Geoffroy de Lagasnerie verklärt den Geheimnisverrat im Internet zu einer neuen "Kunst der Revolte": Niemand muss sich an staatliche Regeln halten.
Uns fragt ja keiner! Wir werden in einen Staat hineingeboren und sind dessen Bürger, ohne dass wir entscheiden können, ob wir die damit verbundenen Rechte und Pflichten überhaupt haben wollen. An der unfreiwilligen Tatsache der Staatsbürgerschaft arbeitet sich die politische Philosophie seit Langem ab.
Der Sprachphilosoph Jacques Derrida hat das Problem einmal an der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung untersucht. Deren Autoren erklären "in the Name, and by Authority of the good People" die Kolonien zum unabhängigen Staat. Der rhetorische Trick, sagt Derrida, bestehe darin, so zu tun, als habe es schon immer ein "Volk" gegeben, das sich jetzt erst eine Verfassung gibt. Dabei waren die "guten Leute" der Kolonien womöglich Glückssucher mit ganz unterschiedlichen Zielen. Die Unabhängigkeitserklärung sei ein "Rechtsstreich" (so Derridas Abwandlung des Wortes Gewaltstreich), durch den aus verstreuten Leutchen ein Volkssouverän geworden sei. Dessen Willen, der mit dem Willen des Einzelnen nichts zu tun haben muss, legitimierte die Gründung des neuen Staates. Im Falle der USA war damit 1776 auch entschieden, wer nicht zum souveränen Volk zählte, die schwarzen Sklaven zum Beispiel.
mehr:
- "Die Kunst der Revolte": Gesetze haben keine Geltung (Marie Schmidt, ZON, 09.04.2016)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen