Werner Kleemans Lebensgeschichte gleicht einem Hollywood-Drehbuch: 1938 kaufte er sich aus dem KZ Dachau frei und floh nach New York. 1944 kehrte er als US-Soldat nach Deutschland zurück - und verhaftete genau den Nazi, der ihn nach Dachau gebracht hatte.
Werner Kleemans Häuschen wirkt wie jedes andere hier am 196th Place, einer stillen Wohnstraße am äußersten Ostzipfel New Yorks. Sauber und gepflegt, Blumenkästen vor den Fenstern, ein Vordach mit verschnörkeltem Gusseisen. Eine kleine Backsteintreppe führt zur Tür hinauf. Zwei Latinos harken gerade das letzte Herbstlaub im Garten weg. Kleeman steckt ihnen ein paar Dollar zu und bittet den Besucher herein: "Willkommen in Queens!"
Queens, ja, aber drinnen sieht es aus wie in einer bayerischen Stube: schwere Eichenmöbel, ein Plüschsofa, Wände voller Ölgemälde, eine Wohnküche. Jedes Zimmer atmet die Melancholie der Vergangenheit. Kleeman nimmt am Küchentisch Platz. "Wollen wir was essen?", fragt er, ganz der galante Gastgeber. "Oder wollen wir erst mal reden?"
Denn zu reden gibt es viel. Der 88-jährige Witwer lebt nach außen hin zwar das Leben eines ganz normalen US-Pensionärs, dem es gut geht: alleine, unabhängig, relativ fit; nicht wohlhabend, aber versorgt. Er kocht für sich selbst, und ab und zu setzt er sich in sein Oldsmobile, Baujahr 1990, um in seinem Stammrestaurant Französisch essen zu gehen. Doch hinter dieser gutbürgerlichen Fassade hier in Queens verbirgt sich eine einzigartige, hoch dramatische Lebensgeschichte. Eine Geschichte, wie sie ein Steven Spielberg verfilmen könnte. "Hollywood", sagt Kleeman in akzentuiertem Englisch, legt seine rauen, verrunzelten Hände übereinander und zwinkert vergnügt, "hat sich schon gemeldet." Doch davon später mehr.
mehr:
- Jüdischer GI Kleeman: Der KZ-Häftling, der seinen Verräter verhaftete (Marc Pitzke, SPON, 05.12.2007)
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