Ganz im Sinne der herrschenden Kriegstreiber verbreiten die Medien Vorurteile, Stereotype und Hetze, wenn es um Russland geht.
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (1). Mit diesem Satz beschreibt der Soziologe Niklas Luhmann die überaus hohe Deutungshoheit der Medien und deren Macht, den Massen ein Bild der Realität zu vermitteln, das ihren Vorstellungen und Ansichten entspricht. Dass in der Gesellschaft die Tendenz vorherrscht, diese Meinungen mehr oder weniger ungeprüft zu übernehmen, ist mittlerweile nachgewiesen (2). Andererseits haben die Medien aufgrund ihrer hohen Deutungsmacht eine gewisse Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, der sie mit einer möglichst objektiv-sachlichen Berichterstattung nachkommen sollten. Dass dies jedoch nicht immer der Fall ist, lässt sich am Beispiel der Russlandberichterstattung zeigen. Diese ist in erster Linie von Vorurteilen und Stereotypen geprägt (3).
„Ich fürchte nicht, dass das russische Volk an Hunger sterben könnte, denn Gott selbst ernährt es mit seiner ewigen Liebe“ (6). Dieses Zitat des deutschen Dichters und Lyrikers Rainer Maria Rilke aus dem Jahr 1900 zeigt, welche Faszination die in Russland lebenden Menschen schon damals unter Teilen der deutschen Poeten ausgelöst hat. Auch Thomas Mann und Friedrich Nietzsche galten als große Bewunderer Russlands. So bezeichnete Nietzsche Russland als die „einzige Macht (...), die noch etwas versprechen kann“ – ganz im Gegensatz „zu der erbärmlichen europäischen Kleinstaaterei und Nervosität“ (7).
Auf die Einstellung der deutschen Bevölkerung hatten diese Zuschreibungen nur sehr geringen Einfluss. So fixierte Deutschland seine Ostpolitik vom ausgehenden 17. Jahrhundert zwar an in erster Linie auf Russland, doch auch damals schon waren unter der deutschen Bevölkerung starke Vorurteile und Stereotype gegenüber den Russen verbreitet. Feierten große Teile der Bevölkerung Alexander I., der 1813 Napoleon besiegte, noch als „Befreier Europas“ (8), galt sein Nachfolger Nikolaj I., der die revolutionären Bewegungen in Europa unterdrückte und sich für den Erhalt der Monarchie einsetzte, den Liberalen und Demokraten als Inbegriff der Despotie und reaktionären Politik. Daher etablierte sich unter dessen Herrschaft zunehmend das Bild eines nach Expansion strebenden Russlands, welches sich möglicherweise auch die deutschen Staaten zueigen machen könnte. Und so stand beispielsweise auf den Flugblättern aus dem Revolutionsjahr 1848 die beängstigende Botschaft: „Die Russen kommen“ (3).
mehr:
- Die Russland-Verschwörung (Flavio von Witzleben, Rubikon, 22.11.2018)
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