Realsatire Ein alternativer Verfassungsschutzbericht zeigt die Geheimdienste als Gefahr. Die Lektüre ist informativ – und sehr unterhaltsam
Auf den ersten Blick verwundert der Titel, auf den zweiten Blick passt er perfekt – nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich: „Das dunkle Kapitel – Verfassungsfeindliche Bestrebungen inländischer Geheimdienste“. Die kürzlich erschienene Broschüre der Naturfreunde Berlin zeigt, wie die angeblichen Verfassungsschützer gegen Demokratie und Grundgesetz verstoßen; Wortwahl, Schreibstil und Aufmachung sind den offiziellen Verfassungsschutzberichten nachempfunden. Das macht die Lektüre informativ und sehr unterhaltsam.
Es ist kein unverständliches Bürokratendeutsch, vielmehr eine seriös-distanziert-korrekte Sprache. Das erkennt man schon an einzelnen Wörtern, wenn statt „fälschlicherweise“ von „wahrheitswidrig“ gesprochen wird. Richtig lustig wird es aber erst, wenn ganze Sätze im Jargon des Verfassungsschutzes die Geheimdienste als grundgesetzfeindliche Organisationen beschreiben. Die Sätze erschrecken, denn Witze haben immer einen wahren Kern. Sie zeigen aber auch, wie abwegig teilweise die Vorwürfe an „extremistische Gruppen“ in den Verfassungsschutzberichten sind.
Beispiele gefällig? „Neben ihrer starken Abschottung von der Öffentlichkeit versuchen die Geheimdienste, Einfluss auf politische EntscheidungsträgerInnen (…) und durch Tarnung als unabhängige ExpertInnen auf ihre öffentliche Wahrnehmung zu nehmen.“ Oder: „In ihren (…) jährlich erscheinenden Periodika ‚Verfassungsschutzbericht‘ brüsten sich die Gruppierungen mit ihrem Personenpotenzial und monetären Zuwendungen des Staates.“ Bei der Gelegenheit erfährt man gleich, welche Bundesländer wie viel Geld pro Einwohner für ihren Geheimdienst ausgeben – Hamburg liegt ganz vorne, Nordrhein-Westfalen ganz hinten. In der Hansestadt arbeiten mehr als acht Mitarbeiter pro 100.000 Einwohner, im westlichen Flächenland sind es immer noch fast zwei.
mehr:
- Gegner des Grundgesetzes (Fritz Walders, der Freitag, 05.08.2015)
siehe dazu auch:
- Geheimer Drahtzieher (Andreas Förster, der Freitag, 06.08.2015)
Pressefreiheit Im Skandal um die Verantwortung für die Ermittlungen gegen netzpolitik.org geht eines ganz unter: Das eigentliche Problem ist der Chef des Verfassungsschutzes
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