Der Digitalpakt ist mit dem Votum des Bundesrats vom 15. März beschlossene Sache, er soll voraussichtlich noch vor Ostern in Kraft treten. In seinem Rahmen sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 5,5 Milliarden Euro in die digitale Ausstattung der allgemeinbildenden Schulen investiert werden. Für den Pädagogen, Medienwissenschaftler und Buchautor Ralf Lankau von der Hochschule Offenburg hat das Projekt eine neoliberale Stoßrichtung – mit dem Ziel der Privatisierung und Kommerzialisierung des Schulwesens sowie der Zurichtung von Kindern zu „Funktionsäffchen“. Das Gespräch führte Ralf Wurzbacher.
Herr Lankau, es gibt ein „Forum Bildung Digitalisierung“, das unter anderem von der Bertelsmann Stiftung, der Deutsche Telekom Stiftung, der Robert Bosch Stiftung sowie der Dieter Schwarz Stiftung getragen wird. Auf seiner Webseite deklariert der „gemeinnützige Verein“, die Digitalisierung der Bildung biete „vielfältigen Mehrwert für das Lehren und Lernen. Sie kann unser Bildungssystem besser machen und positiv zu Bildungsgerechtigkeit und einer inklusiven Gesellschaft beitragen, in der jeder sein individuelles Potenzial besser entfalten kann.“ Das klingt ganz anders als das, was Sie sich vom durch Bund und Länder beschlossenen Digitalpakt erwarten: „Die De-Humanisierung von Schulen“. Was meinen Sie damit?
In Ihrem Zitat ist ja fast das gesamte Phrasenkonfetti gebündelt, mit dem die IT-Wirtschaft und ihre Lobbyisten seit über 30 Jahren um sich werfen. Es sind die üblichen Standardsprüche, die seit 1984 – seit der Einführung der Personal Computer in Schulen – mantramäßig wiederholt werden. Nur die jeweils vermeintlich „moderne und unbedingt für den Unterricht notwendige“ Technik ändert sich: vom PC zum Laptop, heute Tablets, demnächst sind es Virtual-Reality-Brillen, für die schon schulische Anwendungen entwickelt werden. Und immer sind die neuen Geräte angeblich zwingend für modernen Unterricht, würden die Motivation der Schülerinnen und Schüler und den Lernerfolg erhöhen. Es ist ein ständiges Déjà-vu.
Fangen wir doch von ganz vorne an. Was hat der PC im Unterricht gebracht oder nicht gebracht, was heute das Tablet noch besser machen soll?
Mal anders gefragt: Wem hat der Einsatz von PCs in Schulen denn etwas gebracht, außer den Hard- und Softwareanbietern? Und IT-Dienstleister haben die Geräte und Netzwerke konfiguriert, wenn das nicht ein Lehrer oder eine Lehrerin „nebenbei“ erledigt hat. Dazu hat es Microsoft geschafft, dass Schülerinnen und Schüler in etlichen Schulen in Office-Programmen geschult wurden. Was aber Tablets heute besser machen sollen, ist mir ein echtes Rätsel. Das sind ja keine ernsthaften Werkzeuge wie ein Laptop oder ein PC, die man mit entsprechender Hard- und Software nach den eigenen Anforderungen konfiguriert. Tablets sind vom technischen Konzept und der Bedienphilosophie her Unterhaltungselektronik für Erwachsene, wie es Apple-Gründer Steve Jobs mal formulierte. Sie sind dafür konzipiert, dass man sich „mal schnell online informieren“ oder medial mit Videos, Serien und Spielen sedieren lassen kann. Sinnvoll arbeiten kann man damit nicht. Die Arbeitsfläche ist viel zu begrenzt und das Arbeiten damit nicht ergonomisch, weder auf dem Tisch noch auf dem Schoß. Es fehlen Eingabegeräte wie Tastatur, Maus oder Joystick. Sinnvollerweise trennt man daher Medienkonsum und Unterhaltung vom Arbeiten, auch durch den Einsatz entsprechender Geräte. Das sollte auch in Schulen so konzipiert werden.
