Der Historiker Christian Gerlach hat extrem gewalttätige Gesellschaften untersucht. Sein Ergebnis: Auch die Zivilbevölkerung kann Auslöser von Massengewalt sein.
mehr:
- Historiker Christian Gerlach über Völkermord – "Die Regierung zu stürzen reicht nicht" (Interview mit Christian Gerlach, taz, 18.07.2012)
Zitat:
Ich versuche von dem Täter- und Schuldbegriff wegzukommen und mehr zu Verantwortlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten hin. Damit möchte ich auch das Abwälzen von Verantwortung nur auf einige sichtbare Täter vermeiden. Es geht um eine weitgehende, schon individuell festzumachende aber gesellschaftlichen Gruppen zuzuschreibende Motivation. Bestien entscheiden nichts, denn sie morden einfach so. Wie Yehuda Bauer einmal zum Holocaust-Gedenktag im Deutschen Bundestag gesagt hat: Die Täter waren Menschen. Wenn wir sie als Bestien betrachten, dann können wir ihre Handlungsweise nicht erklären. Nach dem Hitler-Film mit Bruno Ganz in der Hauptrolle haben sich beispielsweise viele Zuschauer beschwert, Hitler sei zu menschlich dargestellt. Aber mit der Kollegin Marina Cattaruzza würde ich hierzu sagen: Hitler war ein Mensch mit menschlichen Bedürfnissen, menschlichen Entscheidungen und auch mit einer Art Moral, auch wenn wir diese ablehnen und als verbrecherisch betrachten.
Es reicht nicht einfach aus, eine Regierung zu stürzen. Es gibt aber noch eine weitere Konsequenz: Die ausländischen Einwirkungsmöglichkeiten sind nach meiner Ansicht kleiner als man denkt. Wenn die Verantwortung für Gewalt in vielfältigen gesellschaftlichen Interessen verwurzelt ist, dann müsste man das ja auch von außen zu steuern versuchen. Wenn es viele Gruppen, auch zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die ohne staatliche Steuerung handeln und die sich an Massengewalt beteiligen, dann sind die von außen noch schwerer zu steuern als ein zentraler Staatsapparat. Das bedeutet: Prävention muss vor allem aus dem Inneren eines Landes kommen. (Hervorhebungen von mir)
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