Paysage vert, 1949 |
1949 verbringt Chagall vier Monate auf der schmalen Mittelmeerhalbinsel Saint-Jean-Cap-Ferrat zwischen Nizza und Monte Carlo. Die erste Wiederbegegnung mit dem Mittelmeer führt zu neuen künstlerischen Formen. Die Bilder aus dieser Zeit zeigen das Meer und die Berge – und über allem die unendliche Weite des Himmels als riesigen Raum, durchflutet von Tageslicht und sanft erhellt vom Mond. In der Grünen Landschaft von 1949 schweben Sonnenball und Mondscheibe, des Schlafes Bruder und des Lebens Schwester, wie freundliche Riesen über dem Meer des Lebens, durch das ein einsamer Ruderer sein Boot steuert – orientiert nur durch die großen Leitsterne des Tages und der Nacht.
Für Chagall sind dies keine Gegensätze: Sonne und Mond, Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Tod und Leben sind immer schon eins. Sie gehören zusammen wie Bruder und Schwester, die mich bei der Hand nehmen und durch das Leben führen. Wo ich mich ihnen anvertraue, weisen sie mir den Weg in jene grün-golden schimmernde Landschaft von ungewöhnlich hoffnungsvoller Dichte, Intensität und Strahlung: das unbekannte Land in der Tiefe meiner Seele, das die Mühen der Entdeckung tausendfach lohnt.
Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf
Wenn der Mensch abwesend ist, ist er am stärksten anwesend: im Schlaf, ins Traum. Lange herrschte die populäre Meinung vor, dass das Gehirn in der dämmrigen Phase abschaltet, sich eistspannt. auf Sparflamme „kocht” – und dann viel Überflüssiges vergisst. Die Neurowissenschaft hat andere Ergebnisse gebracht: Gerade jetzt herrscht zwischen den Hirnzellen höchste Aktivität. Die Neuronen „feuern” und knüpfen neue Verbindungen. Was der Mensch am Tag schafft, hat seinen Grund in der Nacht. Eigentlich ahnte es bereits Psalm 127: „Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und eucls spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.” Eine Forschergruppe in Lübeck hat die Weisheit experimentell bestätigt. Versuchspersonen können schlafend eine Mathematikaufgabe leichter lösen als rein wachend. Mathematikern, Physikern, Chemikern, Biologen, Künstlern sind solche Erlebnisse nicht neu. Sie haben die besten Einfälle oft dann, wenn sie gerade nicht ehrgeizig “daran” denken. Morgenstund hat Gold im Mund. Danach kann man aufzeichnen. ins Werk umsetzen, was man erfahren hat. Den Tod bezeichnen wir gern als „Schlafes Bruder”. Ein falsches Bild. Denn der Schlaf ist des Lebens Schwester. In den Religionen be-ginnen Heilsereignisse nachts, ins Traum. In manchen Mythologien der Weltschöpfung entsteht die Schöpfung aus dem Nichts dadurch, dass Gott selber schläft, träumt. Träume bewegen in der Bibel manche Geschichte voran, von Jakobs Himmelsleiter bis zu den nächtlichen Eingebungen der Magier, nicht zu Herodes zurückzukehren, um den Messias zu schützen. Der allererste Schlaf des Menschen ist nach dem Mythos zugleich sein kreativster: ,,Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so dass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch.” So entsteht die Frau, Partnerschaft, Liebe, Beziehung, Personalität. Zum sexuellen Akt, der größten und mysteriösesten Schöpfungskraft, um neues Leben zu zeugen, sagen wir: Dass Mann und Frau miteinander „schlafen”. Die Hirnforscher bestätigen: Es gibt eine menschliche Wachheit, die tiefer liegt als alle Oberflächenwachheit unserer Betriebsamkeit. Erst die Passivität machst den Menschen aktiv. Aber ohne Aktivität hilft Passivität nichts. Ähnlich ist Gott zu erfahren: eher in der Nacht als am Tag, aber nur dann, wenn man sich am Tag schon um ihn bemüht hat.
Wenn der Mensch abwesend ist, ist er am stärksten anwesend: im Schlaf, ins Traum. Lange herrschte die populäre Meinung vor, dass das Gehirn in der dämmrigen Phase abschaltet, sich eistspannt. auf Sparflamme „kocht” – und dann viel Überflüssiges vergisst. Die Neurowissenschaft hat andere Ergebnisse gebracht: Gerade jetzt herrscht zwischen den Hirnzellen höchste Aktivität. Die Neuronen „feuern” und knüpfen neue Verbindungen. Was der Mensch am Tag schafft, hat seinen Grund in der Nacht. Eigentlich ahnte es bereits Psalm 127: „Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und eucls spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.” Eine Forschergruppe in Lübeck hat die Weisheit experimentell bestätigt. Versuchspersonen können schlafend eine Mathematikaufgabe leichter lösen als rein wachend. Mathematikern, Physikern, Chemikern, Biologen, Künstlern sind solche Erlebnisse nicht neu. Sie haben die besten Einfälle oft dann, wenn sie gerade nicht ehrgeizig “daran” denken. Morgenstund hat Gold im Mund. Danach kann man aufzeichnen. ins Werk umsetzen, was man erfahren hat. Den Tod bezeichnen wir gern als „Schlafes Bruder”. Ein falsches Bild. Denn der Schlaf ist des Lebens Schwester. In den Religionen be-ginnen Heilsereignisse nachts, ins Traum. In manchen Mythologien der Weltschöpfung entsteht die Schöpfung aus dem Nichts dadurch, dass Gott selber schläft, träumt. Träume bewegen in der Bibel manche Geschichte voran, von Jakobs Himmelsleiter bis zu den nächtlichen Eingebungen der Magier, nicht zu Herodes zurückzukehren, um den Messias zu schützen. Der allererste Schlaf des Menschen ist nach dem Mythos zugleich sein kreativster: ,,Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so dass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch.” So entsteht die Frau, Partnerschaft, Liebe, Beziehung, Personalität. Zum sexuellen Akt, der größten und mysteriösesten Schöpfungskraft, um neues Leben zu zeugen, sagen wir: Dass Mann und Frau miteinander „schlafen”. Die Hirnforscher bestätigen: Es gibt eine menschliche Wachheit, die tiefer liegt als alle Oberflächenwachheit unserer Betriebsamkeit. Erst die Passivität machst den Menschen aktiv. Aber ohne Aktivität hilft Passivität nichts. Ähnlich ist Gott zu erfahren: eher in der Nacht als am Tag, aber nur dann, wenn man sich am Tag schon um ihn bemüht hat.
Johannes Röser
Wir sind aus solchem Zeug wie das zu Träumen.
Und Träume schlagen so die Augen auf,
wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,
aus deren Krone den blassgoldnen Lauf
der Vollmond anhebt durch die große Nacht.
… Nicht anders tauchen unsere Träume auf.
Sind da und leben wie ein Kind, das lacht,
nicht minder groß im Auf- und Niederschweben
als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht.
Das Innerste ist offen ihrem Weben,
wie Geisterhände im versperrten Raum
sind sie in uns und haben immer Leben.
Und drei sind eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.
Hugo von Hofmannsthal