mehr:
- Die Digitalisierung ist ein Experiment an unseren Kindern. (NachDenkSeiten, 18.03.2019)
siehe auch:
- Langzeitstudie: Bewegung im Alltag sinkt drastisch (n-tv, 20.03.2019)
- "Wir leben in einer Zeit der Gegenaufklärung" (Paul Schreyer, Telepolis, 02.10.2018)
- Die neoliberale Indoktrination (Jens Berger, NachDenkSeiten, 18.01.2016)
- Handschrift bei Kindern stirbt aus (dpa, Heise online, 14.06.2014)
Die Psychologie betreffenden Posts habe ich in »Roths Psychoblog« eingestellt. Eine Liste der Musikvideos findet sich unter »Tornado’s Music Favourites« (siehe unter »Links«). Das Posten eines Videos schließt das Hinzufügen des Infotextes mit ein. (Ich bemühe mich, offensichtliche Werbung wegzulassen) Dieser gibt also nicht notwendigerweise meine Meinung wieder! Das verwendete Bild stammt aus Bob Dylan’s Video »Jokerman«. Ich speichere keine Daten!
Montag, 18. März 2019
Persönlichkeitsrechte: Bundespolizei speichert bei Amazon
Eine neue Form von Public-Private-Partnership: Die Bundespolizei speichert Bodycam-Aufnahmen auf Servern von Amazon
Eine ganz neue Form von Public-Private-Partnership ist offensichtlich die deutsche Bundespolizei eingegangen. Kürzlich wurde bekannt, dass die Strafverfolgungsbehörde die Aufnahmen ihrer mit Bodycams ausgestatteten Einsatzkräfte nun auf den Servern von Amazon speichert.
Diese Körperkameras, die bereits seit 2014 verstärkt zum Einsatz kommen, sollen Polizisten im Einsatz vor aggressiven Angriffen schützen und darüber hinaus dabei helfen, Straftäter zu identifizieren. Es handelt sich also um sensibles Datenmaterial, das da auf den Servern eines amerikanischen Privatunternehmens gespeichert wird. Das zuständige Ministerium begründete diesen Schritt damit, dass der amerikanische Internetgigant in Deutschland derzeit der einzige Anbieter sei, der eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Cloudlösung anbieten kann. Die Daten seien selbstverständlich verschlüsselt und ausschließlich auf Servern gespeichert, die in Deutschland stehen.
Deutsche Behörden wie die Bundespolizei verfügen also offensichtlich nicht über die nötigen Rechenzentren und Speicherkapazitäten, um das Datenmaterial, das ihre eigenen Mitarbeiter im Einsatz sammeln, unter eigener Regie und Kontrolle zu speichern. Denn wer weiß schon, ob nicht auch amerikanische Sicherheitsbehörden Zugriff auf die hier abgelegten Daten haben. Immerhin ist auch die CIA mit einer "Secret Cloud" auf den Servern der Amazon Web Services (AWS) Zuhause, was bei Bedarf doch kurze Wege für NSA & Co. garantiert.
Die Frage sei erlaubt, was Dorothee Bär, die für Digitalisierung zuständige Staatssekretärin im Kanzleramt, eigentlich den lieben langen Tag so macht? Von Flugtaxis träumen, aber die Basics nicht auf die Reihe kriegen, wie zum Beispiel den Aufbau einer gut funktionierenden IT-Infrastruktur für die bundeseigenen Behörden.
mehr:
- Bundespolizei goes Amazon (Johannes Bröckers, Telepolis, 18.03.2019 – Hervorhebung von mir)
mein Kommentar:
Der Datenschutz hierzulande scheint sich derzeit einzig auf die Produktion von zigtausend Tonnen von Datenschutz-Erklärungen zu beschränken…
Als Selbständiger muß ich jedem Kunden eine mehrere Seiten lange Datenschutz-Erklärung vorlegen, die wir beide unterschreiben, und die Polizei speichert ihre Bodycam-Aufnahmen bei einem der größten Steuervermeider.
Und »latürnich« stehen die Server in Deuschland!
