Die Globalisierungstheoretikerin Saskia Sassen prangert die Probleme der Welt an, enthält uns aber Lösungen vor.
Ja, sie scheint zu torkeln, diese Welt. Wie eine Betrunkene stolpert unsere Gegenwart von Krise zu Krise – aus der Bankenkrise wurde die Griechenlandpleite, aus dem Syrienkrieg die Flüchtlingskrise. Schlag auf Schlag folgen die Erschütterungen, und wenn die Weltpolitik kurz innehält, sind es Terror und Amok, Umweltzerstörung und Klimakatastrophen, die uns den Atem nehmen. Woher aber diese ständigen Umwälzungen? Was genau stimmt hier eigentlich nicht?
Eine drängende Frage, der sich die Soziologin Saskia Sassen widmet. Wie und wo die abstrakte Logik des Politik- und Wirtschaftssystems, sprich: des Kapitalismus, konkret wird, das beschäftigt die Professorin der Columbia-Universität seit mehr als 30 Jahren. Prägnant formulierte sie in ihrem Buch zur "Global City", wie die Finanzzentren der Millionenstädte ähnlich viel oder mehr Macht ausüben als gewählte Regierungen. Zuletzt schrieb sie über das Wesen von Terror und asymmetrischen Kriegen inmitten unserer Großstädte, von Bagdad bis Paris. Machtstrukturen und Geografie zusammenzudenken und so Unsichtbares sichtbar zu machen, das ist Sassens Methode.
Mit dem Blick auf konkrete Orte und Ereignisse will sie auch in diesem Buch die Strukturen fassen, die unsere Gegenwart zerrütten. Als wesentlich betrachtet Sassen das Phänomen der Ausgrenzungen, so der Titel ihres Buchs. Die Armen und die Mittelschicht – sowohl der USA, als auch der Krisenstaaten Europas – werden aus ihren Häusern und Jobs gedrängt. Araber und Afrikaner fliehen vor Krieg und Hunger aus ihren Heimaten. Zeitgleich vernichten Industrie und Vermüllung große Areale intakter Natur und damit Lebensgrundlage für Menschen.
Von "Ungleichheit" zu sprechen, schreibt Sassen, reiche angesichts dieser Zustände nicht. Ausgrenzung sei zur Analyse der treffendere Begriff. Das Wohlstands- und Friedensversprechen von Demokratie und freier Marktwirtschaft gelte für immer weniger anstatt für immer mehr Menschen. Der Reichtum konzentriere sich, während die Armen marginalisiert, getötet oder eingesperrt würden. Was wir erleben, sei "eine neue Phase des Überlebenskampfes". Zugespitzt lautet Sassens These: Was zur Ausbeutung nicht mehr nützt, lässt der Kapitalismus verschwinden, ob Mensch oder Natur.
mehr:
- Saskia Sassen: Unter Räubern (Maria Exner, ZON, 06.03.2016)
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