Seit Donald Trumps Wahlsieg kommt einem Nathan Hills Debütroman "Geister" geradezu prophetisch vor.
Gierig liest man einen langen Roman, während die Nachrichten eine amerikanische Zeitenwende melden. Das war schon einmal so, als im September 2001 Jonathan Franzens Korrekturen erschienen, in denen es gleich am Anfang hieß: "Etwas Furchtbares würde geschehen." Franzen hatte die Verunsicherung durch die Globalisierung und Deindustrialisierung des ländlichen Amerika beschrieben. Doch erst durch die Anschläge gewann das Gefühl latenter Bedrohung seine Durchschlagskraft.
In diesem Herbst erschien nun der Roman The Nix, auf Deutsch Geister, das Debüt des 38-jährigen, aus dem Mittleren Westen stammenden Autors Nathan Hill. Wäre die US-Wahl anders ausgegangen, stünde sein 800 Seiten dickes Buch als witzige Erinnerung daran im Regal, wie ein geschmackloser Populist einmal Präsident werden wollte. Jetzt liest man ihn trostsüchtig: The Nix ist genau der vielschichtige Roman, der einen über das Gefühl einer entstellten Gegenwart hinwegtragen kann.
Er beginnt mit einem etwas hilflosen Attentat auf einen Rechtspopulisten. Eine ältere Frau donnert dem Gouverneur von Wyoming bei einem Wahlkampfauftritt in Chicago Kieselsteine ans Auge. Zwar zeichnet Hill den Politiker eher wie eine Cartoon-Version von George W. Bush. Dann aber heißt es, seine Anhänger störe es nicht, dass er in Wyoming verfassungswidrige Gesetze erlassen habe, "Abtreibungen wurden sofort verboten", "Englisch wurde zur einzigen Amtssprache, und wer sie nicht fließend beherrschte, durfte weder Grund noch Immobilien besitzen". Da ist es im Moment unmöglich, nicht an Trumps Rassismus zu denken.
Gerade bei den satirischen Passagen des Romans packt einen der Schreck: Donald Trump ist ja tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten geworden. Mit der noch immer bangen Frage im Bauch, wie diese Groteske Wirklichkeit werden konnte, liest man also folgende Vorgeschichte: Ein kleiner Junge, der von seiner Mutter verlassen wurde, fühlt sich schuldig. Hätte er es nur kommen sehen, heißt es in den ersten Sätzen von Geister, dann "hätte er vielleicht besser aufgepasst, hätte ihr genauer zugehört, sie eingehender beobachtet, sich ein paar wichtige Dinge aufgeschrieben. Vielleicht hätte er sich auch anders verhalten, anderes gesagt, wäre ein anderer Mensch gewesen." 23 Jahre nach ihrem Verschwinden sieht Samuel, inzwischen Englischlehrer und gescheiterter Schriftsteller, seine Mutter wieder: Sie ist die Attentäterin. Auf einmal scheint sie eine geheimnisvolle Vergangenheit zu haben und schon 1968 in Chicago zwischen die Fronten der Zusammenstöße von Demonstranten und Polizei geraten zu sein. Mit dem heimlichen Plan, sich an ihr zu rächen, versucht der Sohn herauszufinden, wer seine Mutter ist.
mehr:
- Nathan Hill: Ein Anschlag auf den Gouverneur (Marie Schmidt, ZON, 15.12.2016)
Nathan Hill discusses his debut novel "The Nix" [11:20]
Book View Now
Veröffentlicht am 22.11.2016
Nathan Hill discusses “The Nix: A Novel” at the 2016 Miami Book Fair.
FROM THE PUBLISHER:
It’s 2011, and Samuel Andresen-Anderson—college professor, stalled writer—has a Nix of his own: his mother, Faye. He hasn’t seen her in decades, not since she abandoned the family when he was a boy. Now she’s re-appeared, having committed an absurd crime that electrifies the nightly news, beguiles the internet, and inflames a politically divided country. The media paint Faye as a radical hippie with a sordid past, but as far as Samuel knows, his mother was an ordinary girl who married her high-school sweetheart. Which version of his mother is true? Two facts are certain: she’s facing some serious charges, and she needs Samuel’s help.
To save her, Samuel will have to embark on his own journey, uncovering long-buried secrets about the woman he thought he knew, secrets that stretch across generations and have their origin all the way back in Norway, home of the mysterious Nix. As he does so, Samuel will confront not only Faye’s losses but also his own lost love and will relearn everything he thought he knew about his mother and himself.
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