Für die „größte Katastrophe der Gegenwart“, die Auslöschung des Jemen in fremdem Auftrag, ist auch Deutschland mitverantwortlich.
Endlich Friedensaussichten für den fast völlig zerstörten Jemen? Die Tagesschau verströmte am 6. Dezember eine große Portion Optimismus in einem noch größeren Paket Falschinformation. Die Aufnahme von Friedensgesprächen in Stockholm unter Leitung des UN-Vermittlers Martin Griffiths bot ausreichend Gelegenheit, das mörderische Geschehen im Jemen und die ihm zugrunde liegenden Interessen wieder einmal gründlich zu vernebeln (1).
Freilich, lieber Nachbar, man soll von unserer Qualitätsjournaille nicht verlangen, den „Nachrichtenwert“ eines Vorberichts über einen anstehenden CDU-Parteitag für weniger wichtig zu halten als den längst und dringend erwarteten Beginn von Jemen-Friedensverhandlungen. Zwar sollte in Hamburg erst am Folgetag die Merkel-Nachfolge geregelt werden, aber: Was für die Kanzlerinnenpartei wichtig ist, hat selbstverständlich auch schon 24 Stunden vorher für ARD-aktuell Vorrang vor allem anderen. Wo kämen wir sonst hin?
Inzwischen wissen wir‘s: Dem Sprechblasenautomat im einreihig geknöpften Hosenanzug folgt ein zweireihig geknöpfter. Der Rest ist Jacke wie Hose.
Bleiben wir lieber bei dem Ereignis in Stockholm. O-Ton Tagesschau, 20 Uhr:
„Nach jahrelangem Krieg im Jemen haben heute Friedensgespräche in Schweden begonnen. UN-Vermittler Griffiths sprach zum Auftakt der Beratungen von Regierung und Huthi-Rebellen von einem Meilenstein. Erst im Herbst waren Friedensverhandlungen in Genf geplatzt. 2015 hatten die Kämpfe im Jemen begonnen. Die Regierung wird von einer saudisch geführten Koalition unterstützt. Sie kämpft gegen Huthi-Rebellen, die mit dem Iran verbündet sind. Bislang wurden allein etwa 9.500 Zivilisten getötet“ (2).
Sprecherin Linda Zervakis liest nur vom Teleprompter ab, was ihr die ARD-aktuell-Redaktion aufgeschrieben hat: Bockmist, Neudeutsch: Bullshit.
Immerhin wird im Reporterbericht, der sich an die Studiomeldung anschließt, etwas Hoffnung generiert, sogar hinsichtlich Tagesschauqualität: Nämlich, dass sie eines schönen Tages doch noch seriös über diesen Völkermord berichten könnte. Reporter Christian Stichler zelebriert die objektiv richtige Neuigkeit, dass gleich zu Beginn der Gespräche in Stockholm ein Gefangenenaustausch vereinbart worden sei.
Du fragst dich, was an der Studiomeldung zuvor so falsch war? Komm, lieber Nachbar, setz dich erst mal. Dann sagen wir dir das Schlimmste zuerst: In diesem Krieg sind in den vergangenen drei Jahren nicht „etwa“ 9.500 Zivilisten getötet worden. Von mindestens 56.000 Kriegstoten schreibt Telepolis (3), die Los Angeles Times meldet „zehntausende Kriegstote“ (4), und in Information Clearing House ist gar von „mehr als 85.000 getöteten Kindern“ zu lesen (5).
mehr:
- Die Stellvertreterkrieger (
Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam
, Rubikon, 18.12.2018)
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