Mittwoch, 4. Oktober 2017

Ärger um ungültige Gesundheitskarten

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein informierte am 26.09.2017 die ihr angeschlossenen ÄrztInnen wie folgt: „Leider haben wir erst kurzfristig erfahren, dass es Schwierigkeiten mit den elektronischen Gesundheitskarten (eGK) der ersten Generation zu geben scheint, die Sie in den Praxen ab 1. Oktober 2017 betreffen könnten… Ab dem 1. Oktober können eGK der Generation 1 (G1) nicht mehr ins Praxisverwaltungssystem eingelesen werden. Die Betreibergesellschaft gematik hatte die eGK G1 für ungültig erklärt. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands sind kaum noch eGK G1 im Umlauf. Doch auch, wenn ein Versicherter von seiner Kasse eine G2-Karte erhalten hat, heißt das nicht, dass er sie auch nutzt. Denn etliche G1-Karten sind nach ihrem sichtbaren Gültigkeitsdatum auf der Rückseite noch nicht abgelaufen, aber trotzdem ungültig. Sie könnten deswegen von den Versicherten noch in der Praxis vorgelegt werden…“ 

Am 29.09.2017 wurde diese Information von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wie folgt ergänzt: „Inzwischen haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV- Spitzenverband darauf verständigt, wie Ärzte und Psychotherapeuten verfahren sollen, wenn Patienten mit einer nicht-einlesbaren eGK der ersten Generation (G1) in ihre Praxis kommen: Praxen sollten in solchen Fällen das Ersatzverfahren anwenden… Der GKV-Spitzenverband hat der KBV die Zusage gegeben, dass die betroffenen Ärzte und Psychotherapeuten die Leistungen mittels Ersatzverfahren auch dann abrechnen können, wenn der Patient bis Ende des Quartals keine neue eGK vorlegt. […]"
mehr:
- Ärger um ungültige Gesundheitskarten: Und plötzlich soll das Ersatzverfahren angewendet werden (Patientenrechte-Datenschutz.de, 02.10.2017)

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Bis zur Jahrtausendwende wurde mit E-Health noch vorwiegend die Digitalisierung traditioneller Prozesse im öffentlichen Gesundheitswesens wie elektronische Gesundheitsakten oder ein elektronisch gestütztes Krankheits- und Wissensmanagement bezeichnet. Andere IKT-gestützte Prozesse in der Medizin wie Gesundheitsinformationsnetzwerke oder Telemedizin wurden parallel zu E-Health aufgeführt. Aufgrund neuer technologischer Entwicklungen wie mobiles Internet oder Internet der Dinge entwickelten sich seitdem eine Vielzahl weiterer IKT-gestützter Anwendungen für das Gesundheitswesen. Dies führte zu einer allgemeineren Fassung der E-Health-Definition, die heute als Oberbegriff für eine Vielzahl von Bereichen dient:
  • elektronisch gestütztes Krankheits- und Wissensmanagement (Clinic Decision Support Systems, Big-Data-Diagnostik)
  • persönlich und dezentral bereitgestellte Gesundheitsfürsorge zur Diagnose, Überwachung, Beratung, Terminvergabe und Verschreibungen (Internetmedizin)
  • Online Apotheken
Die Disziplinen Medizin, IT und Gesundheitsmanagement werden dabei zu dem neuen Fachbereich E-Health verschmolzen.[2] Seit 2007 werden in Deutschland Masterstudiengänge[3], seit 2015 auch Bachelorstudiengänge[4] für den Fachbereich E-Health angeboten. Am 4. Dezember 2015 wurde im Bundestag das „E-Health-Gesetz“[5] beschlossen, das die Einführung von E-Health Technologien im deutschen Gesundheitswesen regelt.[6] Der weltweite Umsatz für E-Health Produkte und Dienstleistungen wurde 2014 auf 85 Milliarden US$ geschätzt, das jährliche Wachstum des Marktes auf 15 %. [E-Health, Definition, Wikipedia, abgerufen am 04.10.2017]
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siehe auch:
- Online-Anschluss von Arztpraxen: Fallen Sie nicht auf Lockangebote der Industrie herein! (Freie Ärzteschaft, Herbst 2017)
- Wahnsinnswoche 2017:39 (Ewald Proll, Dr. med. Ewald Proll :: Arzt für Psychiatrie / Psychotherapie, 01.10.2017, Beachte auch die Zitate am rechten Rand!)
- Gemeinsam in eine neue Ära: Die Telematikinfrastruktur kommt. (CompuGroupMedical)
- Wie die Politik die digitale Zukunft gestalten will (Paul Ruppricht, KanalEgal, 14.09.2017, siehe Abschnitt »E-Health«)
- Linkliste: Digitalisierung und Telemedizin (Ärzteblatt Thüringen, September 2017)
- Konzepte und Trends von “Value-based Healthcare” in Deutschland (Wolfgang Hoffmann, Petersburger Dialog, 01.06.2017, PDF-Handout einer Präsentation)
- Die Anbindung Ihrer Praxis an die Telematikinfrastruktur (Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg, 03.05.2017)
- KBV und GKV-Spitzenverband Einigung über Finanzierung der Telematik-Infrastruktur (kma-Magazin, 03.05.2017)
- E-Health: Studie sieht milliardenschweres Einsparpotenzial (Ärzteblatt, 24.04.2017)
- Fachberufe und Digitalisierung (Bayerisches Ärzteblatt, 05.04.2017)
- Big Data: From Chip to Bedside durch konkrete Versorgungsziele (Der digitale Patient, Franz-Josef Bartmann, 01.03.2017)
- Value Based Healthcare (H.-J. Wiedl, HighlightsMagazin, Ärztekammer Berlin, 09.06.2016)
Umso problematischer ist es, dass es für andere, zum Teil seit vielen Jahren für wichtige Bereiche der Finanzierung, der Qualität und Regulierung im Gesundheitswesen zuständigen traditionell korporatistisch verfassten Einrichtungen wie z.B. den Bewertungsausschuss (§ 87 Abs. 1 SGB V) oder die u.a. für die Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gegründete Gesellschaft für Telematik (§ 291b SGB V) keine vergleichbare Transparenz gibt. Immerhin hat die Gesellschaft für Telematik seit ihrer Gründung rund 1 Milliarde Euro Versichertengelder ausgegeben und damit gerade mal ein gedrucktes Bild des GKV-Versicherten auf der eGK zustande gebracht. Jetzt droht ihr bzw. ihren Trägern zusammen mit der Industrie durch das sogenannte eHealth-Gesetz zum nächsten praktischen Schritt gezwungen zu werden. Verständliche Transparenz über die Arbeit wichtiger Akteure im Gesundheitswesen: Das Beispiel IQWiG. (Bernhard Braun, Forum Gesundheitspolitik, 05.12.2015)
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Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde 2004 im Zuge der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes als Zweckbetrieb der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen gegründet, um die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern. Die gesetzlichen Grundlagen und Aufgaben wurden seitdem durch mehrere Gesundheitsreformen angepasst und erweitert. Hauptaufgaben des fachlich unabhängigen wissenschaftlichen Instituts sind
  • die evidenzbasierte Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren
  • allgemeinverständliche Gesundheitsinformationen.
Im Zentrum der Bewertungen stehen gemäß gesetzlichem Auftrag Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patientinnen und Patienten. Dabei werden insbesondere die Verbesserung des Gesundheitszustandes, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer, eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität berücksichtigt. Die Bewertungsergebnisse und weitere Informationen zu Erkrankungen und Gesundheitsthemen werden – allgemein verständlich aufbereitet – veröffentlicht.[1] [Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Wikipedia, abgerufen am 04.10.2017] 
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- Smartes Vernetzungsinstrument oder nutzlose Datensammlung? (PresseBox, 13.11.2015)
- Was uns fehlt ist Zeit (Kommentar von Oliver Wagner, Unsere Zeit, 18.09.2015)
- Gesundheitsministerkonferenz – Telemedizin soll in die Regelversorgung (Rebekka Höhl, ÄrzteZeitung, 25.06.2015)

