Es ist Jahr für Jahr verblüffend zu sehen, mit welch einfachen Mitteln man große Politik machen kann, wenn man – das ist allerdings die unverzichtbare Voraussetzung – gleichzeitig noch im Besitz der großen Medien ist. Alle Jahre wieder schreibt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) über Löhne und Lohnstückkosten im internationalen Vergleich, und Jahr für Jahr werden die Botschaften von willigen Medien wie der WELT eins zu eins verbreitet. Die großen Unternehmensverbände kaufen sich einfach (für läppische zwölf Millionen Euro im Jahr) ein Institut, das nichts anderes im Sinn hat, als bei wichtigen wirtschaftlichen Fragen die Öffentlichkeit in die „richtige Richtung zu führen“ oder zumindest, wenn das nicht hundertprozentig gelingt, die Öffentlichkeit so zu verunsichern, dass sich niemand mehr traut, das eigentlich Offensichtliche laut zu sagen.
Das „Institut der deutschen Wirtschaft“ nennt sich selbst „Privates Wirtschaftsforschungsinstitut“, zielt aber mit den Ergebnissen seiner „Forschung“ komischerweise immer in die gleiche Richtung, nämlich dahin, wo es den Arbeitnehmern weh tut. Im letzten „Vierteljahresheft zur empirischen Wirtschaftsforschung (IW-Trends 1/2020) heißt es mal wieder, es ergebe sich „ein deutlich verringerter Spielraum für Entgelterhöhungen“ für die nächsten Jahre. Noch nie hat das „wissenschaftliche Institut“ herausgefunden, dass die Löhne zu wenig gestiegen sind, dass die Lohnzurückhaltung der Vergangenheit überzogen war oder dass die deutsche Lohnzurückhaltung via riesige Leistungsbilanzüberschüsse in Europa ein gewaltiges Problem geschaffen hat. Das ist doch komisch, wenn man sich der Wissenschaft verpflichtet fühlt.
Aber auch das wäre kein Problem, wenn dem Arbeitgeberinstitut ein schlagkräftiges und mutiges Gewerkschaftsinstitut mit der gleichen Medienmacht gegenüberstünde. Doch davon kann in Deutschland nicht die Rede sein. Die Gewerkschaften samt ihrem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sind in der Lohnfrage äußerst defensiv, und eine Medienmacht, die ihre Interessen vertreten würde, gibt es nicht.
mehr:
- Arbeitgeber-Forschung und ihre Folgen (Flassbeck Economics, 10.03.2020)
siehe auch:
- Die Verantwortungslüge (Post, 27.07.2020)
- Rainer Mausfeld: Angst und Macht in kapitalistischen Demokratien (Post, 26.07.2019)
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