Freitag, 27. September 2013

Christlicher Glaube, das sechste Gebot und das Verstehen der Texte

Egal, ob man Christ ist oder nicht, das Christentum ist mit die Basis unserer Kultur.
Deshalb finde ich es wichtig, sich über bestimmte Sachverhalte Klarheit zu verschaffen.

Durch Zufall bin ich auf folgenden Text gestoßen:
- Wider das liberale Pseudochristentum (Nachrichtenbrief orgonomie.net, 27.04.2013)
… und habe dann weitergesucht:
- Elieser Segal, Du sollst nicht morden ... oder heißt es „Du sollst nicht töten“? Das Sechste Gebot und die Schwierigkeit der Übersetzung (Jüdische Allgemeine, 09.11.2006)

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Auf der Wartburg blieb Luther bis zum 1. März 1522 inkognito als „Junker Jörg“. Auf Anraten Melanchthons übersetzte er im Herbst 1521 das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Als Vorlage diente ihm ein Exemplar der griechischen Bibel des Erasmus von Rotterdam,[35] zusammen mit dessen eigener lateinischen Übersetzung sowie der Vulgata. Eine erste Auflage des Neuen Testamentes erschien im September 1522 („Septembertestament“). 1523 erschien die erste Teilübersetzung des Alten Testaments; beide zusammen erlebten bis 1525 bereits 22 autorisierte Auflagen und 110 Nachdrucke, so dass rund ein Drittel aller lesekundigen Deutschen dieses Buch besaß.[36] Bis 1534 übersetzte Luther zusammen mit einem Kreis aus Reformatoren und Professoren-Kollegen[37] das übrige Alte Testament aus damals wiederentdeckten Handschriften der Masoreten; beide Testamente zusammen – einschließlich der Apokryphen – bilden die berühmte Lutherbibel. (Martin Luther, Bibelübersetzung und sprachprägende WirkungWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Begriffe Tora(rolle), Pentateuch und Die fünf Bücher Mose meinen dasselbe:

