen im Nachhinein formal korrekt abgesichtert. Alles weniger demokratisch, als es sein sollte, oder? 

 

7771[Ausstieg aus dem Ausstieg. Oder: Wie Angela Merkel den Primat der Politik neu erfand, Julia Schramm, Merkel-Blog]

Von dem bekannten Hypnotherapeuten Jeffrey Zeig wird eine geniale Intervention kolportiert:
Es wird eine therapeutische Hypnose beim Zahnarzt induziert. 
Die Patientin wird unruhig und sagt: »I can’t breathe anymore!« 
Zeig: »Don’t worry Baby, I’ll breathe for you!«  
Dies macht deutlich, in welcher Welt sich die beiden in diesem Moment bewegen: einer frühkindlichen.
In einer solchen Welt haben Vernunft und Logik keinen Platz!

Richard D. Precht über den Wahlkampf {8:24}

Veröffentlicht am 04.09.2017
QuerDenker
- Verweigerung eines Wahlkampfs
- Die großen Themen werden einfach ignoriert
- Die Angst vor den ganz großen Themen
- Wir müssen unser Lebensmodell ändern
- Die Parteien scheitern schon an ihrer Basis
Quelle: Lanz | ZDF Fernsehen

Josef Kraus ab 4:10:
»Ein Meinungsforschungsinstitut hat festgestellt, daß 39% der Leute nicht mehr wissen, was sie 2013 gewählt haben.[…] Das ist doch am Rande der Amnesie.«
»Sehr oft gilt die spontane posthypnotische Amnesie (SPA) als Zeichen tiefer Trance.
Ursprünglich wurde angenommen, daß das vermeintlich ›schlafende‹ Subjekt sich nicht mehr an die Abläufe der Hypnose erinnert, eben weil es tief geschlafen hat.«
 [Spontane posthypnotische Amnesie, Miraculus, Diskussions-Forum bei Hypnose Mittelfranken, 2010]

Die ZEIT fragte 2011: Wofür steht Angela Merkel?
Wofür steht Angela Merkel? In der Umweltpolitik gehört diese zu den ungelösten Masterfragen. Als zuständige Ministerin war sie angeblich für die Ökosteuer, sagte es aber nicht laut, weil Helmut Kohl das nicht wollte. Sie forderte die Besteuerung von Flugbenzin und verwarf das wieder, als der Kanzler sie zurückpfiff, kurz vor einer Landtagswahl in Hessen. Sie schrieb ein Buch mit kernigen Sätzen, das Fachleute ziemlich dünn fanden, aber ihrer späteren Karriere als Klimakanzlerin tat das keinen Abbruch – ihre Partei hatte sie ja nicht als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt. Nur eines war stets über jeden Zweifel erhaben: Angela Merkels Bekenntnis zur Atomkraft. Im Bergbau habe es mehr Tote gegeben als bei der Kernenergie, pflegte sie zu sagen.
Für Atomkraft zu sein, das war für die Anhänger der Union immer mehr als eine x-beliebige Sachfrage. Für Atomkraft zu sein, das hieß, recht zu haben. Auf der Seite der Wirklichkeit zu sein. Bei den Realisten. Aus Merkels Sicht bedeutete es, die Normalität gegen die Spinner zu verteidigen.

Wie sich die Judikative unter Merkel veränderte, ist nicht nur an der »Aussetzung« der Wehrpflicht zu sehen; Arno Klönne kritisierte auf Telepolis: 
Die verfassungsrechtlichen Begriffe greifen nicht mehr. 7771[Das Grundgesetz in Erosion, Telepolis, 27.10.2014]

Schon 2013 verglich sie Hans-Joachim Maaz Angela Merkel mit einer Mutter:
Eine Mutter kann schließlich nicht abgewählt werden. Ich glaube, die meisten Menschen haben eine Muttersehnsucht, wollen das aber nicht wahrhaben. Sie projizieren deswegen diese Sehnsucht auf Frauen, die das garantiert nicht erfüllen können. Merkel ist so ein Fall. Darin liegt ein Grund für ihren Wahlerfolg. […]
Deutsche verleugnen oft die Gefahren. Sie wollen nichts Bedrohliches sehen. Das Unangenehme, das Peinliche wird weggeschoben. Sie nehmen keine Positionen ein, die kritisiert werden können. Die Tendenz sich zu vergnügen, geht mit der Neigung einher zu verleugnen, zu welchem Preis so ein Leben nur zu haben ist. 

