Brüssel, Washington und Berlin setzen alle Hebel in Bewegung, um den russischen Einfluss in der östlichen Peripherie der EU zurückzudrängen
Befinden wir uns in einer Vorkriegszeit? Die außenpolitischen Deklarationen vieler führender Politiker erinnern inzwischen frappierend an die Rhetorik, die die geopolitischen Spannungen vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges begleitete, als imperiale Großmächte verbissen um Einflusssphären und Absatzmärkte kämpften.
Kanzlerin Angela Merkel etwa zeigte sich Mitte November in Sydney besorgt über den wachsenden Einfluss Russlands auf dem Balkan. Bei den Auseinandersetzungen mit Russland gehe es "ja nicht nur um die Ukraine", sagte Merkel: "Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht, (...) muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen." Es werde schwierig sein, Putin in dieser Region zu stoppen, sekundierte Spiegel Online.
Balkan-Roulette
Merkel artikulierte in Sydney die kurz zuvor dem Spiegel zugespielte Einschätzung des Auswärtigen Amtes (AA), der zufolge Russland dem "westlichen Balkan strategische Bedeutung" beimesse. Das Ziel "Putins" bestehe darin, die "Balkanstaaten so unter Druck setzen zu können, dass sie entweder von einer EU-Mitgliedschaft Abstand nehmen oder als Mitglied EU-Beschlüsse prorussisch beeinflussen", erklärte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok.
mehr:
- Let's go East (Tomasz Konicz, Telepolis, 29.11.2014)
zur Einstimmung ein böser Artikel über Elmar Brock
- ARD/Ukraine-Lügen: Vom Brok zum Gärtner (Julie, Politik im Spiegel, 18.11.2014)
- Elmar Brok will europäische Kampftruppen in den Kaukasus schicken (Peter Muehlbauer, Telepolis, 23.08.2008)
Laut dem Mitautor der EU-Verfassung sollen damit die Russen "herausgebracht" werden
Der EU-Parlamentarier Elmar Brok sagte der ARD, man müsse nach Möglichkeiten suchen, wie man die Russen "herausbringt" und schlug dafür in Abchasien und Südossetien "Friedenstruppen unter europäischer Beteiligung" vor. Diese müssten, ähnlich wie auf dem Balkan, "natürlich auch militärisch ausgerüstet sein" um "tätig werden zu können." Der SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels kommentierte die Vorschläge mit den Worten: "Deutschland ist das größte Land in der Union. Also: Wir werden dabei sein." Der ARD-Tageschau zufolge sollen entsprechende Pläne derzeit in Brüssel "erarbeitet" werden.
mein Kommentar:
Und dann wird der Blasebalg angesetzt: Balkan-Roulette, eine zugespielte Einschätzung des Auswärtigen Amtes: Russland messe XY strategische Bedeutung bei, das Ziel Putins sei es, bla, bla, bla… (Reaktion Leser: Oh, oh, oh, was kommt da auf uns zu! Wenn wir nicht aufpassen, sitzt übermorgen der böse Putin in meinem Wohnzimmer!)
Und Elmar Brok verdient sein Geld und seine Anerkennung als Betätiger des Blasebalgs – ähnlich wie Eric Frey (Ukraine und USA: Interessen, Nebelkerzen und Deutungshoheit, Post, 27.11.2014), der aktuelle NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und sein Vorgänger Anders Fogh Rasmussen – und glaubt an das, was er tut.
Diese Leute sind so mit dem, was sie tun und behaupten, identifiziert, daß sie die Dinge gar nicht mehr anders sehen können. Denn dann würde ihre gesamte Existenz und ihre Identität den Bach runter gehen. Solche Leute müssen sich ständig selbst abspulen, um weiterhin an ihre Rolle glauben zu können.
zu westlichen Strategie-Papieren – und deren Umsetzung – siehe:
- Samuel Huntingtons »Kampf der Kulturen« und seine Bedeutung für die Friedensforschung (Post, 28.11.2014)
- China protestiert gegen den Aufbau eines amerikanischen Raketenabwehrsystems in Südkorea (Post, 28.11.2014)
- Wimmer: Für USA geht Macht vor Recht (Post, 28.11.2014)
- Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht (Post, 28.11.2014)
»Am wichtigsten allerdings ist die Ukraine. Da die EU und die NATO sich nach Osten ausdehnen, wird die Ukraine schließlich vor der Wahl stehen, ob sie Teil einer dieser Organisationen werden möchte. Es ist davon auszugehen, dass sie, um ihre Eigenständigkeit zu stärken, beiden beitreten möchte, wenn deren Einzugsbereich einmal an ihr Territorium grenzt und sie die für eine Mitgliedschaft notwendigen inneren Reformen durchgeführt hat. Obwohl dies Zeit brauchen wird, kann der Westen – während er seine Sicherheits- und Wirtschaftskontakte mit Kiew weiter ausbaut –‚ schon jetzt das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 als Zeitrahmen für eine sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge fassen. Dadurch vermindert er das Risiko, dass die Ukrainer befürchten könnten, Europas Erweiterung werde an der polnisch-ukrainischen Grenze haltmachen.«
- Ukraine und USA: Interessen, Nebelkerzen und Deutungshoheit (Post, 27.11.2014)
- George Soros – Geld für die Ukraine (Post, 25.11.2014)
- Frieden muss gestiftet werden (Post, 24.11.2014)
- Warum der Westen an der Ukraine-Krise schuld ist. (Post, 23.11.2014)
- Ukraine-Konflikt und geopolitische Eigentore (Post, 23.11.2014)
- Ray McGovern: Krieg, Geheimdienste und Medienmacht (Post, 23.11.2014)
- Daniele Ganser: Nato dehnt sich aus und nicht Russland (Post, 23.11.2014)
- Ray McGovern: Wie Russland hereingelegt wurde (Post, 23.11.2014)
- EU-Druck auf Serbien: zu Sanktionen gegen Russland verpflichtet (Post, 22.11.2014)
- Die Krise in der Ukraine und die Spaltung Europas (Post, 21.11.2014)
- Der Westen und Rußland: Sprachlosigkeit? Welche Sprachlosigkeit? (Post, 19.11.2014)
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