Sonntag, 7. Juni 2015

Geschichtsschreibung in der Ukraine

Zwei geschichtsrevisionistische Gesetze rufen politische Beobachter auf den Plan und provozieren Kritik von Experten
Kurz vor dem Gipfel der G7 im bayrischen Elmau hat Ukraines Präsident Petro Poroschenko das Bündnis der Industrienationen zur Geschlossenheit bei der Unterstützung seiner Regierung aufgerufen. Wie Nachrichtenagenturen vermeldeten, telefonierte er in dieser Sache auch mit US-Präsident Barack Obama.

Während der Konflikt zwischen Kiew und Moskau sowie die fragile Situation im Osten des Landes das Gipfeltreffen am Sonntag und Montag wohl bestimmen wird, sorgt die Führung in Kiew mit zwei Gesetzesinitiativen für Aufsehen: Zum einen sollen Orts- und Straßennamen aus der Sowjetzeit beseitigt werden. Zugleich könnte eine neue Regelung Nazi-Kollaborateure ehren und Kritik an ihnen unter Strafe stellen. Die internationalen Reaktionen sind verhalten bis besorgt.

Betroffen seien Dutzende Ortschaften und hunderte Straßen im Land, schrieb Leonid Berschidski von der Nachrichtenagentur Bloomberg. Poroschenko unterzeichnete demnach am 15. Mai ein Gesetz, das vordergründig die Sowjetunion und das deutsche Nazi-Regime gleichsetzt und Ehrungen von Vertretern beider Systeme verbietet. Die Regelung folgt der Politik der neuen Führung in Kiew, die in ihrem Einflussgebiet seit dem Maidan-Umsturz zahlreiche Statuen des russischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin hat beseitigen lassen. Das von Poroschenko Mitte Mai unterzeichnete Gesetz droht nun jenen mit Strafen, die "den kriminellen Charakter" der Sowjetunion und Nazi-Deutschlands leugnen.

Von den damit begründeten Umbenennungen sind bislang mindestens zwei Ortschaften betroffen: Dnipropetrowsk und Kirowograd. Der erste Ort ist nach Gregori Petrowski benannt, einem sowjetischen Politiker, der die Ukraine von 1920 bis 1930 regierte. Kirowograd trägt seinen Namen im Andenken an den Bolschewisten Sergei Kirow. Zu erwarten sei die Umbenennung dutzender anderer Ortschaften mit einer ähnlichen Namensgeschichte, schreibt Berschidski. Die schwer überschaubaren Kosten für die geschichtsrevisionistische Initiative wird mit umgerechnet rund 212 Millionen Euro angegeben.

mehr:
- Kiew stellt nun Kritik an den eigenen Nazis unter Strafe (Harald Neuber, Telepolis, 07.06.2015)

G7 bei Weißwurst und Brezn: Politik als Unterhaltungsabteilung des miltärisch-industriellen Komplexes

Merkel und Obama bei Weißwurst und Brezn sollten die Bilder dominieren
War die Demonstration in München eher gutbürgerlich und ohne besondere Vorkommnisse abgelaufen, kam es in Garmisch zu ersten Rangeleien. Das Polizeiaufgebot in der Festung Werdenfelser Land ist mit rund 24.000 Kräften offensichtlich noch deutlich größer, als bisher bekannt.

Nachdem es am Samstag bei der Demonstration mit etwa drei-bis viertausend Teilnehmern trotz massivem Polizei-Aufgebot zu ersten Rangeleien und dem Einsatz von Pfefferspray gekommen war, beruhigte sich die Lage - nicht zuletzt aufgrund eines abendlichen Sommergewitters. Am Sonntagvormittag wurde dann von einer kleinen Gruppe Demonstranten die B2 und damit die Zufahrt zu Schloss Elmau per Sitzblockade unterbrochen.

