Die Bundesregierung bleibt auch nach den SPIEGEL-Recherchen bei ihrer Darstellung: Sie wisse nichts über die zentrale Rolle der Militärbasis Ramstein im US-Drohnenkrieg. Interne Dokumente indes belegen, wie Berlin jahrelang wegsah.
So diskret wie am Montag hat wohl noch kein deutscher Verteidigungsminister seinen Antrittsbesuch in den USA absolviert. Fast in einer Art Geheimkommando jettete Ursula von der Leyen, die sonst so medienaffine Verteidigungsministerin, am Sonntagabend nach Washington zu ihrem Amtskollegen Ashton Carter. Ihren Pressetross, ja selbst ihren Medienberater Jens Flosdorff, ließ sie lieber in Berlin zurück. Angeblich sei kein Platz für Gäste im schnittigen "Global 5000"-Jet.
Über die Gesprächsagenda beim ersten Beschnuppern wollte man am Montag dann auch nicht viel sagen. Nur so viel: Die Enthüllungen des SPIEGEL und des US-Magazins "The Intercept" über die zentrale Rolle der US-Militärbasis Ramstein beim weltweiten Drohnenkrieg der amerikanischen Regierung werde von der Leyen ausdrücklich nicht ansprechen. Dieses Thema, so ihr Haus, werde von "sachlich zuständigen Häusern auf anderen Kanälen besprochen".
Auch daheim in Berlin ging man in Sachen Ramstein lieber in Deckung. Regierungssprecher Seibert wiederholte die seit Jahren eingeübte Haltung der Bundesregierung, man habe von der US-Regierung eine Versicherung erhalten, "dass von amerikanischen Stützpunkten in Deutschland aus Einsätze bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt werden". "Anderslautende Erkenntnisse" lägen der Regierung nicht vor, damit sei das Thema erledigt.
Ignoranz der Regierung
Mit dem Abwiegeln bleibt Berlin sich treu. Trotz der neuen Hinweise, trotz mehrerer als geheim eingestufter Akten des US-Militärs, die Ramstein eindeutig als zentrale Schnittstelle zwischen den Befehlsständen der Drohnenpiloten in Nevada und den Zielgebieten in Somalia oder dem Jemen ausweisen, über denen die unbemannten Killer fliegen. Dass die Steuer- und Raketenabschuss-Signale via Ramstein die "Predator"- oder "Reaper"-Drohnen erreichen, davor verschließt man hierzulande lieber die Augen.
Ob die Regierung ihre Ignoranz durchhalten kann, ist ungewiss. Schon heute interessiert sich der NSA-Untersuchungsausschuss für den Fall, die Abgeordneten haben bereits Unterlagen und Dokumente angefordert und wollen sich neben dem Abhörskandal auch mit dem geheimen Drohnenkrieg der USA befassen. Dabei werden sie besonders auch auf die Rolle schauen, die das US-Kommando Africom in Stuttgart und die Militärbasis Ramstein spielen und was Berlin darüber wusste.
Dokumente, die dem SPIEGEL vorliegen, lassen die Behauptung, über das Treiben der Freunde kaum etwas zu wissen, recht unglaubwürdig erscheinen. Zum Beispiel ein Vorgang aus dem Verteidigungsministerium, er spielt im Herbst 2011, also in der Amtszeit von Thomas de Maizière. Damals, am 18. November, teilte das US-Heeresamt dem Ministerium schriftlich mit, dass es in Kürze eine "UAS SATCOM"-Anlage für rund sechs Millionen Euro in Ramstein zu errichten gedenke.
mehr:
- Operationen auf US-Militärbasis: Berlin ignoriert Beweise für Drohnensteuerung in Ramstein (Maik Baumgärtner, Matthias Gebauer, Jörg Schindler und Marcel Rosenbach, SPIEGEL Online, 21.04.2015)
- US-Militär : Ramstein spielt zentrale Rolle im US-Drohnenkrieg (ZON, 03.04.2015)
- Drohnenkrieg: Wie die Regierung Parlament und Bürger täuscht (Kai Biermann, ZON, 26.04.2015)
- Ramstein schließen! Doch Deutschland zahlt 127 Millionen für neues Militärkrankenhaus (EpochTimes, 15.08.2015)
- Drucksache 18/2589: Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. Die Rolle des United Staates Africa Commands und der US-Militärbasis in Ramstein für US-Drohnenangriffe (dipbt.Bundestag.de, 18.09.2014)
- Nach drei Jahren: Bundesregierung wartet angeblich immer noch auf Antwort zum Ramstein-Rätsel (Matthias Monroy, Netzpolitik.org, 01.04.2016)
siehe auch:
- US-Militärflughafen in Deutschland – Ramstein ist Zentrum im US-Drohnenkrieg (John Goetz, Volkmar Kabisch, Antonius Kempmann und Frederik Obermaier, Süddeutsche, Zeitung, 16.07.2014)
- Ramstein und der US-amerikanische Drohnenkrieg (Post, 27.04.2015)
- Animierte Grafik zum US-Kommando in Ramstein (NDR, 30.05.2013)
- Obama: Deutschland nicht Startpunkt der Drohnen-Einsätze (NDR, 30.05.2013)
siehe auch:
- Egon Bahr: Drei Briefe und ein Staatsgeheimnis (Post, 27.05.2015)
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