Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer: Gaddafi und die Mafia und eine mögliche politische Lösung
Europa werde "afrikanisch", wenn die EU Libyen nicht jährlich mindestens 5 Milliarden Euro zahlen würde, damit dort die Welle der Immigranten gestoppt werde, drohte Mummar Gaddafi im Jahr 2009 bei einem Besuch in Italien, beim damaligen italienischen Premier Berlusconi: "In Zukunft könnte es sein, dass Europa nicht länger europäisch ist und sogar schwarz, da es Millionen gibt, die hinein wollen."
Der Colonel war ein Machtmensch, den man nicht zu verklären braucht. Er spielte mit Tausenden von Menschenleben und wusste, wie er seine europäischen Freunde oder Partner unter Druck setzen konnte. Seine Erklärung von 2009 liefert für die gegenwärtige Situation beachtenswerte Anhaltspunkte.
Mafia und Politik
Mit Flüchtlingen aus Libyen wird schon lange Politik gemacht, zum Nutzen einiger Kreise, die nicht unbedingt nur die Schlepperbanden betreffen. Fachleute gehen davon aus, dass das Schlepperwesen, an dem auf italienischer Seite das organisierte Verbrechen, überschrieben mit Mafia, beteiligt ist, nicht ohne Kenntnis und sogar stiller Mithilfe von politischen Verantwortlichen gedeihen konnte. Die Flüchtlinge wurden lange Zeit als "Handelsware" für Arbeitsmärkte begriffen, erklärte der italienische Politiker Matteo Lepore (Partito Democratico, PD) 2011.
In der Basler Zeitung war vergangene Woche zu lesen, dass die Menschenhändler-Geschäfte zwar von Geheimdiensten gut beobachtet worden - aber offensichtlich, ohne daraus die politische Folgen zu ziehen, die jetzt vorne auf der Agenda stehen ("Den Schleppernetzwerken das Handwerk legen") :
Glaubt man den italienischen Zeitungen, dann wissen die nationalen Geheimdienste genau Bescheid über die Banden und Milizen, über deren Köpfe und Komplizen im Ausland, über die Bootsplätze und Ablegehäfen im Westen Libyens, zwischen Zuwara und Zawiya, zwischen Khoms und Misrata. Offenbar geht das Wissen so weit, dass die Italiener über die Handynummern der Bosse verfügen. Und mit jeder Razzia unter den Verbindungsleuten in Italien erfahren sie mehr.
Allerdings wäre dem hinzuzufügen, dass das Schleppernetzwerk Teil eines komplexen Schmuggelnetzwerks ist, das außer Immigranten auch Drogen, Waffen und anderes begehrtes Handelsgut aus Afrika und dem Nahen Osten über Libyen nach Europa bringt. Die jahrzehntelangen Verbindungen zwischen der Mafia und libyschen Partnern werden vermutlich nicht innerhalb kurzer Zeit zerstört, falls der politische Wille dazu überhaupt vorliegt.
mehr:
- Schlepper: "Die Geheimdienste wissen längst Bescheid" (Thomas Pany, Telepolis, 25.04.2015)
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