Simone, 32, hat in einem Berliner Bordell gearbeitet. Im zweiten Teil unseres Gesprächs mit ihr erzählt sie, was sie an der Debatte über Prostitution in Deutschland stört.
Simone, als wir über die Möglichkeit dieses Interviews geredet haben, hast du gesagt: „Über Prostitution diskutiert man in Deutschland am liebsten ohne die Prostituierten. Das ist für alle Beteiligten bequem.“ Was hast du damit gemeint?
Ich glaube, das Bequeme daran ist offensichtlich für diejenigen, die damit nichts zu tun haben. Es ist natürlich bequem zu sagen, alle Prostituierten seien entweder Opfer oder heroische Kämpferinnen für sexuelle Freiheit, solange man keine einzige Prostituierte persönlich kennt. Wenn ich als Prostituierte oder als Frau mit diesem Hintergrund sozusagen direkt in diesem Diskurs mitreden könnte, müsste ich ungefähr Folgendes sagen: “Du erlaubst mir zwei Rollen. Entweder bin ich megahappy, weiß total, worum es geht, will den ganzen Tag nur gefickt werden und liebe diesen Job, es ist das Beste, was mir passieren konnte.” Damit ließe man mich dann irgendwie durchkommen, weil ich so hart nach vorne presche, dass mich einfach niemand mehr einholen kann. Oder ich breche weinend zusammen, bitte darum, wieder aufgenommen zu werden. Ich wurde von meinem Freund geschlagen, in meiner Kindheit traumatisiert, ich bin eine Zwangsprostituierte.
Diese beiden Rollen stellt mir die Gesellschaft zur Verfügung. Wenn ich nicht wirklich bescheuert bin, wenn ich von dieser Welt nicht zerfetzt werden will, dann bemühe ich mich als Prostituierte darum, diejenige zu sein, die extrem tough ist. Das ist aber ein Scheißdeal. Ich habe die Wahl zwischen zwei Schubladen – soviel zum Thema Freiheit. Die Bequemlichkeit bezieht sich aber auch auf die Seite der Prostituierten, weil auch sie Kinder der Gesellschaft sind, und also auch in ihren Köpfen diese Idee steckt. Weil sie selbst auch in diesen zwei Schubladen denken.
mehr:
- “So, wie geht es deiner Seele?” (Theresa Bäuerlein, 10.11.2014)
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