mein Kommentar:
Wenn ich nach den Begriff Telematik oder e-health google, bekomme ich auf den ersten Ergebnisseiten fast nur Links zu IT-Firmen oder Ärzteverbänden und auf jeder Ergebnisseite auf den oberen drei bis fünf Plätzen Artikel, die als Werbung gekennzeichnet sind.
Das spricht für sich.

siehe weiter:
- Hurra, die Telematik kommt! 😀 (Post, 09.08.2017)
- Elektronische Gesundheitskarte, digitale Transformation und unsere Zukunft in der Obhut von Bertelsmann (Post, 06.04.2016)
- Reif für die Tonne: Elektronische Gesundheitskarte erstickt in Problemen (Post, 22.08.2015)
- GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (Post, 02.07.2015)
- Elektronische Gesundheitskarte: Freie Ärzteschaft ruft zum Boykott der Online-Tests auf (Post, 04.05.2014)
- Neue Risiken und Nebenwirkungen bei der elektronischen Gesundheitskarte (Post, 30.04.2014)
- Die elektronische Gesundheitskarte – heiße Nadel und heiße Luft (Post, 24.09.2011)
- Elektronische Gesundheitskarte: Ärzte sind keine Hilfspolizisten (Post, 10.02.2014)
- Elektronische Gesundheitskarte, die Nächste (Post, 28.01.2008)
- Zahlen zur elektronischen Gesundheitskarte (Post, 27.03.2007)
- Neues von der elektronischen Gesundheitskarte (Post, 26.11.2006)

Wissenschaft: frei oder nicht frei?

Der Fluch unseres Publikationswesens

In der Wissenschaft geht es um die Suche nach Erkenntnissen. Für diese ist der Austausch von Ideen von entscheidender Bedeutung. Neben wissenschaftlichen Meetings und Konferenzen sind Publikationen hierfür das Medium - und diese Publikationen finden heute vor allem in englischsprachigen Fachzeitschriften statt, die das Gutachterprinzip ("Peer Review") anwenden. In diesem Artikel möchte ich erklären, dass dafür theoretisch zwar vieles spricht, dass in der Praxis aber wirtschaftliche Gewinnabsichten ebenso wie persönliche Interessenkonflikte die Freiheit der Wissenschaft einschränken.

Zunächst kurz ein paar Worte darüber, was wahrscheinlich offensichtlich ist: Auch wissenschaftliche Forschung ist an bestimmte materielle Voraussetzungen gebunden. Zwar kann sich heute - anders als etwa zu Zeiten Galileis - jeder für ein Taschengeld ein Teleskop kaufen, um Planeten und Sterne zu beobachten. Damit wird man aber wohl kaum neue Erkenntnisse erzielen. Dafür braucht es, je nach Disziplin, Zugang zu Teilchenbeschleunigern, Elektronenmikroskopen, Magnetresonanztomographen oder Ähnlichem, das sich allenfalls einige Superreiche selbst finanzieren könnten.

mehr:
- Warum die Wissenschaft nicht frei ist (Stephan Schleim, Telepolis, 04.10.2017)
siehe auch:
- Ist die Psychopharmakologie verrückt geworden? – Kapitalismus-infizierte Wissenschaft (Post, 31.01.2016)