Es gibt Soldaten, die Strichlisten über die getöteten Feinde führen. Einer hat eben seinen 182. Strich gemacht. Mit den kurdischen Peschmerga, an der Front im Nordirak, im Kampf gegen den «Islamischen Staat».
Dohuk, Nordirak, 40 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Morgens um sieben. Es ist sonnig, aber kalt. Allan, Cameran und ich stehen auf der Strasse herum und warten. Das Lokal, das gross mit «Caffee» angeschrieben ist, serviert keinen Kaffee. Der Mann, der schon an einem Kebab herumsäbelt, weiss gar nicht, wovon wir reden. Also trinken wir Tee, der wie immer viel zu süss ist.
Wir sind um fünf Uhr in Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, aufgebrochen. Ausserhalb der Stadt assen wir unter Lastwagenfahrern im Neonlicht frischen Joghurt und warmes Brot. Jetzt warten wir auf unseren Fixer. Fixer werden in Ländern wie dem Irak jene Leute genannt, die für Journalisten übersetzen und organisieren, deren Hauptaufgabe aber darin besteht, dafür zu sorgen, dass der Journalist überlebt.
Unser Fixer soll uns heute an die Front bringen. Wir wollen sehen, wo die kurdischen Streitkräfte, die Peschmerga, gegen die Truppen des «Islamischen Staates» (IS) kämpfen. Doch als ich ihn vor einer Viertelstunde anrief, weckte ich ihn offensichtlich. Er versprach, gleich zu kommen. Bis er da ist, bleibt genug Zeit für die erste Auseinandersetzung des Tages.
Allan und Cameran kennen sich vom Studium, beide studierten internationale Beziehungen in Genf. Allan ist Schweizer, er hat über Kurdistan lizenziert, Cameran ist ein in der Schweiz aufgewachsener Kurde und feuriger Nationalist. Wie viele seiner Landsleute sieht er im momentanen Kriegs-Chaos im Mittleren Osten die Stunde für einen Kurdenstaat gekommen.
Letztes Jahr wollte er sich den Peschmerga anschliessen, er stellte sich vor, seine Ausbildung an der Panzerfaust im Schweizer Militär könnte nützlich sein. Doch seine Eltern protestierten. Neben dem IS gilt Camerans Feindschaft den Arabern im Allgemeinen und den Irakern im Speziellen. Dafür lässt er nichts auf Israel kommen; diese Sympathie ist in Kurdistan weit verbreitet. Umzingelt von Todfeinden, damit können sich die Kurden identifizieren.
mehr:
- Reportage: Im Irak im Schützengraben (Christoph Zürcher, NZZ, 03.05.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen