G36-Lobby wollte Geheimdienst auf Journalisten hetzen
Nach einem Bericht des Spiegel soll ein Ministerialrat aus dem Bundesverteidigungsministerium versucht haben, den Militärgeheimdienst für eine Operation gegen kritische Journalisten zu gewinnen. Der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN) und dem Rüstungsproduzenten Heckler & Koch missfielen kritische Berichterstattung über das umstrittene Bundeswehrgewehr G36. So wollte man die Journalisten offenbar überwachen und mit Geheimdienst-Methoden mundtot machen. Der Süddeutschen zufolge sollte auch gegen einen G36-kritischen Mitarbeiter der Wehrtechnischen Dienststelle 91 vorgegangen werden. Der bislang vertuschte Skandal fällt nun der Verteidigungsministerin vor die Füße, die gerade die G36-Flinte ins Korn geworfen hatte.
Das Amt für Militärische Abschirmdienst (MAD) ist erfahren im Beschädigen seiner Verteidigungsminister. So musste 1978 Verteidigungsminister Georg Leber zurücktreten, als der MAD dabei erwischt wurde, Lebers Sekretärin abzuhören. Der MAD hatte es nicht für nötig befunden, den Verteidigungsminister über einen Spionageverdacht einzuweihen, was diesen die Autorität kostete. Helmut Schmidt gewann während seiner Zeit als Verteidigungsminister und damit Dienstherr des MAD einen so schlechten Eindruck von den Geheimdiensten, dass er als späterer Bundeskanzler aus Prinzip keinen BND-Vertreter empfing oder Geheimdienstberichte las.
In den 1980er Jahren brachte der MAD den US-kritischen General Günter Kießling in Misskredit. Wie in einer schlechten Agentenkommödie will der MAD einer Verwechslung mit einem dem General ähnlich sehenden schwulen Bundeswehrangehörigen aufgesessen sein, was einen General nach damaligen Wertvorstellungen der NATO erpressbar gemacht hätte. Der Skandal beschädigte schlussendlich den strammen Transatlantiker Manfred Wörner, der Kießling rehabilitieren und dann mit einem eisigen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschieden musste.
Für den Hauptgegner im Osten war der angeblich so geheime MAD ein offenes Buch. Nach Ende des Kalten Kriegs mussten die uniformierten Schlappbarette zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass der inzwischen verstorbene stellvertretende MAD-Kommandeur Joachim Krase selbst ein Doppelagent des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen war.
mehr:
- Gewehrhersteller und Gewährsmänner (Karkus Kompa, Telepolis, 06.05.2015)
siehe auch:
- Kießling-Affäre (Wikipedia)
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