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Die Tora macht einen großen erzählerischen Bogen. Es beginnt mit der Schöpfung und der Urzeit über die Erzväter AbrahamIsaak und Jakob, geht weiter über den Auszug aus Ägypten und den Bundesschluss am Berg Sinai mit der Bekanntgabe der Gesetze bis hin zur Wanderung durch die Wüste bis zur Ansiedlung im Gelobten Land Kanaan (heute Israel/Palästina) als Heilsgeschichte JHWHs. Von der Landnahme selbst berichtet die Tora nicht mehr; das folgt erst im Buch Josua, das die Geschichte weiterführt. In dieser Erzählung werden die vielen Bestimmungen, die nach der Tora Gott den Israeliten am Berg Sinai gegeben hat, ausführlich behandelt. Weil die Tora über weite Strecken ein reines Gesetzeskorpus darstellt, wurde sie zur Grundlage der religionsgesetzlichen Ausformung des rabbinischen Judentums und erhält von dorther ihre Bedeutung im Judentum bis heute. Nach traditioneller jüdischer Auffassung beinhaltet die Tora 613 Vorschriften, 248 Ge- und 365 Verbote. Die Tora ist thematisch in drei Hauptteile gegliedert:
  1. Urgeschichte und Erzväter-Erzählungen in Genesis. Sie behandeln noch nicht die Gesamtgeschichte Israels, sondern seine Vorgeschichte, die mit der Schöpfung der Welt, der Sintflut und der Berufung verschiedener Stammväter beginnt. Sie enthalten viele MythenLegenden und Ätiologien, in denen sich historische Erinnerungen nomadischer Sippen an die vorstaatliche Frühzeit der Israeliten verbergen.
  1. Die Bücher Exodus, Levitikus und Numeri stellen die eigentliche Heilsgeschichte des Volkes Israel vom Auszug aus Ägypten und Offenbarung der Zehn GeboteJHWHs am Sinai bis zur Landnahme Kanaans dar. Sie bilden daher eine thematische Einheit.
  1. Das Deuteronomium enthält keine Geschichtserzählungen mehr, sondern nur noch Mose zugeschriebene Reden und Gesetze, die überwiegend schon bekannte Toragebote aus der Sinaitradition übernehmen, variieren und kommentieren.
Diese drei Hauptteile durchziehen sieben große Themenkreise, die als eigenständige Komplexe ursprünglich mündlich überliefert wurden. Sie wurden schon in sehr frühen Glaubensbekenntnissen Gesamtisraels als Stationen einer Heilsgeschichte im sogenannten kleinen geschichtlichen Credo aneinandergereiht:
„5 … Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk. 6 Die Ägypter behandelten uns schlecht, machten uns rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. 7 Wir schrien zum Herrn, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien und sah unsere Rechtlosigkeit, unsere Arbeitslast und unsere Bedrängnis. 8 Der Herr führte uns mit starker Hand und hoch erhobenem Arm, unter großem Schrecken, unter Zeichen und Wundern aus Ägypten, 9 er brachte uns an diese Stätte und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fließen.“– (Dtn 26,5–9 EU)
Diese Reihung umgreift eine Geschichtsperiode von gut 500 Jahren von den nomadischen Anfängen Israels bis zur Besiedelung des fruchtbaren Landes Kanaan. Ihr entspricht die Verknüpfung der
  • Erzvätergeschichten [1]
  • mit der Josephserzählung [2],
  • dem Exodus der Israeliten aus Ägypten [3],
  • dem Zug durch die Wüste [4] und
  • der Eroberung zunächst des Ostjordanlandes, dann ganz Kanaans [5].
Die Themenkomplexe des Sinaibundes [6] und der Urgeschichte [7] fehlen noch in den alten Credoformeln Israels, da ihr Einbau in den Pentateuch relativ spät erfolgte. Kristallisationskern und ordnendes Zentrum der Überlieferung ist das Thema der Befreiung aus der Sklaverei, mit der JHWH sich erstmals unter seinem Namen offenbart und Israel zu seinem Bundesvolk „erwählt“ (Ex 3). Erst in der Begegnung mit den orientalischen Großmächten und ihrer kosmogonischen Mythologie stellte Israel sein Werden in den größeren Rahmen der Erschaffung der Welt. Die Urgeschichte am Anfang der Bibel ist also der letzte Themenkomplex, der dem Pentateuch zugewachsen ist. Diesen durchzieht ein Spannungsbogen von der Verheißung zur Erfüllung, bezogen besonders auf das Stichwort des „Landes“, das Gott durch Unterscheidung von Himmel und Urflut schuf (Gen 1,1–12), um es Mose kurz vor seinem Tod als Erbe Israels zum Segen für alle Völker (Gen 12,3) zu zeigen (Dtn 34,1–4). (Tora, Die übergreifenden ÜberlieferungskomplexeWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Zehn Gebote, auch Zehn Worte (hebr. עשרת הדיברות aseret ha-dibberot) oder Dekalog (altgr. δεκάλογος deka-logos) genannt, sind eine Reihe von Geboten und Verboten (hebr. Mitzwot) des Gottes Israels, JHWH, im Tanach, der Hebräischen Bibel. Im Tanach existieren an zwei Textstellen zwei leicht unterschiedliche Fassungen. Sie sind als direkte Rede dieses Gottes an sein Volk, die Israeliten, formuliert, und fassen seinen Willen für das Verhalten ihm und den Mitmenschen gegenüber zusammen.
Sie haben im Judentum wie im Christentum zentralen Rang für die theologische Ethik und haben die Kirchengeschichte und die Kulturgeschichte Europas und des außereuropäischen Westens mitgeprägt. (Zehn GeboteWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Vom Dekalog gibt es zwei Fassungen, die in Details voneinander abweichen, und zwar im 2. Buch Mose (Exodus) und im 5. Buch Mose (Deuteronomium). (Zehn Gebote, WortlautWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Die Bibelübersetzung wird seit dem legendarischen Aristeasbrief (um 130 v. Chr.) traditionell mit dem lateinischen Zahlwort Septuaginta für 70 benannt. Der Name folgt damit der griechischen Eigenbezeichnung Κατὰ τοὺς ἑβδομήκοντα (Kata tous Hebdomêkonta = „gemäß den Siebzig“). Das Werk wird oft mit der römischen Zahl LXXoder dem Buchstaben  abgekürzt.