Von der Blockade durch 12 Personen und der anschließenden Räumung durch Polizeikräften sind bislang keine Bilder zu finden. Wurden in Garmisch-Partenkirchen am Samstag 6 Personen festgenommen, so wurden am Sonntag 5 Beteiligte der B2-Blockade verhaftet. Gegen Sonntagmittag sammelten sich etwa 150 Personen beim Camp an der Loisach, um den Inhaftierten einen Besuch abzustatten.

Kulisse "Volkstümlich und bürgernah"
Die Inszenierung des G7-Gipfels in Schloss Elmau ist ganz offensichtlich darum bemüht, die internationalen Medien mit idyllischen Aufnahmen aus der weiß-blauen Bergwelt zu fluten und mögliche Bilder von Demonstrationen in diesem Umfeld mit allen Mitteln zu vermeiden. Das Gelände um Schloss Elmau ist weiträumig abgesperrt. Dabei kommen offensichtlich neben Landespolizisten aus dem Freistaat auch solche aus anderen Bundesländern sowie Bundespolizisten wie auch Polizisten aus Österreich zum Einsatz.

Bedingt durch die Blockade der B2 am Sonntagmorgen wurden für den Transport der handverlesenen Journalisten, die ursprünglich mit Bussen zu ihren Außenposten in Sichtweite des Hotels gebracht werden sollten, Hubschrauber der Heeresflieger der Bundeswehr eingesetzt. Wo dieser Einsatz der Bundeswehr im Inneren, der sonst eher bei Naturkatastrophen üblich ist, letztlich verbucht wird, ist nicht bekannt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Einsatz als Übung bezeichnet wird und in der Aufstellung der inzwischen mit über 300 Millionen bezifferten Kosten des Gipfels gar nicht auftaucht.

mehr:
- G7: Volkstümlicher Vormittag statt Demonstranten auf der B2 (Christoph Jehle, Telepolis, 07.06.2015)

G7 Brotzeit: Obama mit Merkel bei Bier und Weißwurst in Krün [1:12]

Veröffentlicht am 07.06.2015
Bei bestem Wetter ist US-Präsident Barack Obama zum G7-Gipfel in Bayern angekommen. Zur Begrüßung gab es eine Brotzeit in Krün. Zusammen mit Angela Merkel und ihrem Ehemann.

siehe auch:
- Die G7-Regierungschefs sollen außer Sicht- und Hörweite ihrer Kritiker tagen dürfen (Florian Rötzer, Telepolis, 07.06.2015)

Das Schloss, der Gipfel und die Macht: G7 - Countdown für zwei Tage Weltpolitik | Kontrovers [44:06]

Veröffentlicht am 03.06.2015
Kontrovers im Internet: http://www.br.de/kontrovers
Es ist das Politereignis des Jahres: Am 7. und 8. Juni 2015 treffen sich sieben Staats- und Regierungschefs zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau. Abgeschieden, in einem einsamen Gebirgstal soll an den beiden Tagen über eine Welt diskutiert werden, die scheinbar aus den Fugen geraten ist: Ukraine-Krise, Flüchtlingskatstrophen, IS-Terror. Ein Gipfel in Zeiten von Krieg und Terrorgefahr.
Über ein Jahr lang hat die Filmautorin Autorin Kirsten Esch die Akteure vor Ort beobachtet: Die minutiösen Vorbereitungen im Tagungsort Schloss Elmau, den Neubau der Luxus-Suiten für die Staatsgäste und mittendrin den Hotelchef Dietmar Müller-Elmau. Für ihn geht mit dem Gipfel in seinem Schloss ein Traum in Erfüllung.
Autorin: Kirsten Esch

mein Kommentar:
außer Sicht- und Hörweite?
In Frankreich liegen doch noch die beiden Hubschrauberträger in der Gegend rum. (Helikopter-Träger für Moskau: Hollandes verkorkster Kriegsschiff-Deal, Stefan Simons, SPIEGEL Online, 26.11.2014) Da müßte man auch nicht so viel absperren! Und Volksmusik können die Franzosen auch!

