Eine Auswertung von Kurzgeschichten von Kindern zeigt, wie stark Sprache und Vorstellungswelt von den neuen Medien geprägt werden
Sprache verändert sich laufend, trotz allen Versuchen, Wortgebrauch und "richtige" Wörter, Grammatik und Schreibweisen zu schützen, um eine gewünschte Form zu erhalten. Eine Auswertung von über 120.000 Kurzgeschichten von 5- bis 13-jährigen Kindern durch die Oxford University Press (OUP) zeigt, wie sehr die Welt der Kinder vom alltäglichen Umgang mit Techniken und Medien geprägt wird und dass das Schreiben über dieser sich schnell verändert. Die Kurzgeschichten wurden an den Schreibwettbewerb "500 Words" der BBC eingesandt.
Soziale Netzwerke und mobile Kommunikation sind vorherrschende Elemente des Lebens. Nach der Auswertung stehen Facebook, Email und "mobile" (vielleicht am besten mit Handy übersetzt) auf der Verliererseite, dagegen werden Instagram, Snapchat und Emoij, also Bildschriftzeichen, häufig genannt. Auch "Fernsehen" verliert an Bedeutung und wird erstmals weniger häufig verwendet als Telefon. Blackberry, MP3 oder iPod wurden durch iPhone, WhatsApp oder ooVoo ersetzt. Und um das Selfie kommen die Kinder auch nicht herum.
Besonders auffällig ist, dass erstmals das Hashtag # in den Kurzgeschichten nicht nur sehr oft auftaucht, sondern es über die Verwendung zur Verlinkung von Tweets hinaus in der geschriebenen Sprache eine neue Bedeutung erlangt hat, um eine Aussage hervorzuheben. Für Vineeta Gupta von OUP ist dies "eine entscheidende Veränderung" des Sprachgebrauchs in diesem Jahr: "Die Kinder haben die Verwendung von # als bloßes Präfix oder als Suchbegriff für Twitter zu einem editorischen Mittel erweitert, um eine Bedeutung oder einen Kommentar hinzuzufügen." Hashtag wurde zum "Wort des Jahres" erklärt.
Die Vorstellungswelt der Kinder kreist offenbar darum, die Erfolgsgeschichten wiederholen zu wollen, die das Internet möglich macht und von den Medien verstärkt werden. Im Wettbewerb ging die Geschichte oft darum, wie plötzlicher Internetruhm über ein YouTube-Video zustandekommt. So sieht heute der amerikanische Traum der "Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär"-Erzählung aus, wobei der Erfolg zwar auch mit Geld verknüpft ist, aber die (mediale) Aufmerksamkeit primär zu sein scheint, eine Botschaft, die im alten Medium des Fernsehens oft noch etwas mühsamer über die allgegenwärtigen Casting-Shows den Kindern vorgeführt und eingehämmert wird. Noch attraktiver ist aber, dass man eben mit einem einzigen Video, das ins Netz gestellt wird und das sich viral verbreitet, plötzlich und mühelos zum Star werden kann und so die Anerkennung findet, nach der die Kinder suchen.
mehr:
- Mit einem YouTube-Video zu plötzlichem Ruhm (Florian Rötzer, Telepolis, 28.05.2015)
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