Der Legende nach übersetzten 72 jüdische Gelehrte in Alexandria die Tora (fünf Bücher Mose) in 72 Tagen aus dem Hebräischen ins Griechische. Dabei soll jeder Übersetzer für sich selbst gearbeitet haben, am Ende aber seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen: der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Die Zahl 72 wurde auf 70 abgerundet und erinnert an die siebzig Auserwählten, die mit Gottes Geist begabt wurden, um Mose bei der Rechtsprechung zu helfen (Num 11,24ff EU). Damit wurde auch die Verbalinspiration dieser Übersetzung betont.
Der Name wurde bis etwa 200 n. Chr. auf alle griechischen Erstübersetzungen biblischer Bücher und griechisch abgefasste heilige Schriften des Judentums ausgedehnt. Die Christen bezogen ihn auf diese Sammlung aller griechischsprachigen jüdischen heiligen Schriften, die sie als ihr Altes Testament übernahmen. (Septuaginta, NameWikipedia, abgerufen am 30.05.2017)
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Das sechste Gebot wurde aus dem Hebräischen übersetzt. (Wikipedia: Septuaginta)
Erst in jüngster Zeit ist im Sprachgebrauch ein Bedeutungswandel eingetreten: Das Fünfte Gebot wird inzwischen vielfach als unterschiedslos allgemeines Tötungsverbot verstanden. Dies aber gibt der hebräische Text so nicht her. Durch die unzulässige Ausweitung des Tötungsverbotes wird die Lutherübersetzung verfälscht. Im Alten Testament heißt es nämlich nicht "Lo tiktol" (allgemein "Du sollst nicht töten"), sondern "Lo tirzach" ("Du sollst nicht morden"). [Beantwortung der Frage aus dem Leserforum: Lautet das Fünfte Gebot "Du sollst nicht morden" oder "Du sollst nicht töten"? forum-treffpunkt-leben.de, 25.03.2006]
 Ganz so eindeutig ist der hebräische Urtext leider nicht. Der Wortstamm "razach", von dem das "lo tirzach" in Ex. 20,13 abgeleitet ist, bedeutet laut Gesenius, "Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch", "töten", "morden", aber auch "totschlagen" im Sinne eines nicht beabsichtigten Totschlags (S. 772). Hollenberg-Budde, "Hebräisches Schulbuch", bietet nur die Übersetzung "töten" an (S. 39). David Cassel, "Hebräisch-Deutsches Wörterbuch", bevorzugt an dieser Stelle die Übersetzung "morden", läßt aber auch "töten" und "hinrichten" zu (Seite 313). Das als Alternative angebotene "katal", hier abgeleitet "lo tiktal", wird in den drei zitierten Quellen allgemein mit "töten" übersetzt. Gesenius und Cassel verweisen aber auch auf das hiervon abgeleitete Hauptwort "ketel" gleich "Mord" (Seite 710 bzw. Seite 290). Luther hat also das Fünfte Gebot keineswegs falsch übersetzt; auch ist die rigorose Interpretation als generelles Tötungsverbot nicht ausgeschlossen. Allerdings räume ich ein, daß der alttestamentliche Kontext mit zahlreichen göttlichen Tötungsgeboten (zum Beispiel bei der Landnahme Israels) eher die von Elimar Schubbe bevorzugte Übersetzung ("Du sollst nicht morden") nahelegt. [Elimar Schubbe, Anmerkung der Redaktion, forum-treffpunkt-leben.de)
Der Text »Wider das liberale Pseudochristentum« enthält ein Zitat des Theologen Karl Dienst. Der gesamte Dienst-Text findet sich bei kreuzwacht.de als PDF.
In dem Text führt Dienst einige nachdenkenswerte Zitate des Gießener Philosophieprofessors Odo Marquard an (hier ab Seite 39):
„Was immer unsere Zeit sein mag: sie ist jedenfalls auch das Zeitalter der Wechselwirtschaft zwischen Utopien und Apokalypsen, zwischen Diesseitserlösungs-Enthusiasmus und Katastrophengewißheit, zwischen den Naherwartungen einerseits des Himmels auf Erden, andererseits der Hölle auf Erden, und jedenfalls zwischen Fortschrittsphilosophien und Verfallsphilosophien.“ (S. 34)
„Je mehr Krankheiten die Medizin besiegt, desto größer wird die Neigung, die Medizin selber zur Krankheit zu erklären; je mehr Lebensvorteile die Chemie der Menschheit bringt, umso mehr gerät sie in den Verdacht, ausschließlich zur Vergiftung der Menschheit erfunden zu sein.“ (S. 35)
„[…] stellvertretend nachgeholt durch den Aufstand gegen das, was nach 1945 an die Stelle der Diktatur getreten war; darum wurden auch die ‚Totems‘ gerade geschlachtet und die ‚Tabus‘ gerade gebrochen: nach der nachträglichen Fresswelle kam so die ideologische… Dadurch wird eine Demokratie zum nachträglichen Empörungsziel eines gegen die totalitäre Diktatur versäumten Aufstands.“ (S. 40, im Kapitel »Nachträglicher Ungehorsam«)
Dienst selbst:
Man möchte wenigstens heute „dagegen sein“, indem man die Vergangenheit auf die Couch legt und zu therapieren versucht. Die Moralkeule ist die schlimmste Waffe in diesem „Glaubenskrieg“ heutiger „Zivilreligion“. Das hat auch Tradition: Der Moralismus war schon immer die beste Waffe des „Ketzerklatsches“, mal religiös, mal politisch drapiert. […]Was mich am meisten bei dem „nachträglichen Ungehorsam“ bedrückt ist dies: Auf diese Weise wird jedes Gespräch, jede faire Auseinandersetzung von vorn herein unmöglich gemacht. Das Denunzieren wird zur Hauptbeschäftigung. Man braucht nur auf bestimmte Wörter und Bilder hinzuweisen, die der Andere benutzt, um ihn in eine bestimmte Ecke zu stellen und abzuqualifizieren. Das war übrigens eine Unart nicht nur von Jürgen Habermas, der dauernd von der „herrschaftsfreien Kommunikation“ redete, aber seinen Gegnern von vorn herein oft unlautere Motive unterstellte. Übrigens war das schon so bei der Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther; auch hier wurde vor allem zitiert statt argumentiert. Die grosse Gefahr eines solchen Verfahrens: Moral wird zum Vernunftersatz, Denunzieren ersetzt Verstehenwollen. Und das ist schlimm! (S. 40f.)

Das war jetzt ein großer Bogen von 700 v. Chr. bis heute. Hoffentlich ist keiner verlorengegangen!