Interview Der Philosoph Björn Vedder spricht über die Kritik an der Geld-Elite und die Heuchelei der Mitte
der Freitag: Herr Vedder, eigentlich ist der Begriff des Pöbels eine abwertende Bezeichnung für das „gemeine Volk“. Sie aber sprechen in Ihrem neuen Buch schon im Titel vom „reichen Pöbel“. Wer ist das?
Björn Vedder: Diese Wendung habe ich von Hegel entlehnt. Er beschrieb damit Menschen, deren Reichtum es ihnen erlaubt, sich aus dem „Band der Not“ herauszulösen. Dieses verbindet die meisten Menschen miteinander, weil es sie zwingt, zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse auch die Bedürfnisse der anderen und der Allgemeinheit zu befriedigen. Da mit der Abhängigkeit von diesem „Band der Not“ eine gewisse Sittlichkeit einhergeht, entsteht aus der Freiheit davon eine gewisse Art der Unsittlichkeit. Die Reichen können es sich also leisten, unsittlich zu sein. Ihnen droht eine Wohlstandsverwahrlosung. Es sei denn, sie stemmen sich mit großer Anstrengung dagegen.
Bill Gates oder Mark Zuckerberg sind extrem reich, aber sie lassen einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens wohltätigen Zwecken zukommen. Da wackelt Ihre Definition doch?
Ich glaube nicht, dass Wohltätigkeit viel zum Guten ändern kann. Sehen Sie sich nur einmal den Internetauftritt der Charity-Kampagne „The Giving Pledge“ an. Das ist so eine Spendenkampagne von Superreichen, die verkünden: „In meinem Leben habe ich so viel erreicht, weil ich hart gearbeitet und mir vor allem Bildung angeeignet habe. Darum möchte ich Bildung fördern.“ Es gibt ein Programm der Vereinten Nationen, das dafür sorgen könnte, dass weltweit alle Kinder zur Schule gehen. Dafür müsste man jährlich zwar einige Milliarden Dollar ausgeben, aber für diese Superreichen wäre das nur ein Klacks, gemessen an den Summen, die sie bei „The Giving Pledge“ versprechen. Wenn es den Reichen also tatsächlich so wichtig wäre, Bildung zu fördern, frage ich mich: Warum ist das Programm der Vereinten Nationen dann noch nicht realisiert worden?
mehr:
- „Ein Selbstbild der Verachtung“ (Christian Baron, der Freitag, 13.02.2018)
siehe auch:
- Neue Wege des Demokratiemanagements – Rainer Mausfelds neuer Vortrag als Video (Post, 04.02.2018)
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