Aus der Sicht des einzelnen Verlegers ist die Pressefreiheit sein individuelles Grundrecht.
Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger hat es einmal so formuliert: »Pressefreiheit bedeutet nur, daß jeder, der will und kann, eine Zeitung oder Zeitschrift herausgeben darf.«
Kritische Journalisten, Juristen und Bürgerrechtler sehen es anders: Die Pressefreiheit – wie auch die Meinungs-, die Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit – ist ein Grundrecht, das jeder einzelnen Bürgerin, jedem einzelnen Bürger und allen gemeinsam eigen ist. Denn Demokratie kann nicht leben und gedeihen, wenn das Volk einseitig, also falsch informiert ist. Daraus resultiert die öffentliche Aufgabe der Presse (heute müßte man sagen: der Medien), von der das Presserecht spricht. Unser aller Grundrecht auf vielseitige Information verpflichtet die Medien, uns vielseitig zu informieren. Und alle Demokraten müssen auf bestmögliche Bedingungen bedacht sein, die die Medien brauchen, um diese Aufgabe erfüllen zu können.
In der Gründungszeit der Bundesrepublik Deutschland waren verfassungspolitische Debatten noch unmittelbar von den Erfahrungen im Nazi-Staat geprägt. Man wußte noch, was gleichgeschaltete Medien mit einseitiger, desinformierender, verhetzender Propaganda bewirken können (die Zahl der Radiogeräte war in den Jahren 1933 bis 1945 von zwei Millionen auf 18 Millionen gestiegen). Die Siegermächte sorgten dann dafür, daß der Rundfunk öffentlich-rechtlich organisiert wurde. Die pluralistisch zusammengesetzten Aufsichtsgremien sollten einseitige Beeinflussung der Hörerschaft verhindern.
Im gleichen Sinne wurden damals Lizenzen für Tageszeitungen (zum Beispiel in der US-amerikanischen Besatzungszone für die Frankfurter Rundschau und die Süddeutsche Zeitung) an jeweils mehrere Journalisten unterschiedlicher Couleur vergeben, oder die Besatzungsmacht (vor allem die britische) erteilte Lizenzen für mehrere Zeitungen innerhalb einer Region und hoffte, durch Konkurrenz lasse sich Informationsvielfalt und -qualität gewährleisten. Doch gerade im britisch besetzten Nordwestdeutschland, namentlich in den dichtbevölkerten Großräumen Hamburg und Ruhrgebiet, setzte bald die Pressekonzentration ein, die diese Hoffnung welken ließ. Im Ruhrgebiet kaufte der WAZ-Konzern (jetzt Funke-Gruppe) ein Blatt nach dem anderen auf, in Hamburg wurde Springer übermächtig. Ganze Redaktionen wurden verkauft und erhielten von heute auf morgen einen neuen Verleger, für dessen persönliche Interessen, Meinungen und Marotten sie fortan werben sollten.
Der Informations- und Meinungsvielfalt sollte ursprünglich auch der Tendenzparagraph im Betriebsverfassungsgesetz dienen: Vor allem bei Einstellung und Entlassung von Redakteuren sollten die Verleger ihre je eigene Tendenz und damit die Unterschiedlichkeit der miteinander konkurrierenden Zeitungen wahren können, ohne etwa, wie sie fürchteten, vom Betriebsrat daran gehindert zu werden. Wenn aber nun in einer Region ein Pressemonopol entstand, verlor der Tendenzparagraph die Wirkung, die man sich einst von ihm versprochen hatte: Er dient nicht mehr der Vielfalt, sondern der Einfalt. Die Leserinnen und Leser im Verbreitungsgebiet eines publizistischen Monopols können sich übers Lokale und Regionale nur noch aus einer einzigen Zeitung informieren, und deren Verleger beziehungsweise der von ihm eingesetzte Chefredakteur kann festlegen, worüber berichtet wird und worüber nicht.
Inzwischen ist das Monopol zum Normalzustand in der deutschen Presselandschaft geworden. Konkurrierende Zeitungen aus konkurrierenden Verlagen erscheinen nur noch in wenigen Städten. Mancherorts, zum Beispiel in Nürnberg, Stuttgart und Hannover, gibt der jeweilige Monopolverlag zwei Zeitungen heraus, deren Aufmachung oder Stil sich unterscheiden (etwas konservativer oder etwas greller), deren Tendenz aber die gleiche ist. Angesichts dieser Entwicklungen hätte der Tendenzparagraph längst abgeschafft, das Presserecht novelliert, die »innere Pressefreiheit« eingeführt werden müssen, wie schon vor 45 Jahren die Deutsche Journalistenunion in der damaligen Gewerkschaft Druck und Papier (jetzt ver.di) und der Deutsche Journalistenverband gefordert hatten.
mehr:
- Die Monopol-Tendenz (Eckhard Spoo, Ossietzky, 2014)
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