Ich glaube, es wird langsam Zeit für Gelbwesten in Deutschland – aber erst, wenn wir aus dem Merkel-Schlaf aufgewacht sind.
Da paßt doch der folgende Artikel ganz ausgezeichnet:
- Die Verbrecher drohen den Richtern. Von Oskar Lafontaine (Oskar Lafontaine, NachDenkeSeiten, 18.03.2019)
Aber Martin Niemöller ist zu Dschungelcamp- und DSDS-Zeiten einfach hoffnungslos out!
Eine ganz neue Form von Public-Private-Partnership ist offensichtlich die deutsche Bundespolizei eingegangen. Kürzlich wurde bekannt, dass die Strafverfolgungsbehörde die Aufnahmen ihrer mit Bodycams ausgestatteten Einsatzkräfte nun auf den Servern von Amazon speichert.
Diese Körperkameras, die bereits seit 2014 verstärkt zum Einsatz kommen, sollen Polizisten im Einsatz vor aggressiven Angriffen schützen und darüber hinaus dabei helfen, Straftäter zu identifizieren. Es handelt sich also um sensibles Datenmaterial, das da auf den Servern eines amerikanischen Privatunternehmens gespeichert wird. Das zuständige Ministerium begründete diesen Schritt damit, dass der amerikanische Internetgigant in Deutschland derzeit der einzige Anbieter sei, der eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Cloudlösung anbieten kann. Die Daten seien selbstverständlich verschlüsselt und ausschließlich auf Servern gespeichert, die in Deutschland stehen.
Deutsche Behörden wie die Bundespolizei verfügen also offensichtlich nicht über die nötigen Rechenzentren und Speicherkapazitäten, um das Datenmaterial, das ihre eigenen Mitarbeiter im Einsatz sammeln, unter eigener Regie und Kontrolle zu speichern. Denn wer weiß schon, ob nicht auch amerikanische Sicherheitsbehörden Zugriff auf die hier abgelegten Daten haben. Immerhin ist auch die CIA mit einer "Secret Cloud" auf den Servern der Amazon Web Services (AWS) Zuhause, was bei Bedarf doch kurze Wege für NSA & Co. garantiert.
Die Frage sei erlaubt, was Dorothee Bär, die für Digitalisierung zuständige Staatssekretärin im Kanzleramt, eigentlich den lieben langen Tag so macht? Von Flugtaxis träumen, aber die Basics nicht auf die Reihe kriegen, wie zum Beispiel den Aufbau einer gut funktionierenden IT-Infrastruktur für die bundeseigenen Behörden.
mehr:
- Bundespolizei goes Amazon (Johannes Bröckers, Telepolis, 18.03.2019 – Hervorhebung von mir)
mein Kommentar:
Der Datenschutz hierzulande scheint sich derzeit einzig auf die Produktion von zigtausend Tonnen von Datenschutz-Erklärungen zu beschränken…
Als Selbständiger muß ich jedem Kunden eine mehrere Seiten lange Datenschutz-Erklärung vorlegen, die wir beide unterschreiben, und die Polizei speichert ihre Bodycam-Aufnahmen bei einem der größten Steuervermeider.
Und »latürnich« stehen die Server in Deuschland!
Ich glaube, es wird langsam Zeit für Gelbwesten in Deutschland – aber erst, wenn wir aus dem Merkel-Schlaf aufgewacht sind.
Da paßt doch der folgende Artikel ganz ausgezeichnet:
- Die Verbrecher drohen den Richtern. Von Oskar Lafontaine (Oskar Lafontaine, NachDenkeSeiten, 18.03.2019)
"Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."
[Martin Niemöller, martin-niemoeller-stiftung.de mit Erläuterungen hier sowie in: "Was würde Jesus dazu sagen?" martin-niemoeller-stiftung.de mit Erläuterungen hier sowie in: "Was würde Jesus dazu sagen?" Pahl-Rugenstein Frankfurt/Main 1986 history.ucsb.edu pdf S. 9/13 – gefunden bei Wikiquote]Mein Kommentar:
Aber Martin Niemöller ist zu Dschungelcamp- und DSDS-Zeiten einfach hoffnungslos out!