Die Strafverfahren um Thomas Middelhoff oder den ehemaligen BayernLB-Risikovorstand Gerhard Gribkowsky sind Ausläufer der Wirtschafts- und Finanzkrise. Seit dem Mannesmann-Urteil kann kein Vorstand mehr sagen, er wäre nicht gewarnt worden
Haft – ohne Bewährung! In Wirtschaftsstrafprozessen der Neuzeit, also nach der verheerenden Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008, werden Angeklagte, denen man Wirtschaftsdelikte wie Untreue oder Steuerhinterziehung vorwirft, nicht selten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Jüngstes Beispiel ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende des mittlerweile insolventen Handels- und Touristikkonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff. Zu Arcandor gehört auch die Warenhauskette Karstadt. Das Landgericht Essen hat den früheren Konzernchef in 27 Fällen der Untreue und drei Fällen der Steuerhinterziehung für schuldig befunden. In dem Strafverfahren geht es um diverse Flüge sowie eine Festschrift, die Middelhoff über sein Unternehmen abgerechnet hat.
Dabei hat es Middelhoff noch ein vergleichsweise milde getroffen. Der Ex-Risikovorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, verbüßt derzeit eine achteinhalb jährige Haftstrafe. Das Landgericht München I hat ihn wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung im Sommer 2012 verurteilt. Nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe im Jahr 2002 rückte die BayernLB als Gläubigerbank in verschiedene Gesellschafterpositionen ein, die ihr zuvor zur Sicherheit für Bankdarlehen an die Kirch-Gruppe übertragen worden waren.
mehr:
- Fall Thomas Middelhoff – Die Justiz hat aus der Finanzkrise gelernt (Cicero, 15.11.2014)
ganz anderer Meinung ist Telepolis:
- Middelhoff-Urteil: Sieg des Populismus (Peter Nowak, Telepolis, 14.11.2014)
Hinter der hämischen Freude darüber, dass jetzt auch "die Großen" mal zur Verantwortung gezogen werden, steckt eine Haltung, der vor allem am harten Durchgreifen liegt, weniger an gerechteren Verhältnissen
Big Trouble für Big T, war bei Spiegel Online zu lesen und auch andere Medien übten sich in Häme. Schließlich geschieht es dem oft arrogant auftretenden Konzernchef recht, dass er am Freitag vom Landgericht Essen nicht nur zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt wurde, sondern auch im Gericht noch, wenigstens vorübergehend, festgenommen wurde. Schließlich hat ein gut vernetzter Konzernchef mit Wohnungen in verschiedenen Ländern immer die Möglichkeit, sich rechtzeitig abzusetzen.
Recht so, wird es von deutschen Stammtischen genau so tönen wie von Linken mit oder ohne Parteibuch. Schließlich hat da ein Richter einem Big Man mal gezeigt, dass auch er nicht über dem Gesetz steht. Doch, was wie Gerechtigkeit klingt, ist Populismus. Und hinter der Vorstellung, jetzt werden auch die Großen mal zur Verantwortung gezogen, steckt keine Utopie einer egalitären Gesellschaft.
Vielmehr wird hier eine Gesellschaft vorausgesetzt, in der es oben und unten gibt, aber alle müssen ihr Maß kennen und wenn sie über die Stränge schlagen, sollen sie von einer strafenden Instanz zur Rechenschaft gezogen werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen