Gestern fand am Westminster Magistrates Court in London eine weitere technische Anhörung statt, bei der die weitere Verfahrensweise im Fall Assange beraten/entschieden wurde. Julian Assange war per Videolink zugeschaltet und die Verhandlung ließ einen nebulösen Eindruck zurück. Im Moment sieht es so aus, als würde das eigentliche Auslieferungsverfahren gegen ihn am 24. Februar beginnen, um dann nach einer Woche bis zum 18. Mai unterbrochen zu werden. Ein Bericht aus London von Moritz Müller.
Es war mir gestern gelungen, einen der begehrten Plätze im zu kleinen Saal drei des Gerichtsgebäudes zu ergattern. Ich hatte mich zur Sicherheit um 6 Uhr morgens mit weiteren Unterstützern angestellt und somit einen der 13 Sitze für die Allgemeinheit erhalten, während von den separat behandelten Journalisten einige nur Stehplätze bekamen, so auch Kristinn Hrafnsson, der Chefredakteur von Wikileaks. Zum Glück war es während der dreistündigen Wartezeit vor dem Gericht trocken und kurzweilig, mit Gesprächen über die aktuelle Lage in London.
Nachdem wir um Punkt 9 Uhr eingelassen wurden und uns der üblichen, flughafenähnlichen Sicherheitskontrolle unterzogen hatten, hieß es noch bis 9.45 Uhr vor dem eigentlichen Gerichts”saal” zu warten, während die freundlichen, aber bestimmten Gerichtsdiener versuchten, den Überblick zu behalten, denn es war auch hier noch nicht klar, wer Einlass erlangen würde und wer nicht. Es fand allerdings keine Kontrolle der Personalien statt, aber wahrscheinlich wird auch in diesem Bereich über automatische Gesichtserkennung nachgedacht.
Endlich im Verhandlungsraum angelangt und in der letzten Reihe sitzend, war ich dann doch etwas überrascht über die technische und später auch choreografische Umsetzung der sogenannten Videoübertragung von Julian Assange. Ich hatte mir hier eine Übertragung in der Art eines Public Viewing bei der Fußball-WM vorgestellt, aber dem war nicht so. Man fühlte sich eher an die weitwinkligen Bilder einer U-Bahn-Überwachungskamera erinnert.
Der für mich sichtbare Bildschirm am anderen Ende des Raumes hatte vielleicht eine Diagonale von 70 cm, während der Bildschirm an der Seitenwand ca. 100 cm maß. Auf dem Bildschirm war in einer Totaleinstellung ein Raum in Belmarsh zu sehen, linkerhand eine Tür und zur Rechten, mit sehr viel Leere, leicht von oben herab, drei rote Stühle bzw. eine Bank mit drei Einzelsitzen, im gegenwärtigen Antiobdachlosenstil.
Noch vor der Richterin Vanessa Baraitser, die gestern recht jung und nicht unsympathisch wirkte, wurde Julian Assange in den Raum mit den drei roten Sitzen gebracht. Soweit man erkennen konnte, bewegte er sich recht zügig und steuerte den mittleren Sitz an. Leider war der Bildschirm so klein und der Anteil, den der Untersuchungshäftling auf dem Bildschirm einnahm, auch so klein, dass man sich wünschte, ein Opernglas mitgenommen zu haben wie einer der Wikileaks-Repräsentanten zwei Reihen vor mir, denn das Gesicht von Julian Assange ist in diesem Arrangement nicht zu erkennen, geschweige denn Regungen von ihm. Links von Julian Assange, am Bildschirmrand, hat ein Gefängnisangestellter Platz genommen, wie man an seinen in den Bildschirm ragenden Körperteilen sieht.
Mit dem Eintreten der Richterin begann dann die eigentliche Verhandlung. Als erstes wird Julian Assange gefragt, ob er die Richterin hören kann, und sie bittet ihn wie immer, seinen Namen und sein Geburtsdatum zu nennen. Er nannte sich dann “Julian Assange”, ohne seinen zweiten Vornamen “Paul”, und mit seinem Geburtsdatum blieben dies die einzigen Worte, die er während der Verhandlung sprach.
mehr:
- Assange auf der Mattscheibe (Moritz Müller, NachDenkSeiten, 24.01.2020)
siehe auch:
- Nils Melzer zu Julian Assange: Ein Bericht, den es nicht gibt… (Post, 04.12.2019)
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