Digitalisierungsoffensiven wollen die Arbeitenden einem maschinengestützten Zwang zur Selbstoptimierung unterwerfen.
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Politik, Wirtschaft und Medien locken uns mit dem Versprechen von Arbeitserleichterung und smarter Modernität. Die Wahrheit ist jedoch: die Digitalisierung kettet Menschen noch stärker als zuvor an Maschinen, enteignet ihre Arbeit, automatisiert Kontrolle und Arbeitsverdichtung und führt somit letzlich zu einem Verlust an Freiheit. Am 6. und 7. März 2020 findet in Berlin der diesjährige Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) statt. Er trägt die Überschrift „Digitalisierung — Sirenentöne oder Schlachtruf der 'kannibalistischen Weltordnung'“. Aus diesem Anlass sprach Christa Schaffmann mit dem linken Aktivisten und Buchautor Detlef Hartmann.
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Christa Schaffmann: Was treibt Sie an in Ihrem Widerstand gegen die fortschreitende ungezügelte Digitalisierung?
Detlef Hartmann: Es geht mir um die Freiheit, die akut gefährdet ist. Der Kapitalismus erfährt durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) einen starken Schub, der auf die Intensivierung der Ausbeutung und die Einschränkung der Freiheitsrechte abzielt. Das gilt insbesondere für Arbeiterinnen und Arbeiter. Karl Marx hat sich in seinem historischen Konzept dazu bereits geäußert. Mit der industriellen Revolution, die den Menschen an die Maschinen gekettet hat, fing es an. Das setzte sich fort mit dem Taylorismus, der zu einer noch stärkeren Unterwerfung unter das kapitalistische Joch führte.
Frederic Winslow Taylor äußerte schon in der frühen Veröffentlichung seines epochal angelegten Projekts ausdrücklich die Absicht, dadurch einen „Krieg“ gegen die ArbeiterInnen zu führen, einen Krieg zu ihrer Unterwerfung unter das serielle System (Fließband und so weiter). Er sagte sinngemäß: Wir zertrümmern den Arbeitsprozess, zerlegen ihn in Partikel, weil wir an die innere Steuerungsfähigkeit des Menschen nicht herankommen, und fügen diese Partikel seriell zusammen. Der Organisationstheoretiker und Nobelpreisträger Herbert Simon hat darin die erste Manifestation der Herrschaft des Algorithmus gesehen.
Wie viel hat Ihr Widerstand mit dem während Ihres Studiums in Berkeley erworbenen Wissen sowohl um Technik, um Logik als auch um politökonomische Zusammenhänge zu tun?
Führende IT-Unternehmen wie Fairchild Semiconductor und sogar Intel warfen schon damals aus dem benachbarten Silicon Valley einen spürbaren Schatten auf die dramatischen sozialen Auseinandersetzungen, damals allerdings konfrontiert mit der Moral einer starken Hackerbewegung. Und wer sich wie ich für Logik interessierte, konnte auf dem Campus Alfred Tarski kennenlernen, einen herausragenden Logiker von der Statur eines Kurt Gödel. Er hatte das Werk „Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen“ mit seiner stark hierarchisierten Struktur verfasst. Jahre später habe ich in meinem Buch „Leben als Sabotage“ daran angeknüpft.
Politisch-ökonomisch schlugen sich die technologischen Veränderungen nach meiner Erfahrung noch nicht nieder. Denn der Zusammenbruch des Keynesianismus stand ja noch bevor. Derartiges Wissen hat für mich Intellektuellen sicher eine Rolle gespielt, mehr aber die Erfahrungen mit dem sozialrevolutionären Widerstand. Für diesen brauchte es kein Studium in Berkeley. ArbeiterInnen haben ein brutales System der seriellen Struktur erlebt (im Sinne von Simon), und das bringt Erkenntnis mit sich. Sie wissen manchmal besser als die Theoretiker, was da passiert. Wissen ist ja nicht nur intellektuelles Wissen, sondern viel, viel mehr.
mehr:
- Die Diktatur der Algorithmen (Christa Schaffmann, Rubikon, 04.03.2020)
siehe auch:
- Chile: „Neoliberalismus ist tödlich“ (Post, 19.10.2019)
- Ungleichheit bei Einkommen auf Rekordniveau – Wie bleibt die Bevölkerung ruhig? (Post, 07.10.2019)
- Die Neoliberalisierung der Universität (Post, 24.08.2016)
- Byung-Chul Han : "Tut mir leid, aber das sind Tatsachen" (Niels Boeing, Andreas Lebert, ZON, 07.09.2014)
- Philip Mirowski – Neoliberalismus als weltumspannende Verschwörung (Post, 07.09.2014)
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