Das mächtigste Land der Welt steht für völkerrechtswidrige Kriege, Hunger, Elend, Unterdrückung und Ausbeutung überall auf der Welt. Exklusivabdruck aus „Kampf oder Untergang!“
Das US-amerikanische Imperium schwächelt und lässt einen bevorstehenden Untergang vermuten. Wird dieser mit der Vernichtung des menschlichen Lebens zusammenfallen? Gefahr geht nicht nur von der Unberechenbarkeit der Atommacht aus, sondern auch vom Klimawandel und dem Anstieg des Meeresspiegels. Währenddessen weigert sich die gegenwärtige US-Regierung nicht nur, etwas dagegen zu unternehmen, sondern lässt das Risiko bewusst eskalieren. Auch im Inneren des bröckelnden Imperiums zeigen sich die katastrophalen Folgen des Neoliberalismus immer deutlicher. Ein Gespräch zwischen Noam Chomsky und Emran Feroz.
Viele wissen, dass Noam Chomsky zu den lautesten Kritikern des US-amerikanischen Imperialismus gehört. Seit mehreren Jahrzehnten macht Chomsky auf die außenpolitischen Aggressionen seiner Regierung aufmerksam und protestiert vehement dagegen.
In den 1960er-Jahren protestierte der junge Chomsky gemeinsam mit zahlreichen anderen Aktivisten und Intellektuellen entschlossen gegen die Verbrechen in Vietnam. Selbiges geschah in den darauffolgenden Jahren, als Washington mehrere südamerikanische Staaten ins Chaos stürzte. In den Wirren des Kalten Krieges wurden dabei vor allem linksgerichtete, demokratische Regierungen in Chile und anderswo eliminiert, während rechten Hardlinern, die innerhalb kürzester Zeit brutale Diktaturen errichteten, an die Macht verholfen wurde.
Die Auswirkungen der damaligen Politik zeigen sich in den Vereinigten Staaten bis heute. Weiterhin verlassen Menschen den südamerikanischen Kontinent und ziehen gen Norden, ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Dort werden sie allerdings von Mauern, Zäunen und brutalen Grenzwachen aufgehalten. Jene, die Nordamerika dennoch erreichen, leben oftmals in der Illegalität. Ihre Flucht nimmt praktisch kein Ende, denn sie fliehen weiterhin — vor einer möglichen Abschiebung.
Chomsky ergreift nicht nur Partei für diese Menschen, sondern erinnert stets an den Gesamtkontext. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Menschen weiterhin vor den Auswirkungen der Politik Washingtons in ihren Heimatländern fliehen. Ähnlich verhält es sich auch in anderen Regionen der Welt, etwa im Nahen Osten oder in Afghanistan.
Als Chomsky sich gegen die Afghanistan-Invasion der USA aussprach und daraufhin von Aktivisten in Pakistan zu Vorträgen eingeladen wurde, verwehrte ihm die mit Washington verbündete Regierung in Islamabad ein Einreisevisum. Ähnlich verhielt es sich mit dem illegalen Krieg in Irak, den Chomsky als eines der größten Verbrechen des 21. Jahrhunderts betrachtet.
Ein besonderer Ruf eilt Chomsky allerdings aufgrund seiner Kritik an Israel voraus. In der westlichen Welt gibt es nur wenige Menschen, die sich derart lautstark für die Rechte der Palästinenser einsetzten wie er.
Aufgrund seiner jüdischen Wurzeln pflegt Noam Chomsky ein ambivalentes Verhältnis zum israelischen Staat. Dieser führe auf palästinensischem Boden nicht nur eine kolonialistische Siedlungspolitik fort, sondern sieht sich auch im Recht, in regelmäßigen Abständen Palästinenser zu ermorden, während die von den USA geführte internationale Staatengemeinschaft meist damit beschäftigt sei, irgendwelche „Schurkenstaaten“ zu verteufeln. Angesichts der aktuellen politischen Lage in Israel verwundert es kaum, dass Chomsky zuletzt die Einreise verweigert wurde, als er einen Vortrag im Westjordanland halten wollte.
In unserem modernen Zeitalter übernimmt Chomsky dadurch mehr oder weniger die Rolle jener unerwünschten israelitischen Propheten, die einst verjagt und verteufelt wurden. In gewissen Kreisen wird er oftmals auch als „selbsthassender Jude“ bezeichnet. Zum Schweigen konnte ihn dadurch allerdings niemand bringen. In gewohnter Manier steht Chomsky weiterhin gegen das „Imperium“ auf und beschreibt kühl und gelassen jene Realitäten, die von vielen anderen politischen Beobachtern oftmals bewusst ignoriert werden.
mehr:
- Die Wahrheit über die USA (
Emran Feroz, Noam Chomsky
, Rubikon, 24.11.2018)
siehe auch:
- Warum ein radikaler Intellekt benötigt wird (Emran Feroz, Telepolis, 23.11.2018)
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