Außenstehende können über Köln nur den Kopf schütteln: Hier klüngeln Amtsträger, hier wird bei Wahlen getrickst, hier verzögern sich Bauprojekte oder enden gleich im Fiasko. Warum regen sich die Ureinwohner trotzdem nicht auf? Porträt einer Bananencity
Bam! Jetzt also doch.
Köln muss seine für den 13. September angesetzte Oberbürgermeisterwahl verschieben. Die Bezirksregierung entschied, dass 53.000 der schon über Brief- und Direktwahl abgegebenen Stimmen ungültig sind. Die Wahlzettel seien „problematisch“ gestaltet worden, denn die Namen der Parteien sind größer gedruckt worden als die Namen der Kandidaten. Man gehe davon aus, dass „möglicherweise nicht alle Kandidaten die gleiche Chance haben“. Also alles wieder von vorn.
Dabei könnte der Zeitpunkt für eine Oberbürgermeisterwahl in Köln nicht treffender liegen, jährt sich doch der legendäre Müllskandal in diesem Monat zum zehnten Mal. Damals ging es um elf Millionen Euro Schmiergelder für den Bau der Müllverbrennungsanlage, wobei während der Ermittlungen auch gleich die Spendenaffäre der Kölner SPD aufflog.
Nicht-Kölner reiben sich die Augen
Und auch wenn der ein oder andere Kölner tief erschüttert war ob der dreisten Vorgehensweise seiner politischen Amtsträger, scheint sie einer Dauerregentschaft der Kölner Sozialdemokraten nicht wirklich geschadet zu haben. „Kenne mer nit, bruche mer nit“, sagt der Kölner da zu alldem, was nicht der Tradition entspricht. Schon fünf Jahre zuvor hatte der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Klaus Heugel trotz Rücktritts wegen eines Aktienskandals beachtliche Stimmen erhalten, obwohl er gar nicht bei der Wahl angetreten war: Sein Name stand nur pro Forma auf dem Stimmzettel, die SPD hatte offiziell keinen Kandidaten mehr gestellt.
Mit Köln verhält es sich so: Jeder rund um die Stadt reibt sich ungläubig die Augen, nur der Kölner nimmt’s gelassen, tut einfach so, als ob alles in schönster Ordnung sei. Ich selbst komme aus Wuppertal, dort ist man zwar nah dran am Rhein, doch mental gesehen ungefähr so weit weg wie die Bayern. Mit einer gewissen Schadenfreude, zumindest aber einem Kopfschütteln, stürzt man sich in anderen Städten der Region während des morgendlichen Zeitungsschmökerns auf die Köln-Seiten, die gespickt sind mit feinsten Possen und Peinlichkeiten.
Zuletzt die dubiose Stimmzettelaffäre. Es kam ja vor ein paar Monaten dann doch heraus, dass Stimmzettel bei den Kommunalwahlen – irgendwie – vertauscht worden waren. Vehement hatte sich die SPD gegen eine Neuauszählung gewehrt – mit durchaus fantasievollen Begründungen. Genützt hat es nicht, nach einem Jahr dann war es amtlich. Da wurde geschummelt, die CDU wurde stärkste Kraft im Rat. „Wat fott es, es fott“, sagt der Kölner dann. In diesem Falle war es ausgerechnet Jochen Ott, der jetzige SPD-Oberbürgermeisterkandidat, der sein Mandat verlor.
Das Kölner „Jeföhl“: Wenig Kopf, dafür mehr Bauch
Der Wahlkampf wird daher mit Spannung verfolgt: Denn ausgerechnet eine Überparteiliche, Henriette Reker, wagt jetzt die Auflehnung gegen die SPD-Vorherrschaft – und damit gegen Ott. Friedliche Einigkeit bei CDU, FDP und den Grünen in der Idee: Eine Kölner Oberbürgermeisterin – ganz ohne Parteiengerangel und ohne Klüngeloption? Das käme in Köln einer politischen Revolution gleich.
Käme, wäre Köln nicht Köln. Die Stadt mit der gewissen Lockerheit, die alle Fünfe grade sein lässt. Wo die Devise gilt, sich niemals mehr Gedanken zu machen als wirklich nötig. Weniger Kopf, dafür mehr Bauch. Oder wie es die Höhner singen: „Hey Kölle, do bes e Jeföhl!“
Was das „Jeföhl“ angeht, habe ich meinen ersten Schluss zu Köln während des Karnevals gezogen. Die Zeit, in der die Kölner sich selbst genug sind, auf Tischen und Stühlen der Brauhäuser singen, ergriffen von Heimatliebe und mit Tränen in den Augen: „Denn wenn et Trömmelche jeiht, dann stonn mer all parat.”
mehr:
- Klüngel und Katastrophen – Warum die Kölner so meschugge sind (Barbara Opitz, Cicero, 08.09.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen