Ferguson Polizeimacht und schwarze Lebenswirklichkeit sind in den USA entgegen gesetzte Pole eines Wertesystems, dass moralisch und gesellschaftlich unhaltbar ist
Löst ein Gerichtsurteil Empörung aus, wie nun das der Grand Jury in Ferguson, so berufen sich die Verantwortlichen gerne auf Höheres: auf den Rechtsstaat. Ohne ihn würden wir im Chaos versinken, er allein kann für Ordnung sorgen. So sprach Präsident Obama diesen Montag: „Wir sind eine Nation, die auf dem Prinzip des Rechtsstaats gründet, also müssen wir hinnehmen, dass die Geschworenen diese Entscheidung getroffen haben.“
Das Problem ist aber, dass die USA schon weitaus länger eine Nation der Ungerechtigkeit sind als ein „Rechtsstaat“. Und wo es grundsätzlich an Gerechtigkeit fehlt, kann auch das sogenannte Recht kaum mehr sein als festgeschriebene Tyrannei. Wenn ein weißer Polizist, Darren Wilson, einen unbewaffneten schwarzen Teenager, Michael Brown, erschießt und dafür nicht angeklagt wird, liegt ein haarsträubender Widerspruch vor. In einer Welt, in der es nicht nur legal ist, dass dich jemand abschießt, wenn du auf der Straße herumläufst, sondern dieser Jemand dabei noch im Namen des Gesetzes handelt, kann Manchen das Gefühl beschleichen, er habe nichts zu verlieren. Und, mit James Baldwin gesprochen: „Es gibt nichts Gefährlicheres als einen Menschen, der nichts zu verlieren hat. Es müssen keine zehn Menschen sein. Einer reicht schon.“
In diesen Abgrund, der zwischen dem offiziellen Gerede von einem unparteiischen Rechtssystem und der Wirklichkeit der rassistischen Ungerechtigkeit klafft, konnte Wilson entwischen, auch wenn ihm die Flammen von Ferguson dicht auf den Fersen waren. Denn der Polizist wurde keineswegs entlastet. Vielmehr entschied die Jury, es liege nicht einmal ein hinreichender Verdacht für eine Anklage gegen ihn vor. So etwas geschieht selten. Die Statistiken des US-Justizministeriums zeigen, dass im Jahr 2010 in lediglich 11 von 162.000 Fällen, in denen Staatsanwälte ermittelten, die Jury eine Anklage zurückwies.
mehr:
- Wenn Recht nicht gerecht ist (Gary Young, der Freitag, 28.11.2014)
siehe auch:
- Ferguson: Es brodelt immer noch (Post, 18.11.2014)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen