Der Klassenstreber hatte es schwer bei uns. Denn welcher bei normalen Verstand seiende junge Mensch wollte gute Noten schreiben, um dem Lehrer, dem Klassenfeind Nummer 1, zu gefallen? Schließlich war er es, der uns von den wichtigen Dingen im Leben fernhielt und uns versuchte, mit dem geistigen Rohrstock einzutrichtern, wie toll es sei, strategiebesessen und unterhaltungsaversiv durch die Gegend zu laufen, also ein Abbild seines spießbürgerlichen Selbst zu werden.
Was an einer konturlosen Gestalt wie ihm so attraktiv sein soll, ist mir noch heute ein Rätsel. Aber irgendwie gab es immer irgendwelche nach Anerkennung trachtenden, überambitionierten Kameradenschweine, die, sobald der Lehrer ihnen ein Leckerli in Form seiner Zustimmung zuwarf, Männchen machten, und die, sobald ein Klassenkamerad einen Fehltritt zeigte, mit dem Knochen im Maul dem Lehrer schwanzwedelnd Bericht erstatteten.
Aber immerhin hatten diese Lehrerwedler den Mumm, sich zu outen und sich somit zu einer Splittergruppe der Outlaws zu positionieren. Wesentlich schlimmer waren da die kameradschaftlichen Maulwürfe, also die, die so dachten wie die Streber, sich aber nicht trauten, so zu sein, weil die Angst, abseits der Gruppe zu stehen und somit eins auf den Deckel zu bekommen, größer war als ihr Drang, der fleischlichen Aktentasche zu gefallen.
mehr:
- „Jogification“ – die neue Sekundärtugend (Bertha Stein, achgut.com, 16.06.2018)
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siehe auch:
- Auf, Vordermann! (Bert Rebhandl, der Freitag, 17.06.2018)
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