 

7771[Psychoanalytiker und Bestseller-Autor Hans-Joachim Maaz in einem Interview: Das Phänomen Merkel: „Eine Mutter kann nicht abgewählt werden“, Oliver Stock, Handelsblatt, 27.09.2013]
woraufhin ihr – Frauensolidarität – Angelika Erbrecht-Lehrmann beisprang:
„Mutti“, die populärste Merkel-Lesart, wurde, was wunder im Kreise so vieler Analytiker, heiß diskutiert. Und kritisiert. Die Einschätzung, die „Kinder“-Bürger überließen sich Merkel allzu kindlich („regressiv eingerastetes Vertrauen“ nennt es der Freiburger Analytiker Tilmann Moser), fand nicht nur die Berliner Analytikerin und Politikwissenschaftlerin Angelika Ebrecht-Laermann „etwas eindimensional“. Es stecke „etwas Diffamierendes“ im Wort Regression.

Ich selbst sah den Erfolg Merkels als Ausdruck unserer Zeit:
Zum ersten Mal war ich selbst während der Ukraine-Krise von Angela Merkel – naja, nicht gerade begeistert, aber von ihrer Politik – angetan. Da wird die Bundeswehr hintenherum handlungsunfähig gemacht, alle laufen aufgeregt herum und rufen verzweifelt, daß wir nur noch Gulaschkanonen haben, sie trägt die Sanktionen gegen Rußland brav mit, verweigert sich aber der zunehmenden Militarisierung des Konflikts durch die USA. In Rußland kritisiert sie brav den Umgang mit Femen und unterzeichnet danach einige Wirtschaftsabkommen.
Ich habe immer kritisiert, daß kein Mensch weiß, wofür sie steht, aber sie ist die Hauptakteurin des europäischen Versuchs, sich aus dem Konflikt mit Rußland herauszuhalten. Ihre Fähigkeiten, ihre Gegner ins Leere laufen zu lassen, vermindern den Abrieb: Sie braucht nichts auszusitzen, weil nichts sie berührt.
Sie ist ein Phänomen der heutigen Zeit, das Ergebnis einer Entwicklung, in der Politiker nicht mehr gestalten können, sondern den Ereignissen hinterherlaufen müssen.
Dr. Sahra Wagenknecht zur Situation in Deutschland {13:22}

Veröffentlicht am 05.09.2017
QuerDenker
Sahra Wagenknecht in der heutigen Debatte zur Situation in Deutschland: Wer sich ein Deutschland wünscht, in dem wirklich alle gut und gerne leben, ein Deutschland ohne Niedriglöhne und Altersarmut, in dem Politiker sich nicht mehr von Konzernen kaufen lassen und Geld für gute Bildung statt für Panzer ausgegeben wird, wer Abrüstung und einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland will, der kann heute nur noch DIE LINKE wählen. Nur ein Weckruf durch eine deutlich gestärkte LINKE kann vielleicht verhindern, dass die SPD sich ein weiteres Mal in einer Großen Koalition verkriecht und so der Union ein Zeitlosticket für die Fahrt im Schlafwagen an die Macht verschafft.

Sahra Wagenknecht über das TV-Duell „Kuschelrunde" Merkel gegen Schulz {6:46}

Veröffentlicht am 04.09.2017
QuerDenker
Sahra Wagenknecht: „Das ist wirklich ein Trauerspiel“
Sahra Wagenknecht über das „Mutti“-Image der Kanzlerin: „Merkel hat eine große Fähigkeit zu verbergen, wie sie wirklich ist“
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Wir sehen uns in einem Frage-Dilemma gefangen: Was ist eher da, die Henne oder das Ei? 
Gorbatschow soll einmal gesagt haben »Wir mißtrauen uns nicht, weil wir Waffen haben, wir haben Waffen, weil wir einander mißtrauen.«

Letztendlich läuft es auf das Bedürfnis der deutschen Bevölkerung hinaus, von seiner Regierung eingelullt zu werden, und da kann ein Schulz, der versucht, sich politisch korrekt zu äußern, nicht viel ausrichten.

Die Zeit nach der Selbstauflösung der Sowjetunion ist gekennzeichnet vom vermeintlichen Erfolg derjenigen, die ständiges Mißtrauen gegenüber dem Osten propagieren.