Marx in der Theorie: Unser Autor, ein Ex-Kommunist, liest das Hauptwerk des Denkers noch einmal – und ist überrascht.
Das Kapital enthält ein Versprechen, das nach wie vor Leser anlockt. Sie wollen wissen, wie sich die vielen Paradoxien unserer Zeit erklären lassen. Maschinen übernehmen menschliche Arbeit, und trotzdem klagt alle Welt über Burn-out. Oder: Mit welchem Recht kassieren ehemalige Manager Tag für Tag mehrere Tausend Euro Rente, während andere Menschen nicht zurechtkommen, obwohl sie zwei Jobs gleichzeitig erledigen? Und das sind nicht die einzigen Widersprüche.
Für mich ist die Lektüre des Kapitals auch deswegen interessant, weil sie eine Wiederbegegnung ist: mit einer untergegangenen Welt, der Welt der sogenannten Achtundsechziger. In die geriet ich als Jugendlicher, und es dauerte nicht lange, bis ich an "Kapital- Schulungen" teilnahm und diese später für ein paar Jahre auch selbst leitete. Die blauen Bände des Kapitals waren subventionierte Ware aus der DDR; abgesehen vom ersten Band, handelte es sich um die von Friedrich Engels nach Marx’ Tod herausgegebenen Fassungen.
Mittlerweile existiert das Material auch in jener ursprünglichen Form, in der Karl Marx es als Manuskript hinterlassen hatte (als Teil der "Marx-Engels-Gesamtausgabe", treffend mit MEGA abgekürzt). Aber für meinen Zweck der Wiederbegegnung habe ich es mir erspart, diese nunmehr 15 Bücher zu durchpflügen. Die rund 4000 Seiten der alten DDR-Ausgabe sollten mir genügen.
Die besorgte ich mir allerdings neu. Mein Kapital von einst besitze ich noch, aber darin ist fast jeder zweite Satz angestrichen, denn meine Freunde und ich glaubten uns am Quell der reinen Wahrheit. Kritik daran kam uns rückständig vor, ja lächerlich. Dass aus der 68er-Bewegung ausgesprochen autoritäre, ja sogar terroristische Gruppen hervorgingen, hatte mit diesem Wahn zu tun, sich im Besitz einer unwiderlegbaren Lehre zu glauben.
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Der Kapitalismus - Und wenn Karl Marx doch Recht gehabt hätte {52:34}
Bernd Brot
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Obwohl immer wieder scharf kritisiert, hat der Kapitalismus als herrschendes Wirtschaftssystem auch die jüngste Wirtschafts- und Bankenkrise überlebt und diktiert unsere Lebensbedingungen. Zeit, sich wieder einmal näher mit den Grundsätzen dieser Wirtschaftsordnung auseinanderzusetzen. In sechs Folgen wirft ARTE deshalb einen Blick auf die Geschichte und die Entwicklungen des Kapitalismus. Diese Folge beschäftigt sich mit den Hintergründen der Kapitalismusanalyse von Karl Marx. Ist seine Kapitalismusanalyse nicht weiterhin eine der scharfsinnigsten Auseinandersetzungen mit der modernen Welt überhaupt?
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