le deserteur Renaud [3:41] Text und Übersetzung

Veröffentlicht am 11.06.2013
Hommage humoristique en photos 

Wieder MH-17 und wieder: Nebelbomben gegen Russland

Seit dem Zweiten Weltkrieg läuft im Westen eine ununterbrochene Propaganda-Maschinerie gegen Moskau. Egal, was man in die Finger kriegt: entweder die Sowjets oder Putin sind schuld und die Bösen. Damit hält man unsere Leute bei der Stange und rechtfertigt an die 1000 US-Militärstützpunkte rund um die Welt.
Was hat man über MH-17 in unseren Leitmedien nicht alles gehört: menschenverachtender Umgang mit den Leichen, deren Besitztümer zudem noch entwendet werden usw. Vor einigen Wochen geisterte die nächste Anschuldigung durch die Medien: Russland soll Satellitenaufnahmen manipuliert haben.
Dreh- und Angelpunkt dieser Beschuldigungen ist die Recherche-Plattform Bellingcat.

Der Alte Mann hat sich mal wieder viel Arbeit gemacht:
- Wahrheit = Lügen ins Quadrat (AlterMannBlog, 04.06.2015)
„Handfeste Beweise“: Separatisten schossen MH17 ab (Focus, 10.11.2014)
- Was wir aus der Berichterstattung über den Bellingcat-Report lernen (Florian Haarms, SPIEGEL-Blog, 04.06.2015)
- MH17-Bilder – Experte hat starke Zweifel an Bellingcat (n-tv, 03.06.2015)
- Angebliche russische MH-17-Fotofälschungen. Bellingcat. Übereifrige deutsche Lügenpresse hat mal wieder die Enten-Torte im Gesicht. / Wiedenroths tägliche Politik-Karikatur (Finanznachrichten.de)
Wer sich um eine gründliche Recherche der Faktenlage auch immer wieder bemüht ist Gabriele Wolff:
- Ukraine-Intermezzo: wie Bellingcat arbeitet (2) (Gabriele Wolff, 28.03.2015)
In ihrem Artikel verweist sie auf den Blogger Eliot Higgins, der ein Video zeigt, auf dem angeblich russische Artillerie von rusischem Territorium aus in die Ukraine schießt:
- How blogger Brown Moses used open-source information to analyse missile attacks on Ukraine – video (The Guardian, 17.02.2015)
Drauf hängt sich die ZEIT gleich dran:
- Untersuchung – Ukraine soll von Russland aus beschossen worden sein (ZEIT Online, 18.02.2015)

probono Magazin Folge 46: Antipathie ersetzt Recherche [8:35]

Veröffentlicht am 04.06.2015
Nett, nett, dieser Journalismus. Antipathie ersetzt zunehmend die Recherche. Ey, ganz ehrlich: Geh sieben!

Hintergrundinformationen zur Bellingcat-Analyse:
Hogymag, Bellingcat-Analyse MH 17 so unseriös wie BILD und SPON: http://bit.ly/Bellingcat_Analyse
Life in the Lanzone, An analysis of the analysis: http://bit.ly/analysis_of_analysis

Informationen zu allen weiteren Beiträgen gibt es in unserer Netzlese auf Storify: https://storify.com/probonotv/probono...

In der aktuellen Ausgabe:
Aron Doll - @Aronius
Friedrich Küppersbusch - http://fb.me/FriedrichKueppersbusch
Jürgen Ohl - @JuergenOhls
Kathrin Röhle
Lars Schall - @LarsSchall

Das probono Magazin ist eine wöchentlich erscheinende Produktion der probono Fernsehproduktion GmbH.
Fragen und Anregungen zu speziellen Themen aus den Resorts Politik und Gesellschaft nehmen wir jederzeit gerne per E-Mail an online@probono.tv, via Twitter @probonoTV oder telefonisch unter +49 0221.92 01 18 - 0.


mein Kommentar:
Bei so viel Qualitäts-Journalismus wird’s einem gleich warm ums Herz…