Im Gespräch Der Senator Bernie Sanders und der Filmemacher Spike Lee diskutieren über Trumps Erfolg und Clintons Fehler – und wie man es 2017 besser machen könnte
Bernie Sanders stürmt mit dem Kopf voran in das Hotelzimmer im Zentrum von Manhattan. Der Mann hat keine Zeit zu verlieren. Dies ist nicht der lustige Wahlkampf-Bernie. So, wie er heute auftritt, fühlt es sich sogar falsch an, ihn überhaupt Bernie zu nennen. Senator Sanders zeigt sich als gestandener Politiker mit 40-jähriger Erfahrung, der dafür brennt, der Politik seiner Gegner mit seinen eignen politischen Vorstellungen zu begegnen und der kein Verständnis für Leute hat, die stattdessen lieber lamentieren und rumjammern. Das einzige, was noch an den Wahlkampf-Sanders erinnert, ist die Angewohnheit, alles zweimal zu sagen.
Spike Lee hingegen ist ein emotionaler Mensch. Er hat für Sanders Wahlkampf gemacht und will von ihm in den Arm genommen werden. Er will die Bestätigung, dass die Welt verrückt geworden ist, aber wieder in Ordnung kommen wird. Er will seine Wunden lecken. Sanders kann das zwar verstehen, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass es ihn nervt. Die beiden stehen politisch auf derselben Seite, haben aber unterschiedliche Funktionen inne. Der eine steht für die politische Gegnerschaft zu Trump, der andere für die kulturelle. Lee erhofft sich von Sanders Orientierung darüber, wie die Oppositionsarbeit gegen Trumps Politik funktionieren könnte, er will aber auch hören, dass Annäherung und Zusammenarbeit mit Trump nicht auf Kosten von Grundwerten geht.
Hier besteht Dissens. Lee kann es sich leisten, in absolute Opposition zu Trump zu gehen und dessen Unterstützer zu denunzieren. Der eigentlich als kompromisslos bekannte Sanders hingegen ist in diesem Punkt sogar zurückhaltender als seine Kollegen wie der US-amerikanischePolitiker Harry Reid. Der Minderheitenführer im Weißen Haus hat Trump öffentlich als „Sexualstraftäter“ bezeichnet, „der über eine Million Stimmen weniger erhalten hat als Clinton und in seiner Kampagne auf Bigotterie und Hass setzte“.
Sanders verurteilt diese Seite an Trump, aber er weigert sich – wahrscheinlich aus politischem Pragmatismus heraus – Millionen weißer Wähler aus der Arbeiterschicht als Rassisten zu bezeichnen. Lee ist nicht so ohne weiteres bereit, den Trump-Wählern diesen Vertrauensvorschuss zu geben. Hier ist, was sie sich zu sagen haben.
mehr:
- "Wo liegt die Hoffnung?" (Emma Brockes, der Freitag, 01.12.2016)
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