Samstag, 16. November 2019

Wie Einstein über Nacht zum Superstar wurde

Die Bestätigung von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vor 100 Jahren

Ausgerüstet mit Daten und Analysen stand am Abend des 6. November 1919 ein Team von Astronomen um Sir Arthur Stanley Eddington in der Royal Society in London in einem stark überfüllten Raum und skizzierte seine Messergebnisse. Ca. ein halbes Jahr zuvor hatten seine Mitglieder auf der abgelegenen westafrikanischen Insel Príncipe eine totale Sonnenfinsternis beobachtet und fotografiert (eine zweite Gruppe war nach Brasilien gefahren, um dort in Sobral Aufnahmen vom gleichen Ereignis zu machen).

Was heute von Millionen Menschen zum Anlass eines solchen Spektakels millionenfach mit dem Handy gemacht wird, war damals alles andere als einfach. Die Fotografietechnik war noch sehr primitiv und ganz allgemein waren nach dem Ersten Weltkrieg die wissenschaftlichen Ressourcen knapp. Doch die Forscher um Eddington hatten enorme Bemühungen auf sich genommen, denn sie glaubten, dass ihre Beobachtungen die revolutionärste wissenschaftliche Idee der modernen Wissenschaft beweisen oder widerlegen könnten: Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie.

Im November 1915 hatte Einstein auf einer Sitzung der Preussischen Akademie der Wissenschaften seine "verallgemeinerte Gravitationstheorie" vorgestellt. Darin hatte er die Wirkung der Gravitationskraft mit der Struktur von Raum und Zeit verbunden und formuliert, dass Gravitation nichts anderem entspricht als einer Veränderung in der geometrischen Struktur eines vereinten vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums.

Einstein hatte damit vereint, was in der klassischen Theorie Isaac Newtons noch scharf getrennt war: Raum und Kraft, Geometrie und Gravitation. Massen treten bei ihm nicht mehr wie noch bei Newton durch Kräfte in einem absoluten Raum und in einer absoluten Zeit miteinander in Verbindung, sondern sie verändern die Struktur der Raum-Zeit, indem sie diese verbiegen oder "krümmen", was wiederum andere Massen "gravitativ" beeinflusst. Die klassische flache, sogenannte "Euklidische Geometrie" des Raums verliert in Einsteins Theorie ihre Gültigkeit und wird durch eine lokal gekrümmte Geometrie ersetzt, deren jeweilige Krümmung von der vorliegenden Massenverteilung abhängt. Der Raum ist also nicht mehr Behälter der physikalischen Welt, die Zeit nicht mehr innerer Parameter der Bewegung, sondern beide sind integrierter Gegenstand der Physik mit einer eigenen Dynamik.

Mithilfe einer Analogie lässt sich Einsteins abstrakte Theorie veranschaulichen: Eine Bleikugel auf einer Gummimatte bewirkt, dass sich an der Stelle, an der sie liegt, eine Verformung einstellt. Diese Wölbung wiederum beeinflusst die Bewegung anderer Kugeln auf der Matte. Eine zweite Bleikugel wird um das Zentrum der durch die erste Kugel hervorgerufenen Wölbung kreisen (unter der Annahme, dass keine Reibung wirkt). Die Kugeln auf der Gummimatte ziehen sich also nicht aufgrund irgendwelcher Kräfte an, die auf die wirken, sondern weil sie selbst die Form des Raums verändern, in dem sie sich befinden. Analog führt eine durch einen massiven Körper hervorgerufene Verformung der geometrischen Struktur des dreidimensionalen Raums zu einer Beeinflussung der Bewegung anderer Massekörper.

Doch während klar ist, dass sich die zweidimensionale Matte in die dritte Dimension des Raumes hinein deformiert, ist unklar, wohin sich der Raum selbst verformen kann? Die Antwort lautet: in eine vierte Dimension. Anstatt nur die Geometrie eines dreidimensionalen Raums zu beschreiben, in welcher sich die Körper in einer davon unabhängigen eindimensionalen Zeit bewegen, müssen wir in Einsteins geometrischer Beschreibung der Gravitation Raum und Zeit als in einer vierdimensionalen Welt untrennbar miteinander verbunden betrachten. Und bei der Anwesenheit von Massen krümmt sich diese Raum-Zeit lokal. Dies bedeutet unter anderem, dass sich ein Lichtstrahl verbiegt, wenn er einen durch eine Masse gekrümmten Raum durchläuft.

mehr:
- Eine Sternstunde der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts (Lars Jaeger, Telepolis, 16.11.2019)
siehe auch:
Relativitätstheorie erneut bestätigt (Post, 26.07.2019)
Eine kurze Geschichte der Zeit: Hawking, sein Kontext, seine Ideen (Post, 17.03.2018)
- Gravitationslinse: Forscher wiegen Stern mit Einstein-Trick (Post, 08.06.2017)


