Niemand prägte das Bildungsideal der deutschen Universitäts- und Schullandschaft wie Wilhelm von Humboldt. Und auch als Ahnherr des Liberalismus ging er in die Geschichtsbücher ein. Die aktuelle Cicero-Ausgabe verrät, warum die Lehren des Ausnahmegeists ein Vierteljahrtausend nach seiner Geburt wieder akut sind
Schon 20 Jahre, bevor Wilhelm von Humboldt sich anschickte, einen Staat und dessen Bildungssystem neu zu ordnen, hatte er seine Gedanken geordnet. „Der wahre Zweck des Menschen“, notiert er als 25-Jähriger 1792, „ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.“ Dieser Satz umreißt eben das, was seither als humboldtsches Bildungsideal erst Preußen groß gemacht und dann die universitäre Lehre und Forschung in Deutschland geprägt hat.
Der Ausnahmegeist verlangte von jedem Lernenden, seinen „inneren Wert“, sein enzyklopädisches und sittliches Wissen so hoch zu steigern, dass „der ganze Begriff der Menschheit“ im Extremfall aus einem einzigen Individuum heraus „einen großen und würdigen Gehalt gewönne“. Welch ein Anspruch! Erinnert mich stark an den Satz meines Professors für Neuere deutsche Literatur, der sagte, wir sollten vor dem Berg an Klassikern, die man gelesen haben muss, nicht verzweifeln. „Jeden Tag einen davon reicht völlig“, meinte er vermeintlich milde und verständnisvoll für all die anderen Lockungen jenseits von Lektüre, die das Studentenleben sonst noch bereithält.
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- Wilhelm von Humboldt, der liberale Rebell (Christoph Schwennicke, Cicero, 27.04.2017)
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