Unternehmen müssen politischer denken und handeln. Denn: Wer im Gemeinwesen Verantwortung übernimmt, schafft sich den besten Standort. Und wenn die politische Haltung klar ist, wirkt der Auftritt
Im Jahr 2009 kündigte McDonald’s an, sein gelbes M künftig vor einem grünen Hintergrund zu präsentieren. Das Unternehmen sprach von einem „Bekenntnis zur und Respekt vor der Umwelt“. Die beabsichtigte Symbolik schien klar: Moosgrün statt Ketchuprot, Regenwald statt Rinderblut, mehr Pflanze und weniger Tier. Aber wer sollte das ausgerechnet den Erfindern des Massenhamburgers abnehmen? Die Reaktionen fielen höhnisch bis wütend aus. Bald darauf versicherte die damalige Firmenleitung, aus McDonald’s werde keinesfalls ein grünes Unternehmen.
Die Aktion ist ein Klassiker in der Geschichte des Greenwashing; ein Begriff, der für das Vortäuschen nachhaltigen Handelns steht. Beim Versuch, sich grün zu präsentieren, haben viele Unternehmen ihr Image am Ende beschmutzt. So erschuf der Energieversorger RWE einen grünen Riesen als Werbefigur, der dem Trickfilmhelden Shrek ähnelte und im Werbefilm durchs Land stapfte, um Windräder zu pflanzen. Dass die Spuren des Riesen eher Atommüll und CO2-Ausstoß sind, ist bekannt.
Alles nur Fassade
Zwar stellen sich nur wenige Unternehmen so ungeschickt an. Doch in der deutschen Wirtschaft ist es in diesem Handlungsfeld überaus verbreitet, sich statt einer zukunftstauglichen Strategie nur einen frischen Anstrich zu geben. Solche Bemühungen werden unter Begriffen wie Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility, kurz CSR, gefasst.
Es drängt sich der Verdacht auf, hier hätten sich die Unternehmen etwas zugelegt, ohne es je zu verinnerlichen. CSR findet höchst selten im Zentrum eines Unternehmens statt und wird nicht konsequent als Teil der Geschäftsstrategie genutzt. Oft tüfteln Beauftragte in Sonderabteilungen an Gütesiegeln, entwerfen Verhaltenskodizes oder perfektionieren die jährliche Präsentation des Nachhaltigkeitsberichts. CSR-Mitarbeiter versuchen oft vergeblich, die Strategieabteilungen von ihrer Relevanz zu überzeugen, und prägen deshalb zu selten das Unternehmen.
CSR ist eine diffuse Angelegenheit. Aktivitäten unter diesem Label vermischen sich mit Wohltätigkeitsinitiativen, mit Werbe- und Imagekampagnen. Schließlich ist alles gesellschaftlich, weil alles die Gesellschaft betrifft, in deren Sinne jeder gern zu handeln vorgibt.
Schon die Verwendung der weichen, kompromissheischenden Begriffe „gesellschaftlich“ oder „sozial“ ist somit verräterisch. Sie zeigen, was die Unternehmen scheuen, wovor sie sich drücken. Sie wollen auf keinen Fall als politisch gelten. Lieber leben sie mit dem abgenutzten und verschwommenen Begriff der CSR. Diese Sicht beruht auf einem Irrtum. Denn Unternehmen sind politische Akteure: Als Arbeitgeber und Innovatoren beeinflussen sie die Strukturen in den Gemeinschaften, in denen sie operieren und deren Mitglieder sie sind. Und natürlich durch die wachsende Zahl an Verbänden und Repräsentanzen oder ihre direkten Kontakte.
Verschämte Neutren
Jüngstes Beispiel ist die Rolle von Unternehmen in den Verhandlungen zu TTIP, dem transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Unternehmen machen ihren Einfluss geltend, äußern Wünsche, machen Vorschläge und stellen ihre Expertise bereit, sie wollen ihre Vorstellungen durchsetzen. Kurz: Sie handeln politisch.
Jedoch tun sich viele Unternehmer und Manager schwer, sich als politisch Handelnde zu definieren. Die Politik wird vielmehr als unansehnliches Hauptstadtgeschäft gesehen, in das man – naserümpfend – lieber nur erfahrene Lobbyisten schickt.
mehr:
- Corporate Political Responsibility – Unternehmen, mischt euch ein! (Johannes Bohnen, Cicero, 14.05.2015)
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