Viele aus Freuds Generation waren überzeugt, dass die Naturwissenschaft das politische und soziale Leben reformieren würde. Die Forscher würden dazu beitragen, den Aberglauben, religiöse Annahmen und ideologische Illusionen zu bezwingen, indem sie stichhaltige Erkenntnisse erbrachten, die eine klarere Sicht der Realität ermöglichten, wodurch eine politische Elite gerechter und vernünftiger regieren konnte.
[Makari, George J., Revolution der Seele, Psychosozial-Verlag 2011, S. 35]
»Es ist falsch zu sagen: Ich denke;
man müßte sagen: Es denkt mich. […]
Ich ist ein anderer

Arthur Rimbaud (1979, S. 12)

[Makari, George J., Revolution der Seele, Psychosozial-Verlag 2011, S. 19] 
Die Relativitätstheorie für Einsteiger {7:47}

Terra X Lesch & Co
Am 09.03.2016 veröffentlicht 
Die Relativitätstheorie besagt - äh, was noch mal gleich? Dieses Video liefert Antworten. Einfach und verständlich erklärt von Harald Lesch.

DOKU Das Geheimnis von Raum und Zeit Einstein's Relativitätstheorie 2013 german deutsch {57:14}

Felix Grams
Am 02.04.2015 veröffentlicht 



Früher hat man geglaubt, wenn alle Dinge aus der Welt verschwinden, so bleiben noch Raum und Zeit übrig;
nach der Relativitätstheorie verschwinden aber Zeit und Raum mit den Dingen.

[Albert Einstein 1924 in New York, von einem Reporter nach einer möglichst kurzen Beschreibung der Relativitätstheorie gefragt]

E = h · f (Planck) und E = m · c² (Einstein) verändern die Welt | Anthropozän (21) • Harald Lesch {26:44}

Urknall, Weltall und das Leben
Am 11.11.2016 veröffentlicht 
Max Planck entwickelt die Idee der Quantisierung, Albert Einstein die Relativitätstheorien. Die Forschung dringt Schrittweise tiefer und tiefer in die Struktur der Materie ein bis hin zur Entwicklung der Atombombe. Der technologische Fortschritt gewinnt dramatisch an Geschwindigkeit bis hin zur Landung auf dem Mond.
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Transatlantische Kommentare in der NZZ

Als «Meinung» präsentiert, aber mit klaren Fehlinformationen. Das Vorgehen der NZZ-Redaktion bedarf der näheren Analyse.

«Meinung & Debatte» heisst die Seite, wo die NZZ Texte von Gastautoren publiziert. Der Name der Seite weckt die Erwartung und nährt die Illusion, dass hier Texte zu lesen sind, die eine andere oder zumindest eine differenziertere Ansicht als die der NZZ-Redaktion zum Ausdruck bringen.

Zumindest was die geopolitischen Auseinandersetzungen betrifft, ist dem allerdings nicht so, im Gegenteil. Nicht selten werden hier «Meinungen» publiziert, die scheinbar besonders echt sind, weil «aus der Feder» eines Betroffenen oder einer Involvierten. Infosperber hat schon im September 2018 darauf aufmerksam gemacht, dass hier – als Beispiel der Autor Andreas Umland in Kiev – auch Autoren zum Zuge kommen, die direkt von NATO-nahen Organisationen bezahlt sind.

Jetzt, am 12. November 2019, setzte die NZZ-Redaktion in eben dieser Rubrik «Meinung & Debatte» einen Text von Christoph Brumme ein, von einem, wie da stand, in Ostdeutschland geborenen «Schriftsteller», der heute mit seiner ukrainischen Frau in Poltawa in der Ostukraine lebt. Womit einmal mehr der Eindruck erweckt wird: Der lebt dort, der muss es ja wissen.

Pustekuchen, würde ein Deutscher dazu wohl sagen. Denn Brumme beschränkt sich darauf, «die» Ukrainer und «die» Russen zu vergleichen. Schon die Headline zeigt die stupide Simplifizierung seiner Ausführungen: «Brüder kann man sich nicht aussuchen – die Ukrainer trennt von den Russen der Drang nach Freiheit und eine Kultur der Moral». Da ist dann immer von «den» Ukrainern und «den» Russen die Rede. Mit Verlaub: Wer sind denn «die» Ukrainer?

mehr:
- So verpackt die NZZ Falschinformationen in «Meinungen» (Christian Müller, Info-Sperber, 16.11.2019)
siehe auch:
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